Die Nacht

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Seine Hand gleitet langsam über ihren nackten Körper. Er fühlt sich so gut an. So kräftig und doch so sanft. Seine Bewegungen sie fordernd und doch zurückhaltend.
Es fühlt sich so anders an wie die male, in denen sie bei diesem Mann war. Der sie missbraucht hatte. Nun gab sie sich ihm freiwillig. Ihre Stimmen vermischen sich und werden eins, genauso wie es ihre Körper tun. "Ich liebe dich" haucht Marcellino Rahel ins Ohr und sie erwidert mit einem Kuss. Einem Kuss der mehr sagt als tausend Worte. Er erwidert stürmisch.

Einige Zeit später liegen die zwei eng aneinander gekuschelt im Bett. Marcelllino hat den Kopf auf Rahels Brust gelegt und verfolgt ihren gleichmäßigen Herzschlag im Schlaf. Seine Hand ruht auf ihrem Bauch und hebt und senkt sich leicht mit ihm.

Als die zwei am nächsten Morgen aufstehen und sich anziehen und anschließend gefolgt von Milow nach unten gehen erwartet sie ein köstlicher Duft, der aus der kleinen Küche schwellt.
Von weitem hört man schon, wie sich in der Küche mehrere Menschen aufgeregt bewegen. Sachen auftischen und wieder umstellen. Miteinander in sanftem, liebevollem Ton sprechen. Kinder antworten und das erledigen, was sie tun sollen.
Rahel freut sich diese Familie kennen zu lernen. Diese Nacht war so schön und sie hat schon lange nicht mehr so gut geschlafen wie in dieser. So nah an ihren Freund gekuschelt.
"Hallo!" Eine freundliche, hohe Mädchenstimme schallt durch den kleinen, schmalen und hellen Flur, der so groß wirkt. Ein junges Mädchen, vielleicht vier Jahre alt  kommt auf das junge Paar zu: "Ich freu mich so, dass ihr das seid" Eifrig nimmt sie die etwas überraschte Rahel an der Hand und führt sie in den wunderbaren Duft des leckeren Frühstücks hinein. Mehrere Menschen stehen dort. Eine ältere Dame, vermutlich die Oma stellt sich als Elisabeth vor, ihre Tochter ist Rita und deren Mann heißt Daniel. Die Kinder heißen Klaus, Estala und Amy. Alles sehr nette, freundliche Menschen, die mit ihrem offenem lächeln Rahels misstrauisches Herz erweichen. Die Mutter lächelt sie freundlich an: "Setzt euch und esst!" Mit einer weiten, einladenden Bewegung weißt sie Marcelllino und Rahel Plätze zu. Daniel nickt ihnen freundlich zu: "Ich habe gerade nach euren Pferden geschaut. Dem weißen Hengst geht es besser. Die Kinder und ich haben sie geputzt und gefüttert, ich hoffe das ist  in Ordnung gewesen." Marcelllino sieht auf und nickt dankbar: "Vielen Dank. Unsere Fehre geht heute Abend und sie nehmen nur gesunde Tiere an Bord. Denken sie, der weiße Hengst wird zugelassen? Er ist unser... Sorgenkind." Mit einem Seitenblick auf Rahel wartet er, ob sie noch etwas ergänzen möchte, doch sie sieht den Hausherren einfach nur dankbar an. Elisabeth, die Großmutter der Kinder und die Mutter von Rita lächelt und erwiedert: "Ich denke, er wird sich erholt haben bis heute Abend. Schwerer wird nur, sie alle dort unter zu bringen. Pro Person ist nur ein Großtier erlaubt. Und man muss ein heiden Vermögen zahlen..." Langsam sieht die alte Frau von Rahel zu Marcellino und wartet ab, wie die Information ankommt.
"WAS?! NEIN! Wir müssen doch nach Italien! Salvador muss verarztet  werden und ich bin einfach nur müde!" Verzweifelt lässt sich Rahel auf den Küchenboden sinken. Sie weiß nicht mehr weiter. Vor einem halben Jahr ist sie mit voller Zuversicht losgeritten. Hat nie mit Schwierigkeiten gerechnet. Jetzt muss sie erkennen, wie naiv sie war. Zu denken, dass sie in einem Jahr eine Europareise mit Pferd und Hund machen kann. Und dabei hat sie erst zwei Länder bereist und wurde dort festgehalten, missbraucht, lag im Krankenhaus, hatte einige Schwierigkeiten, wurde eine Magd und hat ihre große Liebe kennengelernt. Eigentlich eine schlechte Reise und dann muss sie an die schönen Momente denken. Das Reisen, die Ritte mit Marcelino, die Gesrpäche mit Esmeralda und Edita. Die Natur. Resigniert stützt sie den Kopf in die Hände.
Eine sanfte Stimme reißt sie aus den Gedanken. "Was hast du?" Estala das vier Jahre alte Mädchen sieht sie fragend an. Ihre saphiergrünen Augen und das blonde leichte Haar passen nicht zu ihr und lassen sie doch wunderschön und magisch aussehen.
Rahel schluchzt und sieht das Kind an: "Weißt du. Ich bin einfach nur dumm. Aber so ist das im Leben." Ihre Stimme ist voller Ironie und Bitterkeit. Estala versteht nicht was Rahel meint. Immernoch fragen sieht sie Rahel an: "Warum bist du dumm? Das ist doch nur Klaus" Frech und doch süß. Damit hat Rahel bei diesem bildhübschen Kind nicht gerechnet. Unwillkürlich muss Rahel laut lachen. "Nein, dein Bruder ist nicht dumm!"
"Klaus?", Marcellino sieht verwundert und überrascht zu Rita auf, "Das ist kein typisch spanischer Name..."
Daniel lacht: "Nein, wir sind Deutsche... Vor Jahren hergezogen und hier sesshaft geworden..."
Jetzt ist Rahel neugierig. Hergezogen. Einfach so? Schnell wischt sie sich die Verzweiflung aus den Augen und sieht zwischen den Menschen im Raum herum: Marcellino sieht typisch spanisch aus. Doch diese Familie, in deren Haus sie sich befinden passt nicht zu dem Mann, in den sie sich verliebt hat. Ihre Haut ist hell und jeder hat eine andere Haarfarbe. Die Mutter aschblond, der Vater schwarz, die Mutter grau und die Kinder von rot bis blod alles. Erst jetzt sieht sie, wie unterschiedlich alle sind, was viel für Mitteleuropa spricht. In Spanien sehen viele Menschen ähnlich aus. Die Sonne und das warme Klima machen es schwer besondere Merkmale zu entwickeln. Deutsch. Klar, da hätte sie auch schon früher draufkommen können. Alle sprechen kein spanisch mit ihnen sondern deutsch. "Sagen sie..." Rita unterbricht Rahel: "Du, bitte, sag du." Etwas versunichert fährt Rahel fort: "Warum seid ihr hergezogen? Ich mein in Spanien gibt es doch nicht viel..."
Elisabeth schält sich ein: "Meine Tochter ist aus dem selben Grund hergekommen wie du. Um sich selbst zu finden. Auf dem Weg zurück hat sie dann erkannt, wo ihre Bestimmung liegt."
Etwas genervt von der Antwort fährt Rita fort: "Meine Bestimmung lag in Spanien, liegt in Spanien. Ich gehöre hier her."
"Wie meinst du das?" Rahel ist nun neugierig geworden. Sie ist ein Brot und beobachtet genau, was Rita sagt.

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