Ich war wie erstarrt. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Mischa, der Mann, dem ich zweimal die Nase gebrochen hatte und der mich beinahe erwürgt hatte, stand hier mitten in unserer Hütte. Unserem Unterschlupf. Unserem sicherenUnterschlupf. Ich war von Mischas Anblick, wie er da mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und zertrümmerter Nase vor uns stand so eingenommen, dass ich erst auf den zweiten Blick registrierte, dass Mischa nicht allein war. In der Tür zu unserer Nasszelle, stand ein weiterer Mann. Er trug einen Hut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte und verschmolz beinahe mit den Schatten, so still stand er da.
Auch Jack schien vollkommen geschockt zu sein. Am liebsten hätte ich ihn geschüttelt. Ihn gefragt was wir nun tun sollten, doch ich konnte mich nicht rühren.
„Wie habt ihr uns gefunden?", fragte Jack und ich konnte nicht anders als ihn ungläubig anzusehen. Es war doch nicht wichtig wie sie uns gefunden hatten, es war wichtig wie wir von hier verschwinden konnten. Aber Jacks Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Er taxierte Mischa, der lässig zu dem kleinen Tisch in der Ecke schlenderte und sich einen Stuhl heranzog. „Das ist eine gute Frage", sagte er und setzte sich. „Ich finde es übrigens überhaupt nicht lustig, dass ihr euch so vor uns versteckt habt. Charles und ich hier mussten Tage lang nach euch suchen, bis uns endlich ein Typ namens Linus die entscheidenden Informationen geliefert hat." Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er hatte uns gewarnt. Linus hatte uns gewarnt ihm nicht zu vertrauen. Aber jetzt war nicht die Zeit über derartiges nachzudenken.
Ganz langsam versuchte ich mich in Richtung Tür zu bewegen, wenn ich nur schnell genug war, konnte ich die Tür vielleicht aufstoßen, wir könnten hinausrennen, die Tür verriegeln und losrennen. Das hatte auch damals im Hotel geklappt, warum sollte es jetzt also nicht klappen? Bevor ich allerdings mit meiner Hand auch nur in die Nähe des Türknaufs kommen konnte, schlossen sich Jacks Finger wie ein Schraubstock um mein Handgelenk. Vermutlich hatte er mal wieder meine Gedanken gelesen und ich hoffte inständig, dass er einen anderen Plan verfolgte und meinen deswegen vereitelt hatte. Allerdings war mir nicht im Geringsten klar, welchen anderen Weg es noch geben sollte von hier zu verschwinden.
Mischa, der gesehen haben musste, wie Jack nach meiner Hand griff, schnalzte verärgert mit der Zunge. „Ich hatte so gehofft, dass wir das ganze hier erledigen könnten, ohne dass es unangenehm wird, doch da ihr beide so unruhig seid, lässt sich das wohl nicht vermeiden", seufzte er, stand auf und zog eine Pistole aus seiner Jacke. Ich konnte es nicht vermeiden zusammenzuzucken und ich spürte, dass Jack sich ein wenig vor mich schob, so wie er es bereits damals in der alten Fabrik getan hatte.
„Du, Kleine gehst nun zu dem guten Charles hinüber und Jack, du setzt dich auf diesen Stuhl hier", sagte er freundlich, als würde er uns zu einer Teegesellschaft einladen und stand auf, damit Jack sich auf den Stuhl setzen konnte.
Ich wollte mich nicht bewegen, doch Jack löste sich von mir und gab mir mit einem leichten Nicken zu verstehen, dass wir Mischas Anweisungen Folge leisten sollten. Zitternd ging ich zu dem stillen Charles hinüber, der inzwischen ebenfalls seine Waffe gezückt hatte. Sobald ich ihn erreicht hatte, packte er mich mit seinem Arm in einen Würgegriff und hielt mir den Lauf der Pistole an die Schläfe. Mir entfuhr ein kleiner Schrei, ich wusste allerdings nicht ob vor Überraschung oder Angst.
Mischa entlockte meine Reaktion ein leichtes Lachen, als er Jack zu dem Stuhl führte und ihn daran festband. Von meinem Platz aus konnte ich nicht anders als direkt auf meinen Leibwächter zu sehen, der noch immer vollkommen ausdruckslos vor sich hinstarrte. Ich wünschte ich hätte so wenig Mimik zeigen können, doch ich stand da mit vor Angst verzerrtem Gesicht und war mir der Waffe an meinem Kopf überdeutlich bewusst. Es war als würde sich das kalte Metall wie Säure in meine Haut fressen, doch ich wagte es nicht mich zu bewegen aus lauter Angst, dass Charles den Abzug betätigte.
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A Girl Made Of Ivory
RomanceLos Angeles, 1956: Kathleen Edwards ist die Tochter eines millionenschweren Waffenproduzenten. Am Abend ihres achtzehnten Geburtstages hört sie mit, wie ihr Vater sich mit zwei ihr unbekannten Männern streitet. Schon am nächsten Morgen schicken ihre...