Erschöpft fiel ich wenig später in meine Kissen. Mein Körper sehnte sich nach dem Schlaf, doch mein Kopf hielt mich wach. Also wälzte ich mich immer wieder in meinem Bett herum, doch ich fand einfach keine Ruhe. Nach einer geschlagenen Stunde, in der ich mich herumgeworfen hatte, nahm ich eines der Bücher zur Hand, die ich für die Reise eingepackt hatte und versuchte mich in den Schlaf zu lesen. Als selbst das nicht helfen konnte, beschloss ich frische Luft zu schnappen und ging, nur in meinen Morgenmantel gehüllt, auf den Balkon hinaus. Doch da war schon jemand.
Mein Balkon ging zum Meer hinaus und in dem Licht, das der Mond auf die Wellen warf, sah ich wie Jack am Geländer lehnte und rauchte. Sein Haar war durcheinander und der Rauch wirkte silbern im Mondlicht. Außerdem trug er im Gegensatz zu mir noch sein Hemd und die Hose, die er beim Dinner getragen hatte. Jack sah auf, als er meine Schritte hörte. „Konnten Sie auch nicht schlafen?", fragte er mit seiner rauen Stimme. Ich zog unwillkürlich meinen Mantel fester um mich und ich hätte nicht sagen können, ob das an der frischen Brise lag, die hier draußen wehte oder an Jacks Anwesenheit. Seine Frage beantwortete ich mit einem Nicken. „Vermutlich ist es nach solch ungewöhnlichen Tagen normal, dass es schwerfällt zu schlafen", sagte ich mit scherzhaftem Unterton, trat ebenfalls ans Geländer und sah auf das Wasser hinaus. „Da haben Sie Recht", antwortete er ernst und zog wieder an seiner Zigarette. Ich sog tief die Luft ein und obwohl ein wenig von seinem Zigarettenrauch sich hineinmischte, roch es wunderbar nach Salzwasser und Sand. „Hier ist es wunderschön, nicht wahr?", seufzte ich und sah ihn dann an. „Wissen Sie eigentlich warum wir hier sind?" Ich hatte nicht gewusst, dass diese Frage mich sosehr beschäftigte, bis ich sie laut ausgesprochen hatte. Angestrengt versuchte ich in seinem Gesicht, trotz der Dunkelheit, irgendeine Regung zu erkennen. Doch seine Miene war so glatt und ausdruckslos wie immer. „Ich bedaure, aber ich weiß genauso wenig wie Sie", antwortete er und erwiderte meinen Blick ebenso geradeheraus wie ich es tat. „Wenn Sie es wüssten, würden Sie es mir dann sagen?", fragte ich und mein Tonfall verriet, dass ich die Antwort bereits kannte. „Vermutlich nicht", erwiderte Jack. Ich stieß ein schnaubendes Lachen aus. „Dann haben Sie sich also auf diese Reise eingelassen ohne überhaupt zu wissen, warum?", fragte ich ungläubig, worauf er nur die Schultern zuckte. „Es ist nicht mein Job, Fragen zu stellen", sagte er schlicht und wir beide wandten den Blick wieder voneinander ab. In diesem Moment kam ein heftiger Windstoß, der die Balkontür mit einem lauten Krachen zufallen ließ. Ich schrak heftig zusammen und Jack ließ sofort seine Zigarette fallen, um sich mit abwehrender Haltung gegen jedwede Angreifer zu wappnen. Als der Schreckmoment vorbei war, entspannten wir uns wieder und mussten über unsere eigenen Reaktionen sogar ein wenig lachen.
„Ich denke ich versuche ein noch ein wenig zu schlafen", sagte ich und wandte mich zum Gehen, als sich der Ausdruck auf Jacks Gesicht plötzlich veränderte. Er wirkte wachsam. „Warten Sie", sagte er leise, nahm mein Handgelenk und zog mich zurück. Ich war verwirrt, doch als Jack sich nun an die die Tür stellte und vorsichtig in mein Zimmer hineinsah, spitzte auch ich meine Ohren und dann hörte ich es. Die leisen Schritte von mehreren Personen, die durch das Zimmer schlichen. Ihre Schatten, die durch das einfallende Mondlicht entstanden, waren auf dem Boden zu sehen.
Plötzlich drehte Jack sich von der Glastür weg und drückte mich mit seinem Körper an die Wand daneben. Ich war davon so überrascht, dass mir beinahe ein kleiner Aufschrei entfahren wäre, hätte mein Leibwächter mir nicht mit einer Hand den Mund zugehalten, sodass er nur noch sehr gedämpft zu hören war. „Da sind zwei Männer mit Waffen im Zimmer", zischte er so leise, dass ich eigentlich nur an seinen Lippen ablesen konnte, was er gerade gesagt hatte. Seine Worte versetzten mich in einen Zustand der blanken Panik. Mein Kopf füllte sich mit Nebel und so stand ich einfach nur an die Mauer gepresst da und wartete bis Jack mir irgendein Zeichen für das geben würde, was wir als Nächstes tun sollten.
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A Girl Made Of Ivory
RomanceLos Angeles, 1956: Kathleen Edwards ist die Tochter eines millionenschweren Waffenproduzenten. Am Abend ihres achtzehnten Geburtstages hört sie mit, wie ihr Vater sich mit zwei ihr unbekannten Männern streitet. Schon am nächsten Morgen schicken ihre...