„Also schön. Wo gehen wir morgen essen, wohin darf ich sie ausführen? Essen sie gern japanisch?"
„Nein, bloß das nicht. Am liebsten-„
„Italienisch. Richtig?"
„Sind sie Hellseher?"
„Ganz und gar nicht. Ich hole sie morgen um acht Uhr ab und führe sie ins Gattopardo."
„Klingt fantastisch."
„Hübschen sie sich ein wenig auf."
„Was soll denn das heißen? Bin ich so hässlich?"
„Im Gegenteil, aber es gibt immer noch Luft nach oben."
„Sie haben gut reden, der sie mich an einem absoluten Tiefpunkt kennengelernt haben."
Frosch lachte.
„Also ich hole sie morgen ab."
„Ist gut."
Beide legten auf. Tina fühlte sich ein wenig paranoid. Irgendwie hegte sieden Verdacht, dass Frosch mehr über sie wusste als sie selbst über sich wusste. Konnte Blödsinn sein, konnte auch kein Blödsinn sein.
Tina stieg auf ihr Rad und fuhr davon.
Der Wind schnitzte an ihrer Haut herum, und in ihrem Kopf tönte die Filmmusik von „Dracula". Die kühle Luft stach ihr im Hals, und sie sehnte sich nach einem Glas Wein, nach der wohligen Wärme ihres Sofas und ihres Bettes. Sie würde morgen mit Dr. Frosch essen gehen. Was für einen Wagen er wohl fuhr. Was würde er anziehen, einen Anzug? Rauchte er? Was aß er am liebsten? Pasta? Tortellini mit Fleischfüllung? Fleischfüllung.
Tina sah ihn nicht, den Passanten, der in der kleinen Seitenstraße, zwei Blocks von ihrer Wohnung entfernt, voll in sie reinlief. Das Rad prallte an der Hüfte des Mannes ab und machte einen Satz in die Höhe. Tina wurde mit dem Ruck kurz nach oben geschleudert, landete mit dem Hintern aber wieder auf dem Sattel. Der Mann hatte weniger Glück. Irgendwie hatten seine Weichteile Schaden genommen, weil er nun im Schmerz ächzend sich zusammen krümmte, mit beiden Händen vor seinen Lenden. Tina rief eine Entschuldigung aus, obwohl der Mann selbst Schuld gehabt hatte, so unbedarft den Fahrradweg zu überqueren. Tina stieg vom Rad und fragte sich, ob es notwendig war, einen Rettungswagen zu rufen. Sie fragte den Mann, ob alles in Ordnung war. Er antwortete etwas wie "Sehe ich etwa so aus'' oder ähnliches. Er fluchte und blieb gekrümmt. Vor Tinas Augen tat sich ein Gitter aus pechschwarzen Streben auf, und die Kälte, auch ohne Fahrwind, klopfte wie kleine Hämmer auf sie ein. Sie brauchte Wärme.

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Nyxie Zombie
Short StoryEine durch das Leben irrlichternde Alkoholikerin, die mit ihrem Entzug hadert und rückfällig wird, trifft auf einen seltsamen Arzt, der ihr eine experimentelle Droge verabreicht, die sie in etwas Anderes verwandelt.