Jack erzählte Linus alles, von unserer Flucht aus dem Strandhotel bis zu unserer Entführung in die alte Fabrikhalle und letztlich von seiner Vermutung, dass die Kolesnikows mich eigentlich gar nicht umbringen wollten, sondern Informationen von mir brauchten. „Das einzige was wir über sie bisher herausgefunden haben ist, dass sie Waffenhändler sind, unglaublich einflussreich und Kathleens Vater ihnen irgendeine Lieferung verweigert, die sie offenbar um jeden Preis haben wollen", schloss Jack und sah zu Linus, der sich nachdenklich am Kinn kratzte. „Ihr steckt sowas von in der Scheiße", murmelte er, dann rieb er sich die Augen und setzte sich aufrechter hin. Er wandte sich an mich. „Wer ist dein Vater, Kathleen?"
Ich hatte nicht erwartet, dass das meine Person so schnell gefragt war, also brauchte ich einen Moment, bis ich antwortete. „Naja, mein Vater heißt Geoffrey Edwards, er hat die Waffenfirma seines Onkels übernommen und während des Krieges für die Regierung gearbeitet, damit sein Unternehmen nicht verstaatlicht wird. Das ist alles, was ich weiß. Er hat Mom und mich immer aus seinen Geschäften herausgehalten. Allerdings habe ich mich auch nie sonderlich dafür interessiert", sagte ich und bereits während ich sprach, wurde mir klar wie armselig das klang. Ich war tatsächlich nichts anderes als die verwöhnte kleine Göre eines reichen Mannes, die sich für nichts außer ihrem Aussehen interessierte. Linus aber schienen meine Worte kaum zu kümmern.
„Geoffrey Edwards, das hätte ich mir ja denken können", schnaubte er. Verwirrt sah ich ihn an. „Was willst du damit sagen?" Linus musterte mich belustigt. „Kindchen, dein lieber Vater ist der größte Waffenproduzent an der Westküste und nicht gerade unbekannt. Dass eine Familie wie die Kolesnikows ihre Waffen von einem wie ihm bezieht ist kein Wunder." Ich war vollkommen sprachlos. Mir war immer klar gewesen, dass Dad ein großes Tier war, aber nicht, dass seine Geschäfte auch Clans wie die Kolesnikows auf den Plan riefen.
„Und was sollen wir deiner Meinung jetzt tun?", fragte Jack stirnrunzelnd. „Euch bedeckt halten und so gut verstecken wie möglich", erwiderte Linus sachlich. „Was Nikolaj Kolesnikow will, das bekommt er auch und ich bezweifle, dass sie sonderlich viele Informationen von dir brauchen, viel eher glaube ich, dass sie dich als Druckmittel gegen deinen Vater benutzten wollen." Seine Worte klangen einleuchtend, aber sie jagten mir auch eine ungeheure Angst ein. Was war, wenn sie mich schnappten und dann feststellten, dass ich als Druckmittel nichts taugte? Aber würde mein Vater mir das wirklich antun? Würde er mich wirklich sterben lassen, nur um diese ominöse Lieferung an die Kolesnikows nicht machen zu müssen? Ich wusste ja noch nicht einmal, warum er nicht liefern wollte.
„Kat?", Jack berührte sanft am Arm. „Ist alles in Ordnung?" Ungläubig sah ich ihn an. „Wie soll alles in Ordnung sein, wenn ich von Kriminellen gejagt werde, die mich dazu benutzen wollen, meinem Vater Ware abzupressen, die er sich weigert ihnen zu geben?", zischte ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Entschuldigend hob er die Hände. Mich überkam ein schlechtes Gewissen. Er sollte meine schlechte Laune, die einfach nur von purer Angst geprägt war, natürlich nicht abbekommen, aber ich konnte nicht anders. Linus sah amüsiert zwischen uns hin und her.
„Ihr solltet so schnell wie möglich aus der Stadt verschwinden", meinte er dann und schob sein Schnapsglas zwischen seinen Fingern hin und her. „Aber ist es nicht besser sich dort zu unterzutauchen, wo viele Menschen sind?", fragte Jack verwirrt. „Dort sucht man nicht so schnell, wie dort wo es abgelegen ist." Linus legte den Kopf schief und seine hellen Augen sprühten förmlich vor Amüsement. „Ich kann verstehen, was du meinst, aber du solltest auch bedenken, dass dort wo viele Menschen sind, auch mehr geredet wird", erklärte er, doch als er unsere noch immer verwirrten Gesichter sah, seufzte er. „Kolesnikow hat seine Spitzel bestimmt überall und in einer belebten Stadt ist die Wahrscheinlichkeit, dass euch jemand sieht, der diese Information liebend gerne verkauft, verdammt groß. Wir können davon ausgehen, dass Kolesnikow, jedem den er kennt Geld angeboten hat, um Informationen über euch zu bekommen." Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, dass Jack sich über den Hinterkopf strich, wie er es immer tat, wenn er nervös war oder kurz davor etwas, beziehungsweise jemanden, kaputt zu machen.
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A Girl Made Of Ivory
RomanceLos Angeles, 1956: Kathleen Edwards ist die Tochter eines millionenschweren Waffenproduzenten. Am Abend ihres achtzehnten Geburtstages hört sie mit, wie ihr Vater sich mit zwei ihr unbekannten Männern streitet. Schon am nächsten Morgen schicken ihre...