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Jules POV:

Selbst nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, brauchte ich einen Moment um mich wieder halbwegs zu fangen.

Ich hatte mich auf einige Gesprächsthemen eingestellt, als Valessa mich gestern Abend anrief und meinte, dass ich heute morgen einen dringenden Termin mit Fibian York hatte. Was ich mir nicht hatte vorstellen können war, dass sie mir zeigen würde, wie sie von einem meiner zukünftigen Klienten misshandelte wurde.
Und anstatt mich menschlich und mitfühlend zu verhalten, bin ich eifersüchtig gewesen und bin ausgerastet. Sie musste mich für einen Vollarsch halten.

Denn sie hatte Recht: ich war nicht in der Position über sie zu urteilen. Das war niemand. Egal als was sie gearbeitet hatte.
Sie hatte meinen größten Respekt dafür verdient, dass sie über ihren Schatten gesprungen und mir davon erzählt hatte.
Davon abgesehen, dass ich mit einem solchen Arschloch nicht zusammenarbeiten wollte, hatte sie mir wahrscheinlich eine Menge Ärger erspart.

Das waren für meinen Geschmack etwas zu viele "hatte"s.
In mir brodelten wieder die verschiedensten Gefühle und ich wusste sie nicht zu kontrollieren. Vorrangig waren es Wut, Wut auf diesen Arsch Padrig Langsa, Wut auf mich weil ich mich wie ein Vollidiot aufgeführt hatte und unbegründet Annahmen aufgestellt hatte und Schuld.
Ich musste zu ihr und mich entschuldigen! Das hätte ich gleich tun sollen. Warum saß ich eigentlich noch hier?

Schnell stand ich auf, griff mir Handy, Schlüssel und Mantel und machte mich auf den Weg zu Fibian Yorks Wohnung. Hoffentlich war sie überhaupt daheim.
Ich rannte fast zu meinem Wagen, wählte dabei Valessas Nummer und wäre beinahe auf einer Eisschicht ausgerutscht. Fluchend kam ich gerade noch so zum Stehen.

"Valessa, sagen sie für heute alle Termine ab.",
bellte ich ins Telefon.

"Aber sie haben um 13.00 Uhr…"

"Jetzt Valessa. Alle Termine, denken sie sich irgendetwas aus, ich bin für heute nicht mehr zu erreichen!",
schnauzte ich die arme Frau am Telefon an, aber ich hatte mich gerade nicht unter Kontrolle.

An meinem Wagen angelangt sprang ich hinein und steuerte ihn zu Fibians Wohnung.

In dieser Straße einen Parkplatz zu bekommen glich einer Unmöglichkeit, doch als ich kurz davor war meinen Wagen einfach mitten auf der Straße stehen zu lassen, parkte ein Kleintransporter aus.

Zwei Stufen auf einmal nehmend stand ich einen Moment vor ihrer Tür, bevor ich anklopfte. Unter der Tür sah ich einen Lichtschein, also war sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu Hause.
Zur Tür kam sie allerdings nicht.

"Hey mach auf, ich bin's.",
sagte ich hoffentlich laut genug, damit sie mich hörte, doch sie kam nicht, also klopfte ich weiter.

"Hör auf und geh Morin. Ich bin weder in der Stimmung noch passend gekleidet um dir aktuell unter die Augen zu treten."

Sie klang ziemlich pissig, aber was anderes hatte ich ja auch nicht verdient. Jedoch war ich nicht gewillt zu gehen, bevor ich sie gesehen und mich wenigstens von Angesicht zu Angesicht entschuldigt hatte.

"Ich werde nicht gehen und lass den Mist. Du weißt ganz genau dass das letzte Woche nicht so gemeint war."

"Ach ja? Weiß ich das?",
lachte sie höhnisch.
"Aber es ist egal. Geh jetzt. Bitte."

Bevor ich etwas erwidern konnte wurde ich von der Seite angesprochen.

"Hey Mister M.! Was suchen sie denn hier?"

Coen, einer meiner Studenten stand neben mir. Ich schätze ihn eigentlich als ganz in Ordnung ein, aber dass er mich hier sah könnte einige Fragen aufwerfen. Ehrlichkeit war die beste Verteidigung.

"Ich versuche mich bei meiner Assistentin zu entschuldigen, weil ich Mist gebaut habe und es an ihr ausgelassen habe."

"Find ich cool dass sie das machen Mister M.."

"Könnte das vielleicht unter uns bleiben?",
fragte ich nach.

"Klar, aber wenn sie weiter so laut sind bekommt es das ganze Haus mit. Viel Glück, Mister M."

Dann ging er. Ich wollte gerade erneut Klopfen, da schwang ihre Tür auf.

"Bevor das ganze Haus dich wirklich noch sieht.",
zischte sie und humpelte Richtung Sofa.

"Was ist passiert?",
fragte ich, zog meine Schuhe und meinen Mantel aus und beeilte mich hinter ihr her zu kommen.

Ihre Jeans und ihre Bluse hatte sie gegen ein lockeres T-Shirt und eine Leggings getauscht.

Vorsichtig ließ sie sich auf dem Sofa nieder und nahm den Eisbeutel der dort lag und drückte ihn auf ihren Rechten Oberschenkelhals.

"Dank des Eises habe ich Bekanntschaft mit dem Boden gemacht. Ist nicht weiter schlimm."

Ihre Stimme war kalt und sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Fernseher, der im Hintergrund leise vor sich hinflimmerte.

Ich stellte mich vor sie, sodass sie mich ansehen musste.
Ihr Blick glitt langsam an mir hoch bis sie mein Gesicht erreichte.  Doch diesmal war es anders als sonst. Das Funkeln, welches ihren Blick immer begleitet hatte wenn sie mich ansah, war verschwunden. Nicht nur das, mir fiel die leichte Rötung ihrer Augen und der Nase auf. Sie musste geweint haben.
Mir zog es das Herz zusammen bei den Schuldgefühlen die sich in mir breit machten und ich gab dem Drängen meiner Knie nach und kniete mich vor sie.

"Es tut mir wirklich leid wie ich eben war."

"Gut, verstanden. Wenn das alles ist kannst du ja jetzt gehen. Du hast eine Vorlesung."

"Nein habe ich nicht. Und es tut mir wirklich leid Fibian. Ich war ein Arsch, weil ich mit mir selbst nicht klar komme und du bist die letzte, die ich damit verletzten möchte."

Ihr Blick wurde weicher, aber ich sah immer noch so viel Traurigkeit und Schmerz darin. Ich wollte, dass sie wieder strahlte. Meine Augen verfolgten ihren Arm bis zu der Stelle, an der sie den Eisbeutel an sich presste.

"Lass mich das Mal ansehen.",
meinte ich sanft, doch sie schüttelte energisch den Kopf.

Just One More Night StandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt