Epilog

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1 Jahr später

„Ich glaube ich muss brechen", sagte ich und presste nervös die Hand auf meinen Bauch. „Ich will doch sehr hoffen, dass das an der Aufregung liegt und nicht etwa daran, dass du schwanger bist", zwitscherte meine Mutter und zupfte an meinem Schleier herum. „Wo denken Sie hin, Mrs. Edwards!", rief Patricia aus, die zusammen mit Sylvia hereingekommen war. Sie beide trugen lange blassblaue Kleider, aus fließendem Stoff, die wunderbar zu meinem Brautstrauß passten. „Eine Dame wie Kathleen würde doch niemals mit einem Mann das Bett teilen, bevor sie nicht mit ihm verheiratet ist." Ich meinte leichten Sarkasmus in ihrer Stimme zu hören, doch entweder hatte meine Mutter den überhört oder sich entschieden es zu ignorieren. Denn sie hörte endlich auf an meinem Kleid und Schleier herum zu zupfen und nahm stattdessen meine Hände in ihre. „Ich bin so stolz auf dich, Liebes. Du wirst eine wunderbare Ehefrau sein." Ihr traten Tränen in die Augen und sie seufzte. „Ich weiß nicht, ob es der schönste oder schrecklichste Tag im Leben einer Mutter ist, wenn man sein Kind in die Welt entlässt. In jedem Fall ist es der furchteinflößenste." Jetzt traten auch mir, Tränen in die Augen und ich streckte die Hände aus, um meine Mutter zu umarmen, doch da schob sich Sylvia zwischen uns. „Oh nein, als deine erste Brautjungfer werde ich nicht zulassen, dass dein Kleid zerknittert", sagte sie mit ungewöhnlich strenger Stimme und deutete mit dem Zeigefinger auf mich. „Ich verbiete dir sentimental zu werden, bevor die Bilder gemacht wurden." Ich wollte gerade protestieren, als die Tür aufging und der Kopf meines Vaters hereinsah. „Seid ihr endlich fertig?", fragte er. „Die Gäste warten schon." Ich atmete zitternd ein, dann raffte ich die ausladenden Röcke meines Brautkleides und verließ mit meiner Mutter und meinen beiden besten Freundinnen das Zimmer. Dann wurde noch einmal an mir herumgezupft und alles überprüft, bevor ich mich bei meinem Vater unterhaken durfte.

Kurz bevor die Türen aufgingen, sah ich noch einmal zu ihm hinüber. „Es wird alles gut werden, oder?", fragte ich leise. „Aber natürlich, mein Liebling", antwortete er und lächelte mich auf eine Weise an, wie nur Väter es können.

Und da gingen auch schon die großen Türen auf und gewährten uns einen Blick auf die Gäste, die links und rechts des Mittelganges in den Kirchenbänken standen und uns alle ansahen. Mit Knien, die so weich waren wie Butter schritten wir, begleitet vom Hochzeitsmarsch, los. Wir kamen nur langsam voran, weil mein Vater seit seiner Schussverletzung einen Gehstock benutzen musste, aber mir war das recht.

Ich lächelte allen zu an denen wir vorbeikamen. Meine Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins, saßen zusammen mit unseren Freunden und Geschäftspartnern meines Vaters auf der linken Seite. Sie alle strahlten mir entgegen. Auch Jacks Familie und Freunde, lächelten Dad und mir zu. In den vordersten Reihen saß Warren neben Jacks Schwester Nancy, und seinem Schwiegersohn, der die kleine Violet auf dem Schoß hatte. Mein Blick glitt über all diese Leute und dann schließlich nach vorne zum Altar, wo Jack und sein Trauzeuge Victor standen und mir entgegenstrahlten.

In diesem Moment hätte ich mich am liebsten von Dad losgerissen und wäre nach vorne zu Jack gerannt, um endlich mein neues Leben mit ihm zu beginnen, doch ich blieb vernünftig und ließ mich in gemessenem Tempo von meinem Vater nach vorne führen. Dort legte Dad meine Hand in die von Jack und gab mir einen Kuss auf die Wange. Als er sich abgewandt und hinunter zu meiner Mutter in die erste Reihe gegangen war, raunte Jack mir zu: „Du siehst wunderschön aus, Kat." Meine Wangen wurden warm bei diesem Kompliment. „Ich mag den Anzug an dir", gab ich zurück. „Den kannst du gerne öfter tragen." Jack schmunzelte. „Was immer du mir sagst, zukünftige Mrs. Archer", antwortete er.

A Girl Made Of IvoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt