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Die Schlange richtete sich vor mir auf, drohte mir mit ihrem Kragen und schlug mit dem Schwanz auf. Ich stand auf und ließ sie nicht aus den Augen. Auch als Riddle gehässig lachte und mir gönnerhaft anbot, mir zu helfen.
Ich hatte es lange nicht getan. Ich könnte die Schlange einfach wegzaubern, aber ich wollte vor Voldemort keine Schwäche zeigen.
Konzentriert schaute ich der Schlange in die Augen.

"Weiche zurück. Beruhige dich. Niemand will dir böses. Ich bin nicht daran interessiert, dir Leid anzutun. Weiche zurück", sagte ich zur ihr und stellte erleichtert fest, dass ich noch immer ihre Sprache konnte. Riddle sog überrascht die Luft ein und die Kobra zog sich zurück und blieb ruhig und zusammengerollt liegen. Ich warf Riddle einen kalten Blick zu, zog meinen Zauberstab hervor und sagte:" Vipera Evanesca." Die Schlange verschwand. Ich trat an Riddle vorbei und ignorierte den Schock, der ihm ins Gesicht geschrieben stand . "Halt dich von mir fern, Riddle. Sonst wird es dir leidtun."

Beim Essen am nächsten Morgen war ich eine der ersten Schüler. Wieder wäre ich beinahe zu den Gryffindors gegangen, konnte mich aber rechtzeitig zurück erinnern, dass ich gerade keine von ihnen war. Ob ich mich wohl jemals daran gewöhnen würde?
Noch ein wenig müde blätterte ich in meinem Kräuterkundebuch und gähnte. Mir saß das Aufeinandertreffen mit Voldemort noch immer in den Knochen. Ich hätte gleich darauf kommen müssen, dass der Junge mit dem ich mich angelegt hatte, Riddle war. Aber anscheinend hatte ich ein Brett vor dem Kopf gehabt. Ich meine, was hatte ich erwartet? Einen jungen Voldemort mit Glatze, ohne Nase und fahler Haut anzutreffen?
Ich hätte mir denken können, dass er unnatürlich attraktiv gewesen war. Er musste etwas an sich haben, dass hunderte von Menschen in seinen Bann ziehen konnte. Und dieses etwas hatte ich gestern hautnah zu spüren bekommen, war regelrecht darauf reingefallen.

"Liest du den Tagespropheten?", fragte mich jemand und ich schaute auf. Riddle hatte sich neben mich gesetzt und hielt mir die Zeitung hin. Ich lachte trocken auf und schüttelte mit dem Kopf.

"Ich dachte, wir hätten geklärt, dass du dich von mir fernhalten solltest", sagte ich bloß kühl und widmete mich wieder meinem Buch. Riddle lachte und stupste mich mit der Zeitung an.

"Ich bin schlecht darin, auf andere zu hören und irgendetwas an dir, fasziniert mich", meinte er mit einer sanften und beinahe einlullenden Stimme. Ich blätterte um und verdrehte die Augen. Charmant konnte er also auch.

"Dann stell dich hinten an. Ich habe eine lange Reihe von Verehrern", meinte ich beiläufig und erwartete, dass Riddle ging, doch das tat er nicht.

"Irgendetwas sagt mir, dass ich das ändern werde", erwiderte er und schaute nun doch auf. Seine grünen Augen blitzten gefährlich und die vollen Lippen waren zu einem schiefen Lächeln verzogen. Ich öffnete den Mund und schloss ihn daraufhin gleich wieder.

"Gib mir schon die Zeitung und halt endlich deinen Mund", gab ich schließlich klein bei und entriss ihm den Tagespropheten. Wieder lachte er und ich konnte nicht anders als ebenfalls zu lächeln.
Nein. Das hier war Voldemort. Der Voldemort, der tausende Zauberer und Muggel auf dem Gewissen hatte. Der Voldemort, der es auf einen 12-jährigen Harry Potter abgesehen hatte. Ich durfte seine Gesellschaft nicht angenehm finden. Das durfte ich nicht.
Ich schaute auf das Titelblatt der Zeitung und hielt kurz den Atem an.

Nazi-Deutschland rückt weiter nach Osten vor, Zaubereiministerium untersagt Hilfe
Trotz Minister Leonard Spencer-Moons Bedenken stimmten die zuständigen Minister gegen den Ersuch den Muggelminister Churchill zu unterstützen. Zu groß sei bereits die Bedrohung die durch Grindelwalds Schreckensherrschaft herrsche.

Fasziniert las ich den Artikel zu Ende und fuhr mit dem Finger über ein bewegtes Bild von Spencer-Moon, der Winston Churchill die Hand reichte.
"Das ist unglaublich", flüsterte ich. Und das war es. War ich doch in einer Zeit groß geworden, in der Voldemort unser aller Leben bestimmte, so fürchteten die Menschen hier Grindelwald so sehr, dass sie dem Dritten Reich nicht entgegentreten wollten. Es war unglaublich ein solches Dokument aus jener Zeit in den Händen zu halten.

"Unglaublich, in der Tat. Was glauben die Muggel eigentlich wer sie sind? Treten einfach so an uns heran um ihre Problemchen zu lösen", sagte Riddle und seine Stimme triefte vor Missbilligung. Ich schaute ihn entsetzt an und er schien meinen Blick richtig verstanden zu haben, denn sein Lächeln verschwand.

"Weißt du denn nicht, wie viele Unschuldige in diesem Krieg umgekommen sind? Wie lange es gedauert hat, das NS-Regime in Deutschland zu stürzen?", begann ich mit meiner Tirade, doch Riddle unterbrach mich.

"Umgekommen sind? Gedauert hat? Du sprichst von diesem Krieg als sei er schon beendet. Jetzt sag mir nicht, dass du Wahrsagen belegt hast", spottete er und mir gefror das Blut in den Adern. Verdammt. Ich musste aufpassen, ich hatte mich beinahe verraten. Der Krieg war noch immer in vollem Gange, 3 Jahre würde er noch gehen. Drei Jahre, würde Hitler noch morden, bis die Wehrmacht kapitulieren musste. Ich musste aufpassen.

"Natürlich nicht. Wahrsagen ist wirklich nichts für mich. Aber ein bisschen gesunder Menschenverstand sagt mir, dass dieser Krieg noch Jahre überdauern wird und noch mehr Opfer kosten wird, als bisher", erklärte ich mich und Riddle musterte mich prüfend. Ihm schien zu gefallen, was er sah, denn er grinste erneut und tippte mit dem Finger auf das Foto.

"Die Muggel haben das gleiche Problem wie wir", sagte er und ich blätterte eine Seite um. Ich musste vorsichtig sein, was meine Ansichten anging. Es war klar, dass ich mit ihnen im Riddles Gegenwart alleine dastehen würde. Wenn ich mich zu sehr von den anderen unterschied, würde man mir nicht vertrauen. Und Vertrauen brauchte ich um meine Mission zu erfüllen.

"Ist das so?", antwortete ich trocken und gab vor einen Artikel über Gartengnome zu lesen. Er nahm mir die Zeitung weg. "Hey! Ich lese das gerade", empörte ich mich und schaute ihn wütend an. Riddle rollte mit den Augen.

"Gnome? Sehr interessant", brummte er und schlug einem Slytherin mit der Zeitung auf die Hände, als dieser sich auf einen Platz an meiner anderen Seite setzen wollte. "Such dir einen anderen Platz, Lestrange."

Our Time - Eine Harry Potter/ Tom Riddle Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt