Wo?

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Als sie wieder wach wird, liegt sie in einem Bett. Es ist hell und warm. Die Sonnenstrahlen fallen sanft durch die große Scheibe und tauchen das Zimmer in einen edlen Glanz.
Langsam setzt sich Rahel auf. Ihr ist schlecht und das erste, was sie tut ist sich übergeben. Hundselend sieht sie sich um. Ihr Bein ist in einen weißen sterilen Verband verbunden. Die Wände ihres Zimmers sind weiß. Der Boden hat einen leichten gelbschimmer. Sie ist in einem kleinen Zimmer. Ihr Bett erinnert sie an eines der Betten im Krankenhaus. Doch sie erkennt ihre Umgebung nicht.
Wo bin ich? Hat er mich gefunden und in ein anders Zimmer gebracht? Ein anders Haus?
Langsam wird sie panisch. Sie will weg. Weg von ihm! Er hat mich gefunden! Ich wusste es würde nicht klappen! Er wird mich strafen! Ich werde nie frei sein! Verzweifelt will sie aufstehen. Abhauen. Weg. Nur ein Hacken hat der Plan. Als sie sich aus dem Bett schälen will und sich aufsetzt dreht sich alles. Die Decke ist plötzlich unter ihr und der Boden über ihr. Dennoch stellt sie sich hin und spürt, wie ihr Erbrochenes sich seinen Weg auf den Boden bahnt und sie würgt. Der Geruch ist wiederlich.
Als sie ihr Bein belasten will stöhnt sie und gleitet nach unten auf dem Boden. Ein Schrei entfährt ihrer Kehle und sie bleibt liegen.
Ihre Augen schließen sich und sie erkennt nur noch, wie eine schwarze Silouette reinkommt, wieder verschwindet und mit einer zweiten zurück kommt. Die Gestalten beugen sich über sie. Nein! Lasst mich sterben! Willenlos spürt sie, wie sie Hände an Arm und Beinen umfassen. Vier insgesamt. Als sie hochgehoben wird, wird ihr schwarz vor Augen.

Einige Stunden oder vielleicht auch Tage wacht sie auf. Immernoch das selbe Zimmer. Die Decke locker bis zu ihrer Hüfte gelegt. Um ihre Hüfte ist locker ein Gurt angebracht. Jetzt kommt er! So verhindert er, dass ich abhauen kann! Ihre Augen flackern und sie spürt, wie eine Person den Raum betritt. Sie fühlt, wie sich eine Hand um ihr Handgelenk schließt. Panik kommt in ihr auf. Sie beginnt sich zu bewegen. Sich von diesem Gurt zu lösen.
"Shhh...", eine sanfte Stimme erhebt sich durch den ganzen Gedankentumullt, den Rahel's Gehirn einnimmt und sie immer panischer werden lassen. Sie schlägt um sich ohne es zu merken. Die Stimme redet erneut und legt dabei eine Hand auf Rahel's Stirn: "Ganz ruhig. Ich tue dir nichts. Ich bin eine Freundin." Ihre Arme treffen irgendetwas. Sie weiß nicht was es ist. Es ist ihr auch egal. Die Augen fest geschlossen schlägt sie auf das etwas ein. Ihre Schläge sind schwach und das weiß sie auch. Aber vielleicht lenkt es die Person ja ab und sie kann entkommen. Die Hand von der Stirn entfertn sich und beide Hände schließen sich sanft und mit einer Ruhe um ihre Handgelenke. "Mach deine Augen auf, Süße. Sie, wo du bist. Wer ich bin. Vertrau mir." Sie versucht sich zu wehren. Die Hände aus dem Griff zu befreien und schreit: "Geh! Das willst du doch nur, dass ich dich sehe. Wieder leide!" In ihrer Panik bemerkt sie nicht, dass es nicht er ist, der mit ihr redet, sondern eine Frau. Sich wild wehrend schreit sie weiter: "Du Ekel! Du Schwein! Schänder! Du perverser! Wie konntest du nur! 10 Tage! Lass mich frei! Ich gehöre dir nicht!"
"Sieh mich an.", verlangt die Stimme und lässt die Hände los. "Höre ich mich an wie er? Hör genau hin: Ich bin Esmeralda Castillo. Bin 34 Jahre alt und arbeite im Krankenhaus von Barcelona. Ich werde dir nichts tun... Yo estoy tú enfermera. ¿Hablas español e íngles y áleman? Yo hablo español e íngles y un poco de áleman." Erstarrt liegt Rahel im Bett. Die Hände erhoben um ihr Gesicht zu schützen. Doch dann. Sie versteht, was diese Frau sagt. Irgendwo in ihrem Gehirn werden Teile zusammengefügt und sie traut sich die Augen zu öffnen.
Es ist hell. Sehr hell und sie kneift die Augen zusammen um sie vor der Sonne zu schützen. Doch immer wieder öffnet sie sie. Als sich ihre Augen an das helle Licht gewöhnt hat, sieht sie eine Frau vor sich. Typisch Spanisch. Schlank. Offene Gesichtszüge. Hohe Stirn. Breites freundliches Lächeln. Braun. Dunkelbraune Augen, die sie freundlich an sehen. Wunderschöne Figur und kastanienfarbene Haare, die ihr in einem lockeren Zopf über die Schulter fallen. Sie gehen bis zur Brust.
"Ich tue dir echt nichts. Ich will dir helfen." Esmeralda setzt sich neben Rahel aufs Bett. Bedacht darauf ihr nicht weh zu tun. "¿Qué pasa?" besorgt untersucht sie das Mädchen und Rahel lässt es misstrauisch zu. Sie kann sich eh nicht bewegen und gegen eine gesunde Frau kann sie eh nichts ausrichten. Aber sie antwortet nicht. Kein Wort. Sie will nicht antworten. Stöhnt nur leise, als die Spanierin ihr linkes Bein begutachtet und es sanft berührt. "Es heilt. Komm schon, rede mit mir. Bitte!" Fast flehend sieht sie Rahel aus ihren braunen Augen an. "Hast du Hunger? Durst?" Keine Antwort. Rahel dreht den Kopf und starrt an die Decke. Esmeralda versteht und nickt: "Ich lass dich allein. Wenn was ist, dann klingle. Ich schau später nochmal nach dir." Sie löst das Band um Rahels Hüfte und geht. Leise fällt die Tür ins Schloss.
Nun ist Rahel allein. Sie weiß nicht, wo sie ist. Warum sie hier ist. Was sie hier macht und wer dieses Mädchen ist und sie rätselt wie sie hier her gekommen ist.
Langsam versucht sie sich aufzusetzten. Alles tut weh und sie spürt, wie der Verband ihr Bein einschließt.
Als sie sich an die Lehne ihres Bettes gelehnt hat, kann sie das Zimmer ganz sehen.
Esmeralda hatte Recht. Sie ist im Krankenhaus. Es ist ein freundlicher Raum mit gelben Streifen an den Wänden. Die den Raum größer wirken lassen. Der Boden hat den typischen spanischen Stil und lässt den Raum hell erstrahlen. Gegenüber ihres Bettes hängt ein Bildll mit einem Paar in spanischer Tracht, die den traditionellen Tanz tanzen. Das Mädchen auf dem Bild sieht fröhlich aus, denkt sich Rahel und sieht sich weiter um. Sonst gleicht das Krankenhauszimmer einem in Deutschland. Sterile Möbel, helles Holz oder kühles Metall. Eine Leiste mit einer Lampe über ihrem Bett. Neben ihr ein typischer Nachttisch aus dem Krankenhaus. Nichts besonders denkt sie.
Doch dann entdeckt sie es. Das Buch, dass sie aus dem Haus des Mannes mitgenommen hatte. Es liegt fein säuberlich neben ihrem Bett auf dem Nachttsich. Daneben das Halsband von Milow. "Wo ist mein Hund?" Schreit sie und will aufstehen. "Mein Pferd!"
Voller Hysterie schlägt sie um sich. Ihre Tiere sind alles für sie und sie will zu ihnen. "Was habt ihr Abschaum!" Rahel weiß nicht wirklich, was sie sagt. Sie versucht alle spanischen Beleidigungen aufzuzählen, die sie kennt und diese ab zu feuern. Doch. Sie wird nicht gehört. Verzweifelt will sie aufstehen.
"Bleib liegen!", ertönt die erste Stimme von Esmeralda im Raum. "Oder ich binde dich wieder fest." Langsam nähert sie sich und nimmt Rahel an den Armen. "Deinen Tieren geht es gut." Mehr sagt sie nicht. Macht den Gurt um Rahels Hüfte und verschwindet wieder.
"Wo sind sie? Warum sind sie nicht hier? Was macht ihr mit ihnen? Wie geht es ihnen? Bleib DA!" Verzweiflung und Angst machen sich in ihr breit. Esmeralda ist weg und Rahel allein. Allein mit ihren schrecklichen Gedanken...

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