III

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Sie liegt wach. Auf dem Rücken, der Blick stur zu der Decke gerichtet. Es ist ein neuer Tag angebrochen – vor ungefähr fünfzehn Minuten ist Mitternacht gewesen. Die dunkle Stunde. Dunkel wie der Tag, der nun beginnen soll. Li-Wen dreht sich auf die Seite, ehe sie sich aufrichtet und sich aus dem Bett schiebt. Die Füße tragen sie zu der angelehnten Tür, sie tritt in den Flur. Finsternis umgibt sie, will die junge Frau am liebsten verschlingen. Ihr die Orientierung rauben. Li-Wen kann sich dem Versuch beugen und sich den Klauen entziehen. Sie schaudert etwas – anscheinend hat sie in der Küche vergessen, das Fenster zu schließen. Die kalte Nachtluft gleitet lautlos durch den Spalt und tänzelt durch die Küche, um späterhin durch die gesamte Wohnung zu ziehen und die steifen Finger über jeden Gegenstand wandern zu lassen.

Es überrascht sie minder, dass sie Jakub in einem schlaflosen Zustand vorfindet. Sie hat das Wohnzimmer aufgesucht – eigentlich ist ihr kurzweilig der Gedanke gekommen, den Weg der Nachtluft abzubrechen. Der Gedanke ist wie ein aufgeregter Schmetterling davongeflogen. Li-Wen lächelt etwas, mustert ihn wortlos. Ein kleiner Lichtkegel umgibt ihn, drängt die Dunkelheit ein gutes Stück von sich. Jakub hat sich einige Kissen hinter den Rücken geklemmt, lehnt sich an es. Die Nase hat sich förmlich in das Handy gebohrt, das er vor sein Gesicht hält. Die Finger wischen manchmal über die Oberfläche.

„Lass' mich raten. Du kannst wohl auch nicht schlafen?" Sie geht zu ihm, wohl darauf bedacht, sich den Fuß nicht am Tisch anzustoßen. „Was machst du da, wenn ich fragen darf?" Jakub hat das Handy sinken lassen, schaut sie an. Die Überraschung steht ihm kurzweilig ins Gesicht geschrieben, jedoch erlischt der Funke.

„Um dieser Zeit, ich seien wach für gewöhnlich", antwortet er entspannt und richtet sich mehr auf. Der Pole rutscht beiseite, mehr zu der Rückenlehne und deutet neben sich. „Entweder, ich seien draußen, machen unsicher Berlin. Vielleicht reden mit Jason. Ich haben es gesagt vorhin." Li-Wen nimmt neben ihm Platz. Gerade noch ausreichend für sie. Gleichdarauf spürt sie die vertraute Wärme seines Körpers. Das Lächeln ebbt nicht ab, sie schmiegt sich nahe an ihn. Doch immer noch im Hinterkopf habend, dass seine Rippen nicht belastet werden dürfen. „Es seien ziemlich ungewohnt, wenn ich seien ehrlich. Einfach machen nichts, und es seien so ruhig ..." Jakub hat das Handy ergriffen, verfolgt das Geschehen. „Ach, das. Das seien nur Spiel, das ich haben seit einigen Monaten. Seien so ähnlich wie Candy Crush." Bunte Bausteine, farbfrohe Blumentöpfe, Hasen aus grauem Ton. Jakub tippt eine Reihe an. Die monochromen Würfel fassen sich zu einer kleinen Rakete zusammen. „Seit einigen Tagen, ich kommen nicht weiter. Level fucken mich zu sehr ab." So schnell, wie er das Spiel aufgegriffen hat, beendet er es. „Warum, du seien wach? Du können nicht schlafen? Aufgeregt wegen Arbeit?"

„Das kann ich gut nachvollziehen. Ich hab's selbst mitbekommen. Bei euch scheint die Nacht der Tag zu sein, den ihr zum Teil völlig verschlaft." Sie schiebt Jakubs Smartphone näher zu sich und lässt den Bildschirm aufleuchten. „Ich weiß noch bei dieser spontanen Feier; bis kurz vor fünf. Morgens. Wenn das jeden Tag so ist ... Kein Wunder, dass dein Schlafrhythmus am Arsch ist." Das Gerät wird entsperrt, und Jakub verfolgt den Weg ihrer Neugier. Mehrwiegend Anwendungen der sozialen Netzwerke, die sie selbst installiert hat. Vier Spiele, zwei von ihnen sagen ihr etwas. Ansonsten ist die Oberfläche übersichtlich. „Nein, das nicht." Li-Wen wird zunehmend geistesabwesend. Die Schaltfläche öffnet Instagram. Die Neugier ist ein ziemlich hartnäckiger Begleiter, wie es Li-Wen aufgefallen ist. „Es ist nur ... Es ist wegen Thilo, wegen Kaden. Die Dinge eben." Ein flüchtiger Schatten wirft sich auf ihre Seele und verfinstert sie ein wenig. Sie bekommt es in Form einer spürbaren Last zu erfahren. „Einer meiner engsten Freunde ist nun tot, ich habe verdammt Angst, dass Kaden Fabian oder seiner Familie etwas antun wird." Um nicht in den beklemmenden Emotionen unterzugehen, nicht den Halt zu verlieren, um den Blick vom gähnenden Abgrund zu reißen, beginnt Li-Wen, die Angaben von Jakubs Konto zu studieren. „Er kennt die Namen seiner Kinder und weiß, wie sie aussehen. Verdammt, er hat sie bei ihrer Schule abgefangen. Ist das nicht krank?"

Ein Atemzug entfernt IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt