II

31 3 0
                                    

„Hier, bitte." Li-Wen überreicht ihm den Plastikbecher mit Kaffee, der in der Zwischenzeit abgekühlt ist. „Ich hab' denen gesagt, dass sie keine Milch einschütten sollen." Sie nehmen beide auf einer von winzigen Krümeln bedeckten Bank Platz, welche einen genügsamen Überblick des Lokals ermöglicht, wenngleich viele Besucher und Tische die Umgebung wiegen. „Wie geht es dir?"

„Danke dir." Fabian nimmt das Getränk an sich und setzt den Becher an die Lippen, ohne einen Schluck zu nehmen. „Wie soll es mir schon gehen? Der Schock ist halbwegs gut verarbeitet, ich habe es geschafft, früher als erlaubt zu gehen, und jetzt habe ich das großartige Glück, um kurz vor zehn 'nen schwarzen Kaffee inmitten eines Fast-Food-Restaurants zu trinken. Wunderbar. Also ja, alles bestens."

Li-Wen runzelt die Stirn und schnipst einige verhärtete Überreste einer Speise von dem Tisch. Sie beugt sich ein wenig nach hinten und überschlägt die Beine. Ohne ein Wort zu verlieren, sieht sie Fabian zu, wie er einen Schluck des Kaffees nimmt. Li-Wen will es nicht leugnen; Fabians Gemütszustand ist aus dem Gleichgewicht geraten. Man kann es unschwer übersehen.

„Ich glaube, ich hätte dir etwas anderes statt den Kaffee spendieren sollen", murmelt sie und holt das Handy hervor. Eine Familie mit drei Kindern geht an ihrem Tisch vorbei – das älteste Kind, es mag das zwölfte Lebensjahr kürzlich erreicht haben, wirft Fabian und Li-Wen einen forschen Blick zu. Ihr kleiner Bruder wedelt entzückt mit einem Plüschtier umher.

„Warum? Es ist doch alles in bester Ordnung", steuert Fabian den Widerspruch bei und dreht den Becher in der Hand umher. „Ich hab's dir am Tatort gesagt; ich verarbeite solche Sachen schneller als vorher. Ich dreh' nicht mehr ganz durch." Er schaut sich um und verfolgt den regen Betrieb vorne bei der Ausgabe und Kasse. Die Küchengeräte piepen gelegentlich laut, Dampf dünstet die Luft, Bratfett und die Fritteuse verstreuen ihren appetitanregenden Geruch. „Ich bin am Überlegen, ob ich mir 'was zu essen holen soll. Ich hab' seit fünf Stunden nichts mehr im Magen gehabt."

„Also, wenn du gehst, dann kannst du mir auch gleich einen kleinen Milchshake mitbringen." Li-Wen grinst ihn verschmitzt an, als Fabian gespielt genervt geschnaubt hat. „Es bringt nichts, wenn wir beide gehen. Doppelt hält zwar besser, dennoch genügt es, wenn du allein gehst."

„Du kannst froh sein, dass du mir sehr ans Herz gewachsen bist." Fabian stemmt sich auf und schiebt sich aus der Reihe. „Was willst du für einen? Schokolade?" Er tastet die Hosentasche ab, greift danach nach seiner Jacke, welche als schwarzer Knäuel auf der hellgrünen Sitzmöglichkeit liegt. „Ohne Geld kann ich schlecht gehen."

„Ich schätze es durchaus", meint Li-Wen und bekräftigt die Aussage mit einem Lächeln. Sie sieht von dem Handy auf. „Bitte keine Schokolade. Ich hasse die. Erdbeere, wenn du so unfreundlich wärst." Fabian wirft die Jacke zurück auf die Bank. „Ich würde vorschlagen, dass du dein Handy mitnimmst. Sieht nämlich sehr ... voll aus." Sie sieht an Fabians schlanker Gestalt vorbei und betrachtet die Schlangen vor den Kassen. „Zehn Minuten mindestens."

„Wirklich?" Fabian sieht ebenfalls zu der Ausgabe. „Nee, das mache ich nicht mit. Weißt du was? Ich mach's anders. Ich habe darauf überhaupt keine Lust." Ehe Li-Wen nachfragen kann, hat Fabian sich aus dem Staub gemacht. Schwache Falten bahnen sich einen Weg über ihre Stirn, während sie ihrem Kollegen nachsieht, der einer dieser Selbstbedienungsautomaten ansteuert.

Das ist vielleicht ein Fuchs, denkt sie und widmet sich wieder dem Handy, das nach wie vor in ihrer rechten Hand ruht. Ich hoffe dennoch, dass der Vorfall ihn nicht allzu stark prägen wird. Ich werde ein genaues Auge auf ihn haben. Sie ringt mit der Überlegung, Jakub eine Nachricht zukommen zu lassen. Nur, um das eigene Gewissen zu beruhigen, dass er nicht den letzten Atemzug wegen der waghalsigen und selbstlosen Aktion im Innenministerium betätigt hat. Kaden wird ihn übel zugerichtet haben, da ist Li-Wen sich sehr sicher. Der Daumen harrt über dem Display; Li-Wen rührt ihn nicht. Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich es unterlassen – Jakub hat für heute genug Probleme, mit denen er sich herumschlagen muss. Sie schaltet das Gerät an und sucht nach der eingespeicherten Nummer. Und wer weiß, ob Kaden ihm das Handy abgenommen hat. Würde ich ihm die vertraulichen Informationen schicken, könnte er an diese gelangen, dann wäre Jakub garantiert erledigt.

Ein Atemzug entfernt IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt