„Du weißt, was du zu tun hast?" Li-Wen schnappt sich die schlichte Handtasche und steckt die Wohnungsschlüssel hinein. Sie blickt prüfend zu den sauberen Stiefeletten, dann zu der Hose. Farblich harmonisch, keine ungewollten Auffälligkeiten.
„Tak. Sollen machen nichts", antwortet Jakub und murrt leise. „Einfach liegen und nicht bewegen." Er schiebt eine Hand in die Hosentasche und heftet den aufmerksamen Blick an Li-Wen, die derweil nach den Autoschlüsseln sucht. „Was genau, du suchen? Vielleicht, ich können helfen." Jakub macht Anstalten, sich zu ihr zu begeben, hält wiederum inne, als er das warnende Aufflackern registriert hat. „Es wohl nicht seien anstrengend. Also? Ich werden mir brechen nichts – die paar Rippen, die mich können nicht beeinträchtigen stark. Schmerzen seien nicht schlimm."
„Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie gebrochen sind", erinnert sie ihn und seufzt scharf, nachdem sie sie immer noch nicht entdeckt hat. „Verdammter Mist. Wo habe ich die denn hingelegt? Die können doch nicht weg sein." Li-Wen starrt die Anrichte an, anschließend schwenkt der Blick zu den Haken mit den schier dicken Bündeln an Schlüsseln. „Ich bin mir sicher gewesen, dass die gestern dort gehangen haben. Tja, nun sind sie weg." Hinter sich spürt sie einen sanften Windzug. Sie sieht halb über die linke Schulter hinweg. „Ich such' meine Autoschlüssel. Ich hab' keine Ahnung, wo ich die gestern hingelegt habe."
„Heilen schneller, als du denken", meint er beschwichtigend und ergreift ihre Hand. Li-Wen zieht die Augenbrauen etwas hoch und strebt keinen Widerstand an. „Du wissen, dass ich kennen schlimmere Schmerzen. Rippen seien harmlos für mich. Machen mich immer noch zu gefährlicher Gegner." Etwas Kaltes verursacht ein kurzes Zusammenzucken. „Ich können sie nachher suchen. Solange, du können fahren mit meinem Wagen." In dem Auge glitzert eine Ruhe, als Li-Wen sich überrumpelt zu ihm gedreht hat. „Was? Ich meinen es ernst. Du können ruhig fahren mit Wagen. Ich haben nichts dagegen. Ich vertrauen dir, du können gut fahren. Da, ich seien mir sehr sicher."
Li-Wen benötigt einige Augenblicke, um diese spontane Entscheidung des Polen zu verdauen. Das hat sie sich gewiss nicht eingebildet, er hat ihr tatsächlich das Angebot gemacht, mit einem eleganten und teuren Sportwagen zu fahren, der unter normalen Umständen nicht mehr für den alltäglichen Straßenverkehr zulässig ist. Sie darf mit diesem Porsche fahren, in welchem Jakub viel Schweiß und Tränen und vor allem Geld investiert hat. Li-Wen sieht den Schlüssel an. Einfach, schwarz, mit dem schwach glänzenden Logo des Herstellers.
„Bist ... bist du dir dabei auch ganz sicher?", hakt sie langsam nach und schluckt hörbar. Die angestaute Luft dringt wie ein kurzer Schwall nach draußen. „Ich meine, dieser Wagen ist vermutlich dein wertvollster Besitz, und er ist verdammt teuer. Dann wäre da noch ..." Sie klappt den Mund zu, als Jakub für einen Moment lacht. „Hey, das ist nicht lustig. Ich habe noch nie die Gelegenheit gehabt, so'n Ding zu fahren." Der Schlüssel fühlt sich wie ein glühendes Stück Kohle an, das innerhalb weniger Sekunden die Haut schmerzhaft versengt. Li-Wen lockert automatisch den Griff.
„Seien ich nicht sicher, ich nicht haben gegeben dir Schlüssel", erwidert er und stellt das Gelächter ein. Eine amüsierte Note schwingt in der tiefen Stimme mit. Verglichen mit Kaden, mag sie nicht allzu tief sein, vielleicht eine Nuance höher. „Wirklich, Li. Ich meinen ernst; du können ruhig fahren mit mein Auto. Du sollen auch erleben wahnsinniges Gefühl." Jakub tritt einen Schritt nach hinten. Ein merkwürdiges Gefühl bleibt in der jungen Frau zurück. Es ist mit einer linden Behaglichkeit gleichzusetzen. „Machen dir keine Sorgen um Behörden. Die kennen Auto, aber sie nicht werden dich anhalten. Können mir glauben, denn ich seien gewesen oft in Viertel, wo seien viel mit Staatsbeamten." Er ist in seine schwarzen Schuhe geschlüpft, die weißen Schnürsenkel hat er achtlos hineingestopft.
„Ich weiß ja nicht." Die Zweifel überwiegen die Aufregung, die kraftvoll versucht, sich gegen sie zu stemmen. „Ich würde dir glauben, wirklich, aber ich bin mir verdammt unsicher. Außerdem ... Wie sieht das denn aus, wenn ich plötzlich mit deinem Wagen auf den Parkplatz vor einer Behörde fahre, die hinter dir her ist? Im Endeffekt werde ich selbst dran sein, weil sie mir unterstellen werden, dass ich mit mir arbeite. Okay, ich tu's, dennoch ... Es geht um das Prinzip." Li-Wen mustert die Stiefeletten. Getrockneter Schlamm bildet eine dünne Kruste.
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Ein Atemzug entfernt I
Action"Menschenleben werden dem Geld untergeordnet." Li-Wen Chen, eine Frau, die sich dem deutschen Staat verpflichtet hat, wird auserwählt, um den angehenden Drogenhändler Kaden Larkin aus dem Verkehr zu ziehen. Der Hass steigt an, als sie in einer U-Ba...