Für einen kurzen Moment wurde es pechschwarz in Tinas Geist. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie gerade eben an die dunklen Wochen mit Arne gedacht hatte. Diese Wochen hatten eine bleibende Wirkung auf ihrer Erfahrungspalette hinterlassen. Wie ein LSD-Trip, der noch nach Jahren wieder aus der Versenkung auftauchen konnte. Doch diesmal zeigte sich das Gefühl intensiver und aufdringlicher als zuvor, was in ihr den Verdacht aufkeimen ließ, sich irgendeinen Infekt eingefangen zu haben.
Sie begann zu frieren, obwohl es für Ende September erstaunliche 24 Gradwaren. Ein Schütteln erfasste sie, in seiner Art eine Mischung aus Abscheu, Melancholie und stechender sexueller Erregung, über die sie sich sehr ärgerte. Diese Gauloises brannten immer viel zu schnellherunter. Eine neue musste dran glauben. Luca, so erinnerte sie sich, war ein eifriger Schnorrer, mochte aber die billigen Zigarillos nicht. Sollte Tina ihm die Existenz der Gauloises verschweigen? Nein, das war bei weitem zu kindisch.
Luca kam pünktlich. Er sah klasse aus mit seinen 26 Jahren, so schlank, so gesund und frei von Tragödien. Tina umarmte ihn und bot ihm gleich eine Zigarette an, die er aber stolz ablehnte. Nein, rauchen wollte er nicht mehr. Das letzte Casting war ganz gut verlaufen, und wenn er genommen wurde, durfte er im nächsten Münsteraner Tatort einen Kellner spielen. Seine Freundin war für eine Nebenrolle als Nutte abgeblitzt. Luca war unterwegs ein Einfallgekommen, den er unerhört lustig fand. Inspiriert von einem Leiter des Castingbüros wollte er die Floskel „Ich kann darüber nicht lachen" in Zukunft öfter anwenden.
Besonders in einer Situation unter Fremden, in der jemand eine lustige Geschichte erzählt, die so wertfrei und erheiternd ist, dass alle darüber lachen. In diesem Fall wollte Luca, sowie das Gelächter verebbte, sagen: „Ich kann darüber nicht lachen" und so Verwirrung auslösen. Dabei wollte er übertrieben ernst und beinah finster dreinschauen, damit sich die Leute fragten, welch unangenehme Assoziation er mit der launigen Erzählung verbinden mochte. Das amüsierte ihn, und Tina tat so, als gefiele ihr die Idee, riet ihm aber davon ab, sie bei einem Casting umzusetzen. Luca wirkte beleidigt und beteuerte, schließlich nicht blöd oder gar unprofessionell zu sein. Tina beruhigte ihn und schlug ihm vor, ins Kino zu gehen, aber Luca wollte nicht. Wie beiläufig und natürlich betont kühlfragte sie nach Tedescos Befinden. Luca sagte, er habe schon seiteiner Woche nichts mehr von seinem Bruder gehört und hegte den Verdacht, dass er inmitten seines ständigen Referierens über antike Götter und Heroen langsam den Verstand verlor.
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Nyxie Zombie
Short StoryEine durch das Leben irrlichternde Alkoholikerin, die mit ihrem Entzug hadert und rückfällig wird, trifft auf einen seltsamen Arzt, der ihr eine experimentelle Droge verabreicht, die sie in etwas Anderes verwandelt.