Kapitel 24

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Nur mit großer Mühe hielt ich meine müden Augen offen und lehnte meinen rechten Unterarm auf den großen Glastisch, der sich in unserem Garten befand. Mom machte mir einen leckeren Früchtetee und stellte eine Schale mit Nüssen und Keksen vor mir hin. Nichtssagend. Sie hatte gemerkt, dass mir nicht zum Reden zu Mute war.

Meine Beine hatte ich übereinander geschlungen und atmete seufzend aus. Diese Nacht verbrachte ich zum größten Teil schlaflos. Vielleicht waren es vier Stunden Schlaf. Wenn's hochkommt. Immer wieder knipste ich letzte Nacht mein Nachtlicht an und rieb mir kopfschüttelnd die Augen.

Irgendwann wurde es aber besser.

Nach dem Gespräch mit Ellie machte ich mir Gott sei Dank schon weniger Sorgen. Nicht sehr viel weniger, aber weniger. Und das war ein Anfang. Ein guter.

Ich legte meine beiden Hände um die gelbe Teetasse und blickte leer in den Garten. Mom kümmerte sich furchtbar gut um diesen: Vor gut drei Jahren hatte sie Dad dazu überredet, dass unser Garten einen Teich bräuchte, der Garten insgesamt mehr Leben bräuchte. Sie pflegte ihn viel zu gerne und die verschiedensten Blumenarmten zeichneten sich ebenfalls aus: von roten Rosen, rosafarbenen Dahlien bis hin zu einer wundervollen Pracht von Tulpen in allen möglichen Farben.

Manchmal strahlte dieser Garten, genau wie heute, eine ganz besondere Ruhe aus und ich hörte ganz leise im Hintergrund Too Sad to Cry von Sasha Sloan.

Als ich meinen Kopf für einen Moment dem Boden widmete, stach der selbstgeflochtene Korb von Lili heraus. Und in diesen hatte ich mein Buch mit all meinen Ideen für den Podcast hineingelegt, nachdem ich sie allesamt aus der Mappe gefischt hatte, in der ich sie für das Treffen mit Liam aufgehoben hatte.

Vorsichtig strich ich über das harte Cover, was in ein blutrot getaucht war. Ein kleines, aber dennoch erkennbares Lächeln schlich sich in mein Gesicht, als ich ein wenig herumblätterte.

Idee 3: »Sozialkontakte.«
»Sozialkontakte sind mit das Wichtigste, was wir in unserem Leben haben. Wir können nie genug davon bekommen, denn wir freuen uns, sobald wir mit Menschen zusammentreffen. Wir Menschen sind nun Mal gesellige Wesen – daher ist es in Anbetracht dessen nicht richtig, dies als eine unserer Schwächen zu betrachten. Qualität übertrifft, wie in den meisten Fällen, die Quantität. Es ist wichtig, die richtigen Menschen um sich herum zu haben, und nicht viele. Sie halten unseren Körper, unser Gehirn und unseren Geist gesund.«

Ich hatte nie viele Ideen notiert und hatte es mir deshalb selbst zum Ziel gemacht, dass ich nicht viele Ideen brauchte, sondern die, die ich hatte, sorgfältig ausarbeitete. Und das tat ich. Liam hatte den Anfang gemacht und ich schob Idee drei gleich hinterher.

Das Buch schlug ich in der nächsten Sekunde aber auch schon wieder zu und hielt es mit festem Griff in meinen Händen. Ich wusste nicht weiter. Wirklich nicht. Es fraß mich innerlich beinahe auf. Seufzend lehnte ich meinen Kopf zurück und schloss meine Augen.

Meinen Tee hatte ich vergessen. Er war sicherlich schon kalt und ich trank nie kaltgewordenen Tee. Er hatte so einen furchtbaren bitteren Geschmack. Genauso, wie ihn das Leben manchmal hatte.

Seufzend lehnte ich meinen Kopf zurück und schloss meine Augen, denn mein Kopf schmerzte so langsam. Das passierte mir immer, wenn ich gestresst war oder unter Druck stand.

Ein paar Sekunden später vibrierte mein Handy und ich schlug meine Augen auf. Mein Körper regte sich nicht. Nur meine Augen linsten herüber zu dem Gerät, da der Bildschirm hell aufleuchtete.
Da es mich beinahe wie magisch anzog, drehte ich mich herüber zu dem Glastisch und griff nach meinem Handy.

Watermelon.

Meine starren Gesichtszüge wurden augenblicklich weicher, als ich seinen Namen las.

LAST SUMMERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt