Kapitel 2

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Als ich mich am nächsten Morgen zu meinen Eltern an den Frühstückstisch setzte, fiel mir sofort auf, dass etwas anders war als sonst. Eine beinahe greifbare Spannung lag in der Luft. Mom starrte in ihren Tee und mein Vater räusperte sich immer wieder während er in seinem Rührei herumstocherte. „Stimmt etwas nicht?", durchbrach ich schließlich die Stille. Dad räusperte sich erneut. „Nun, Liebes, ich denke wir müssen uns unterhalten." Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Wie meinst du das?", fragte ich und sah zwischen meinen Eltern hin und her. „Was meine Geschäfte angeht hat es in letzter Zeit unvorhersehbare Wendungen gegeben und jetzt habe ich gewisse Probleme...", mein Vater brach ab und rang nervös die Hände, so als ob er nicht wüsste wie er das Folgende am besten ausdrücken sollte. Meine Verwirrung steigerte sich, doch gleichzeitig kam mir das von mir belauschte Gespräch am gestrigen Abend in den Sinn. Hatte das was er sagen wollte etwas damit zu tun?

„Dein Vater will damit sagen, dass wir aufgrund jüngster Ereignisse beschlossen haben, dass es vielleicht besser wäre, wenn wir dich für einige Zeit an einem anderen Ort als diesem Haus unterbringen", mischte sich nun meine Mutter ein. „Was soll das denn heißen?", wollte ich wissen und klang genauso verständnislos wie ich mich fühlte. Dad strich sich fahrig über den Schnauzbart und dann platzten die Worte aus ihm heraus. „Hier ist es einfach nicht mehr sicher für dich, Kathleen", rief er und seine Stimme war dabei lauter, als ich es erwartet hatte. Mom und ich schraken zusammen. „Verzeihung", murmelte mein Vater und strich die Serviette auf seinem Schoß glatt. „Ich verstehe das nicht, warum sollte es hier nicht mehr für mich sicher sein?" Die Worte kamen genauso schwach aus meinem Mund, wie ich mich fühlte. Alles was er sagte klang so unsinnig.

„Das braucht dich nicht zu kümmern, Liebes", erwiderte Dad mit fester Stimme und sah mich an. „Sieh es einfach als Urlaub an. Wir schicken dich in ein hübsches Strandhotel für die nächsten paar Wochen. Es wird herrlich werden." „Wie bitte?", meine Stimme klang schriller als beabsichtigt. „Ihr schickt mich einfach irgendwohin für ein paar Wochen? Aber warum denn? Nenne mir doch bitte wenigstens einen Grund."

„Ich wiederhole: Das braucht dich nicht zu kümmern." Langsam mischte sich Wut in Dads Stimme. „Bitte, Kathleen. Mach es deinem Vater nicht schwerer als es ohnehin schon ist. Wir werden nach dem Frühstück deine Tasche packen und dann wirst du von zwei Begleitern in das Strandhotel in Pismo Beach gefahren, in dem wir einmal waren als du klein warst. Erinnerst, du dich?" Meine Mutter lächelte zaghaft, sichtlich darum bemüht die Situation abzukühlen. Ich nickte nur abwesend bei ihren Worten, weil ich noch immer verarbeiten musste was hier gerade geschah. Meine Eltern schwiegen betreten und ich konnte sehen wie sie sich immer wieder verstohlene Blicke zuwarfen.

Plötzlich wurde die betretene Stille des Speisesaals unterbrochen, als zwei unserer Wachmänner hereintraten. Es waren Victor und der Neue, dessen Namen ich mir noch immer nicht gemerkt hatte. „Liebes, diese beiden hier werden dich begleiten", sagte Dad, offenbar froh darüber, dass das Schweigen endlich durchbrochen worden war. „Victor kennst du ja bereits länger und das hier ist Jack Archer. Er ist erst seit ein paar Tagen bei uns." Der Neue hieß also Jack. Jack Archer. Ich sah ihn an, sein Blick ließ nicht im Mindesten erahnen was er gerade dachte, aber er nickte mir freundlich zu. Es war mir nicht möglich seinen Gruß zu erwidern. Meine Gedanken wirbelten nur so in meinem Kopf und so starrte ich nur apathisch vor mich hin.

„Nun, ich denke es wird Zeit. Wir sollten nach oben gehen und deine Sachen packen." Meine Mutter berührte mich sanft am Arm. „Ja...ja, lass uns gehen", murmelte ich und folgte ihr den Weg hinauf in mein Ankleidezimmer. Mom holte eines unserer Zimmermädchen dazu, die eine Reisetasche mitbrachte und gemeinsam machten wir uns daran meine Kleidung einzupacken. Wir gingen unserer Arbeit schweigend nach, doch immer wieder merkte ich wie meine Mutter fahrig über den Saum eines meiner Kleider strich oder etwas zurechtrückte, wo es nichts zu Rücken gab. Sie tat das immer, wenn sie nervös war. Zum wiederholten Male an diesem Morgen fragte ich mich, was passiert war, dass meine Familie mich so mir nichts dir nichts aus dem Haus jagte. Keiner meiner Gedanken ließ sich zu Ende führen oder lief ins Nichts. Es machte alles keinen Sinn und hinterließ lediglich ein sehr ungemütliches Gefühl in mir.

A Girl Made Of IvoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt