Kapitel 2

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»Gut, ich bitte euch darum, dass ihr bis sechzehn Uhr an-«

»Ach, wen haben wir denn da?«

Mrs Roberts unterbrach sich selbst und rückte ihre schwarze Brille wieder zurecht, während ihr Blick nur mir galt. Ihre hellbraunen Haaren waren am letzten Schultag vor den Sommerferien in einen Dutt gebunden und sie durchbohrte mich fast mit ihren Blicken. Und – wie konnte es auch anders sein - der ganze Kurs hatte nun seine Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Ich stand nur starr neben dem Türrahmen und versuchte mir eine kreative Ausrede auszudenken, doch vergebens. Ich bekam nicht einmal die Chance dazu, mein Zuspätkommen in irgendeiner Weise rechtfertigen zu dürfen.

»Mrs Roberts, es tut mir wirklich leid, ich bin nur-«

»Hailey, bleib doch bitte nach der Stunde kurz noch im Klassenzimmer, ich würde gerne ein kleines Gespräch mit dir führen.«

Sie lächelte mich etwas schief an, nahm das weiße Kreidestück wieder zur Hand und ignorierte mich dabei völlig, da sie wie gehabt ihren Unterricht fortführte.

Ich schaute irritiert drein, während sich meine Körperhaltung anspannte. Obwohl sie mich nicht mehr ansah, nickte ich unmerklich und setzte mich in die vorletzte Reihe zwischen June und Louis, die wie alle anderen aus diesem Kurs dieses Spektakel mitverfolgt hatten. Ich setzte meine Tasche auf den Boden ab und hatte je für June und für Louis nur einen überraschten Blick übrig. Da ich den Blick von Mrs Roberts nach einer Weile auf mir spürte, vermied ich es auch nur mit einem von den beiden ein Wort zu wechseln und kramte in der Zwischenzeit einen Zettel aus meinem Rucksack heraus, den ich heute brauchen würde und breitete mein Mäppchen und die zwei Hefte, die ich noch immer fest umklammerte, auf meinem Tisch aus.

In der vorletzten Reihe zu sitzen hatte einige echt gute Vorteile. Der Lehrer oder die Lehrerin sah zwar, dass du schreibst, aber natürlich wusste er oder sie nicht was.

Natürlich schrieb ich das Tafelbild ab, was auch sonst. 

Nicht.

Ich war keine schlechte Schülerin, aber die Lehrer konnten doch nicht davon ausgehen, dass jemand den Unterricht am letzten Schultag ernsthaft verfolgte, oder? Meinen Vorteil nutzte ich also gewissenhaft aus und brachte mit meinem Bleistift eine kleine Nachricht zusammen, welche ich zu June herüberschob.

Ist das ihr ernst? Am letzten Schultag zieht sie ihren Unterricht durch?

Louis versuchte dabei ebenfalls meine Nachricht lesen zu können und lehnte sich dabei so unauffällig wie nur möglich zu mir herüber. Ich stoppte seinen Versuch jedoch dadurch, indem ich meinen Arm benutzte, um ihn wieder zurückzuschieben, doch ihm schien das nicht besonders viel auszumachen, da er mich einfach nur ignorierte und er sich mir gegenüber durchsetzte.

June hatte ihre Nachricht mittlerweile unter mein blaues Heft geschoben und ich nahm mir die Zeit, den klein gefalteten Zettel zu lesen, während unsere Lehrerin sich zur Tafel drehte, um etwas anzuschreiben.

Na ja, erst haben wir uns über die Abschlussparty unterhalten. Du weißt schon, die, bei der wir heute alle erscheinen müssen. Als ihr deine Abwesenheit aufgefallen war, hat sie einfach mit dem Unterricht weitergemacht, keine Ahnung warum. Sie schien nervös, aber versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

Ich legte den Kopf schief, nickte schließlich June zu und steckte den Schnipsel zurück in meine Tasche. Die restlichen Minuten des Unterrichts ließ ich noch über mich ergehen, wobei ich nicht wirklich konzentriert zuhörte. Im Gegenteil, meine Gedanken drehten sich um den Jungen, der eins dieser Plakate für die Abschlussparty an die Glastür klebte und den ich noch nie zuvor bemerkt hatte. War aber auch kein großes Wunder – ihr wusstet meine Meinung zu dem Jahrgang über mir. Die Beliebten führten sich gerade auf, als ob sie etwas Besseres wären – lag vielleicht an der massenhaften Aufmerksamkeit, die sie erhielten. Die Seniors waren da die Schlimmsten, auch wenn meine Stufe schon recht gut mithalten konnte in diesen Spiel.

LAST SUMMERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt