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Und ich wollte nicht passiv sein. Was war nur aus mir geworden? Seit wann ließ ich so mit mir umgehen?
Ich war kein Kind mehr.
Und ich stemmte meine Hände gegen seine Brust, drückte mit aller Kraft zu.

"Runter von mir", sagte ich bestimmt. Er bewegt sich keinen Zentimeter. Ich drückte weiter, keine Reaktion. Nur ein überhebliches Lächeln, das sich auf sein Gesicht schlich, kam einer Antwort gleich. Ich löste meine Hände von ihm und legte sie an seine Wangen. Überrascht sog er die Luft ein. Gut so, ich hatte einen Effekt auf ihn. "Du machst mir Angst, Tom. Runter von mir", meinte ich nun eindringlich und tatsächlich ließ er von mir ab und stand nur Sekunden später so weit entfernt von mir, wie das Zimmer es zuließ.

"Angst? Was hättest du für einen Grund, um dich zu fürchten?", flüsterte er und die Wut, die noch Minuten zuvor in seinen Zügen gesteckt hatte, verflog und wich echter Verwunderung.

"Du hast mich einmal beinahe zu Tode gewürgt", erinnerte ich ihn und betrachte skeptisch, wie er sich mit zitternden Händen über das Gesicht fuhr. Das konnte er ja wohl schlecht bereits vergessen haben.

"Ich hätte dich doch nie verletzt", rechtfertigte er sich und ein heiseres Lachen kroch meinen Hals empor.

"Das hast du, Tom. Verstehst du denn nicht? Ich kann dir nicht vertrauen, weil du mir nicht vertraust. Du siehst hinter jeder Freundlichkeit eine Verschwörung und das macht dich so unberechenbar und gefährlich", erklärte ich außer Atem und betrachtete, wie Toms Augen sich tatsächlich mit Tränen füllten. Trotz der Situation, in der wir waren, tat er mir leid.

"Ich will dir vertrauen. Ich... Ich vertraue dir", flüsterte er und meine Gesichtszüge wurden weicher.

"Beweis es mir."

Und das tat er. Tom schnappte sich meine Hand und zog mich durch die Gänge des Schlosses bis in Myrtes Toilette. Verwundert schaute ich ihn an.

"Deine Geheimnisse liegen in der Mädchentoilette?", fragte ich skeptisch und Tom warf mir einen bösen Blick zu. Ich presste die Lippen aufeinander und nahm mir vor, die Klappe zu halten, doch ich konnte nicht anders. "Vielleicht liegen hier nicht deine Geheimnisse, aber die Unschuld ziemlich vieler Mädchen, wenn ich das so ausdrücken kann."

"Sehr witzig, Lex", brummte er und steuerte auf ein Waschbecken zu. Eine Schlange war in die Marmorverkleidung rund um den Hahn eingelassen.

"Das Waschbecken funktioniert nicht", informierte ich ihn und Riddle warf mir einen Blick über die Schulter zu.

"Denkst du wirklich, dass ich mir die Hände waschen will?", fragte er mich und Belustigung schwang in seiner ansonsten ruhigen Stimme mit. Nun ja...

"Wir stehen mitten im Mädchenklo, Tom. Ich weiß nicht, was ich glauben soll", erwiderte ich und er winkte mich näher zu ihm heran.

"Warte es ab", sagte er und begann dann Parsel zu sprechen. "Öffne dich."

Plötzlich öffnete sich das Waschbecken und gab binnen weniger Sekunden den Blick auf ein tiefes Loch frei. Ich schluckte und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Tom griff nach meiner Hand, weil er wohl fürchtete, dass ich abhauen könnte. Er hatte mich doch wohl nicht zum Eingang der Kammer geführt? Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen und ich bekam auf einmal schwitzige Hände.

"Nach dir. Rutsch einfach hinab", forderte ich mich auf, doch ich war blond und nicht bescheuert. Ich schüttelte stur meinen Kopf und hob abwehrend die Hände.

"Nein, Nein, Nein. Du zuerst, Riddle." Er betrachtete mich, lächelte kurz und sprang dann einfach so in das Loch. Was mich vor ein weiteres Problem stellte. Was sollte ich jetzt tun? Hinterher hüpfen oder in meine Zeit zurück springen, um Hogwarts die Kammer zu zeigen? Aber was wenn es noch weitere Fallen und Geheimtüren gab? Wir würden kläglich scheitern. Also nahm ich mir ein Herz und folgte Riddle in die schier unendliche Dunkelheit. Und ja, ich konnte mir einen Aufschrei nicht verkneifen, als ich das Rohr hinunter rutschte.

Unten angekommen, wartete Riddle auf mich. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und ich kam nicht umhin, es zu erwidern. Stumm schritten wir nebeneinander den leeren Gang entlang, der von feuchten Wänden gebildet wurde. Es tropfte nur so von der Decke und unsere Schritte hallten im Tunnel wieder.

"Sind wir direkt unter dem See?", fragte ich dann doch und Riddle zog seinen Zauberstab hervor. Ich tat es ihm gleich. "Lumos", sagte wir beide und Tom wandte sich mir im Licht unserer Stäbe zu.

"Ja, das sind wir. Dieser Ort ist beinahe vergessen. Legenden ranken sich um hin, doch keiner glaubt, dass er tatsächlich existiert", meinte Riddle und ich hielt den Atem an.

"Alle haben ihn vergessen, nur du nicht", flüsterte ich und Riddle half mir über einen Felsen, der in der Mitte des Weges lauerte.

"Salazaar Slytherin schuf diesen Ort einst. Er diente ihm als Raum, um seinen Schülern dunkle Magie zu lehren. Später dann, viele Jahre später, nachdem er die Schule verlassen hatte, wurde er nur noch von einer sehr exklusiven Gruppe junger Zauberer genutzt. Denn nicht jeder hat Zugang. Bei Merlin, stell dir vor, ein Schlammblut käme in diese Hallen."

Ich ignorierte den Rassismus in seinen Worten und meinte:" Noch sehe ich keine Hallen, sondern nur schleimige Backsteinmauern."

"Bist du immer so scheußlich zynisch?"

"Ich bemühe mich", erwiderte ich und Riddle lachte doch tatsächlich das erste Mal in diesen Tunneln auf. Mir wurde etwas wohler dabei, obwohl ich noch immer fürchtete, nie wieder das Tageslicht zu sehen.

Wir hielten vor einer geschlossenen Tür, die mit zwei riesigen Schlagenstatuen verziert war. Deren Augen blitzten grün. Plötzlich fühlte ich mich unendlich klein und unbedeutsam. Diese Mauern und Statuen hatten Jahrhunderte überdauert, Kriege überlebt und Erben Slytherins kommen und gehen sehen. Wenn ich bereits tot unter der Erde liegen werde, würden diese Räume noch immer existieren. Dieser Gedanke raubte mir den Atem.

"Gewährt uns Einlass", befahl Riddle erneut auf Parsel und die Schlagen erwachten zum Leben, ihre Schwänze entwirrten sich und mit einem teuflischen Dröhnen öffnete sich die steinerne Tür. "Ich muss mal wieder Ölen", scherzte Riddle, doch ich ignorierte ihn, als wir eintraten.
Ich stand völlig neben mir, ich war am Ziel.
Ich stand in der Kammer des Schreckens.

Our Time - Eine Harry Potter/ Tom Riddle Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt