Kapitel 2 x

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Scott McCall PoV
Es war seltsam, dass meine Mom mir mitten im Unterricht eine SMS schickte. Ich wollte eigentlich lesen was sie geschrieben hatte, doch ich traute mich nicht. Nicht bei diesem Lehrer. Er hatte seine Augen und Ohren überall. Ich hatte sogar schon den Verdacht, dass er ein Werwolf sein könnte. Allerdings roch er nicht wie einer. Er roch nach einem widerlichen Parfüm. Entschuldigung: Er stank nach diesem ekligen Zeug. Als ich das erste Mal in sein Klassenzimmer kam, dachte ich er wollte uns vergasen.

Ich beantwortete die SMS erst in der Pause. Mom hatte mich gefragt, ob ich einverstanden wäre, wenn mein Cousin Percy eine Zeit lang bei uns wohnen würde und mit mir zur Schule ginge. Ich hatte da echt nichts gegen. Ich musste nur aufpassen, ihn nicht in die ganze Übernatürlichkeit hier in Beacon Hills zu führen. Ich schrieb Mom ein simples 'Ja' und die Frage, wann er denn kommen werde. Ich war ein wenig schockiert, als ich die Antwort sah: Schon morgen!

Nach der Schule ging ich zu Dereks Loft. Wir hatten beschlossen das zu einer Art Treffpunkt zu machen. Dort hatten wir viel Platz und es war nicht weit weg. Nur die ganzen Treppenstufen waren mühsam. Besonders für Stiles, Lydia und Mason. Die hatten ja keine übernatürliche Ausdauer wie der Rest von uns. Und doch waren sie schon vor mir da. 

Die grosse Schiebetür stand offen und drin war einiges los. Auf der Couch sassen Corey und Mason dicht aneinander und spielten Schach gegen Liam, der den beiden gegenübersass und sie wegen irgendwas zusammenschrie. Stiles stand nebendran und schrie sie sollten ihre Klappe halten. Keine effektive Art jemanden zum Schweigen zu bringen. Derek und Malia sassen auf der rostigen Wendeltreppe und diskutierten über irgendwas. Peter hatte sich an einen Betonpfeiler gelehnt und die Arme verschränkt. Er sah mit einem unverkennbaren Todesblick zu Liam, Corey, Mason und Stiles. Offenbar wollte er sie mit Blicken zur Ruhe bringen. Oder töten, bei ihm weiss man das nicht so genau. Trotzdem schien es eine genauso hoffnungslose Technik zu sein, wie die von Stiles. 

Lydia sass hinter Stiles auf der Couch und sah zu ihm hoch, als hätte er ihr gerade gründlich die Suppe versalzen. Immerhin tat sie nichts, was das Chaos noch schlimmer machte. Ich ging mitten in den Raum und räusperte mich. Es zeigte keine Wirkung. Ich beschloss kurzerhand, wieder einmal zu zeigen, wer der Alpha war. Ein ohrenbetäubendes Heulen erfüllte den Raum. Jeder stand still, machte kein Geräusch. Bis Derek das Schweigen brach: "Ich will, dass diese Treffen in Zukunft irgendwo anders stattfinden! Es ist mir egal wo, aber nicht hier!" Ich fand, dass es gerade ein guter Moment war, um anzumerken, dass ich bald Besuch bekam: "Leute, ich will's nur kurz anmerken. Ab morgen wird mein Cousin Percy bei mir zu Besuch sein. Ich will ihn nicht in unser ganzes Zeug verwickeln, also seid bitte so gut und verschweigt ihm das alles." "Warum hast du nie gesagt, dass du einen Cousin hast?", wollte Stiles wissen. "Nun, ich glaube, ich hatte in letzter Zeit genug andere Dinge um die Ohren und definitiv keine Zeit, an einen Cousin zu denken, den ich nicht gesehen habe seit ich neun bin." "Ja, da muss ich dir wohl recht geben."

Der nächste Morgen war ein typischer Morgen, an dem ich gerne meinen Wecker zerschmettern würde. Warum? Ich glaube das kann sich jeder denken. Ich bin nicht ein Morgenmensch. Und ich hatte in letzter Zeit genug Zeug getan. In der Nacht. Dann, wenn ich eigentlich schlafen sollte.

Die Schule war langweilig, wie immer. Die Lehrer quälten uns Schüler mit nahezu unlösbaren Aufgaben, Bergen von Hausaufgaben und je nachdem auch Nachsitzen. Zum Glück nicht für mich und Stiles, einerseits wäre das eine ziemliche Scheisse gewesen, andererseits mussten wir zum Lacrosse. Es war eins der letzten Trainings vor dem ersten Spiel der Saison, das in weniger als einer Woche stattfand. Wieder einmal gegen die Devenford Prep. Ich wusste seit neulich, dass deren Captain, Brett Talbot, auch ein Werwolf ist. Er war Mitglied des Rudels von Satomi Ito.

Nach dem Training kam ich, sogar für meine Werwolf-Verhältnisse recht ausgepowert, nach Hause und stieg als erstes in die Dusche. Danach ging ich auf mein Zimmer, um mit den Hausaufgaben zu beginnen.
Eine Viertelstunde später klingelte es an der Tür. Ich rannte die Treppe nach unten und öffnete die Tür. Draussen stand ein schlanker junger Mann mit chaotischen schwarzen Haaren, der mich mit seinen meergrünen Augen genaustens begutachtete. Er war längst nicht mehr der schmächtige, kleine Junge, mit dem ich früher gespielt hatte. Er sah durchtrainiert aus, als würde er täglich Sport treiben.

Ich bat ihn herein. Er drehte sich um und pfiff einmal laut. Wie ein geölter Blitz schoss ein schwarzer Labrador auf Percy zu und kam neben ihm zu stehen. Percy stellte sich und den Hund vor: "Hi, ich bin Percy und das ist Mrs. O'Leary." Ich war ein wenig besorgt, weil ich nicht wusste, wie sich Hunde in meiner Nähe verhielten. Ich sah zu Mrs. O'Leary herunter. Sie schien zu wissen, dass ich hier der Alpha bin, aber sie schien keineswegs zu kümmern. Vermutlich war ich ihr nicht ganz geheuer, denn als ich sie streicheln wollte, legte sie die Ohren an und knurrte. Ich sah ihr in die Augen und liess meine dabei kurz aufleuchten. Sie hörte auf zu knurren und liess sich streicheln. Ich hoffte nur, dass Percy meine roten Augen nicht gesehen hatte. Ich bat ihn erneut herein, diesmal kam er auch. Er hatte erstaunlich wenig Gepäck dabei. Nur einen Rucksack, der nicht mal besonders vollgestopft zu sein schien. Ich kannte Leute, die hätten mehrere prall gefüllte Koffer dabeigehabt.

Ich führte ihn die Treppe hoch, zu unserem Gästezimmer und sagte ihm, er solle runter in die Küche kommen, wenn er seine Sachen ausgepackt hat. Das dauerte nicht lang. Als ich unten an der Treppe ankam, hörte ich in oben durch den Flur gehen. Meine Mom war schon dabei Abendessen zu machen, also deckte ich den Tisch. Ich dachte gerade an den nächsten Vollmond in zwei Tagen, als Percy kam und mir beim Tischdecken half. Mrs. O'Leary sprang glücklich umher. Mann, wie gerne hätte ich so viel Energie wie dieser Hund. Es war erstaunlich, sie flitzte die ganze Zeit hin und her und schien trotzdem kein bisschen müde zu werden.

Wir waren gerade fertig geworden mit dem Tisch, als meine Mom mit einer dampfenden Pfanne reinkam. Es roch lecker nach Spaghetti Bolognese. Wir setzten uns hin und begannen zu essen. Naja, meine Mom begann eher mit Fragen an Percy: "Was hast du in den letzten Jahren so gemacht?" "Es war sehr viel los in New York. Ich war mit ein paar Freunden in Europa am Mittelmeer. Und vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich einen ziemlich schlimmen Unfall. Ich lag danach acht Monate im Koma. Und seit ich zwölf wurde, ging ich jeden Sommer in ein Camp. Eigentlich lebe ich mehr oder weniger dort auf dem Campgelände. Zur Schule gehe ich nicht mehr seit dem Koma. Bisher wurde ich eh von jeder Schule geschmissen. Ihr müsst wissen ich habe ADHS und Legasthenie plus noch die ausserordentliche Fähigkeit Lehrpersonen bis in den Wahnsinn zu nerven." Er nahm sich wieder eine Gabel voll Spaghetti. "Warum noch mal bist du hergekommen? So wie ich das verstanden habe, hast du in New York viele Freunde." "Der Hauptgrund war, dass mir das alles ein wenig zu viel wurde. Kaum nachdem wir aus Europa zurückkamen, hatte ich Probleme mit meiner Grossmutter väterlicherseits und wegen ihr kam einer meiner besten Freunde ums Leben." Percy starrte mit traurigem Blick in die Luft. Ich hatte das Gefühl, dass noch viel mehr passiert war.

Percy Jackson PoV
Scott war ein netter Kerl. Auch wenn sich Mrs. O'Leary komisch benahm, wenn er in der Nähe war. Als ich da so am Tisch sass und erzählte, erinnerte ich mich. An alles. Besonders aber an den Tartarus. Wie Annabeth und ich den Empusen gefolgt waren. Den Kampf gegen die Arai. Das Aufeinandertreffen mit Achlys. Und alles andere, was uns noch so passiert war. Fast so schlimm wie der Tartarus, haftete Leo in meinem Gedächtnis. Ich fühlte mich schuldig, obwohl ich genau wusste, dass mich keine Schuld traf. Leo hatte es so und nicht anders gewollt.

Scott sah mir in die Augen. Vor meinen Augen verschwamm plötzlich alles. Ich versuchte tief ein und aus zu atmen und mich zu beruhigen, aber es ging nicht. Ich bekam keine Luft mehr. Die schlimmsten Bilder aus dem Tartarus flackerten vor meinen Augen vorbei. Annabeth, die mich weder sehen noch erreichen konnte. Wie ich Achlys' Gift kontrolliert hatte. Wie wir Bob zurückgelassen hatte, damit er die Tore des Todes versiegeln konnte.

Ich versuchte nach Luft zu schnappen, als mir schwindlig wurde und ich seitlich vom Stuhl kippte. Meine Tante rief Scott irgendwas zu, worauf dieser hinausrannte. Melissa kam zu mir und kniete sich neben mich. Sie rief wieder etwas, aber dieses Mal war es an mich gerichtet. Ich konnte nicht verstehen was sie sagte. Schliesslich wurde um mich herum alles schwarz.

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