Kapitel 8

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Als wir schließlich den Heimweg antraten bewegte ich meine Füße noch immer im Takt der Musik. „Ich nehme an, es hat dir gefallen?", fragte Jack belustigt. „Gefallen? Es war unglaublich!", rief ich begeistert und schlug mir sofort die Hand auf den Mund. Es gehörte sich nicht für eine Dame so laut zu sprechen. Prompt blieb Jack stehen und löste meine Finger aus meinem Gesicht. Es war egal, dass wir uns gerade beim Tanzen bereits so nah gewesen waren, jedes Mal, wenn er mich auf diese sanfte Weise berührte und mir direkt in die Augen sah, durchfuhr mich dieses sanfte Schaudern, dass nur er auslösen konnte. „Es kümmert niemanden, wie laut du redest", sagte er leise und eindringlich. „Glaube mir, gesellschaftliche Konventionen sind nicht so wichtig wie du denkst." Ich verstand im ersten Moment nicht, was er mir damit sagen wollte, doch da wandte er sich auch schon wieder ab. Ich schluckte kurz und suchte nach einem neuen Gesprächsthema.

„Wie bist du denn zum Rock'n'Roll gekommen?", fragte ich so neutral wie möglich. Jack schob die Hände in die Hosentaschen und sah nach vorne. „Als ich jünger war, habe ich nicht gerade kluge Entscheidungen getroffen und irgendwann konnte ich in manche Bars nicht mehr gehen, also musste ich auf diejenigen ausweichen in denen getanzt wurde", antwortete er knapp. „Wieso konntest du in manche Bars nicht mehr gehen?", hakte ich verwirrt nach. „Weil ich mich dort nach dem Genuss von zu viel Alkohol mit Männern geprügelt habe, die danach ärztlich behandelt werden mussten." Ich konnte seiner Stimme anhören, dass er die Worte bewusst gewählt hatte um nicht zu grob zu klingen. Die Worte drangen langsam zu mir durch und ebenso schnell wurde mir ihre Bedeutung bewusst. Jack hatte Leute gewalttätig verletzt. Das passte überhaupt nicht zu dem Bild, dass ich mir in den letzten Tagen von ihm gemacht hatte. Er war immer so kontrolliert, pflichtbewusst, aufmerksam...

Scheu sah ich zu ihm und merkte, dass er wieder diesen glatten, unnahbaren Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Vermutlich hatte er bereits mehr gesagt, als er wollte.

Plötzlich war es mir als würde ich eine Bewegung an einem der Hauseingänge auf der anderen Straßenseite sehen. Sofort rückte ich näher an Jack heran, während ich innerlich über mich selbst den Kopf schüttelte. Das war vermutlich einfach nur einer der Bewohner gewesen. Und trotzdem begann ich mich unwohl zu fühlen und bemerkte, dass wir die einzigen auf dieser Straße waren. Wenn uns jetzt jemand angriff und tötete, würde es niemand mitbekommen. Ich begann zu frösteln und mein Rücken fühlte sich so seltsam ungeschützt an. Vielleicht stand bereits jemand hinter mir und zielte mit einer Waffe auf mich. Ich drehte mich um, doch die Straße war leer. Wieder war da dieser Schatten, jetzt hinter einem der Autos. Reflexartig beschleunigte ich meine Schritte. „Was ist los?", fragte Jack überrascht und setzte mir mit großen Schritten hinterher. Offenbar schien er den Schatten nicht bemerkt zu haben. „Ich weiß es nicht genau", sagte ich wage und zog meinen Mantel fester um mich. „Irgendwie habe ich gerade ein ungutes Gefühl." Ich wagte es nicht ihm von dem Schatten zu erzählen. Vielleicht bildete ich ihn nur ein. „Wir sollten einfach so schnell wie möglich in das Motel zurück", murmelte ich und beschleunigte meine Schritte noch einmal.

* * *

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal froh darüber sein würde in die vier Wände dieses alten, muffigen Motelzimmers zurückzukehren, aber ich war erleichtert, als wir durch die Tür traten. Doch dann viel mein Blick auf das Bett und damit verbundene Problem, dass wir bisher so gekonnt ignoriert hatten. „Bei allen Qualitäten die du als Gentleman aufbringen kannst, ich werde dich auf keinen Fall auf dem Boden schlafen lassen", sagte ich bestimmt und sah Jack herausfordernd an, als wollte ich einen Widerspruch provozieren. „Ich sehe allerdings keine andere Möglichkeit und ich bezweifle doch sehr, dass eine Dame wie du es bist, sich das Bett mit einem Mann teilen wird, mit dem sie nicht verheiratet ist", erwiderte er und schlenderte weiter in den Raum hinein. Da hatte er Recht. Fieberhaft dachte ich über eine Lösung nach und kaute dabei auf meiner Unterlippe herum, eine Angewohnheit, die meine Mutter stets mit missbilligenden Lauten kommentiert hatte. Dann fiel mein Blick plötzlich auf die Kissen und ich stieß einen Triumphschrei aus. „Wir werden eine Wand aus Kissen zwischen uns bauen", erklärte ich und reckte, stolz über meinen Einfall, mein Kinn in die Höhe. Jack sah mich einen Moment ungläubig an, doch dann nickte er. „Dann lass es uns so machen."

A Girl Made Of IvoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt