Kapitel 9

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Ich hatte Angst. So viel Angst wie noch nie in meinem Leben. Ich saß auf der Rückbank, den Schnauzer neben mir, während ein weiterer Mann hinter dem Steuer saß. Immer wieder versuchte ich über eine Möglichkeit nachzudenken, wie ich entkommen konnte, doch mir wollte einfach nichts einfallen. Zumal jede Möglichkeit damit endete, dass ich aus einem fahrenden Auto würde springen müssen und bei der Geschwindigkeit, die wir inzwischen angenommen hatten, konnten ich mich ebenso erschießen lassen. Außerdem war das Problem ja nicht damit gelöst, dass ich nur mich selbst befreite, denn diese Typen hatten immer noch Jack. Obwohl er vermutlich eher in der Lage war sich selbst vor dem Tod zu retten als ich. Außer sie hatten ihm etwas angetan. Was wenn sie ihm etwas angetan hatten? Ich wagte einen Blick zu dem Mann neben mir und bekämpfte die Übelkeit, die mich bei dem Gedanken an Jack überkam.

Der Schnauzer bemerkte mein Starren. „Ich denke es wird Zeit für deine Kopfbedeckung", sagte er. „Wir wollen doch nicht, dass unsere Kleine hier weiß wohin es geht. Sonst bleibt die Überraschung aus." Und bevor ich darüber nachdenken konnte, was er damit meinte, stülpte er mir bereits einen Leinensack über den Kopf.

Es war die pure Hölle nichts sehen zu können, und es verstärkte diese dunkle, zehrende Angst in mir nur. Ich war noch hilfloser als zuvor, wenn das denn möglich war. Verzweifelt versuchte ich unter dem Stoff etwas zu sehen, doch da waren nur Schatten, die an mir vorbeizogen. Mein Puls dröhnte in meinen Ohren und durch die Leinen drang nur schwer die Luft. Jedes Mal, wenn ich einatmete legte sich der Stoff über meinen Mund, schon ganz feucht von meinem eigenen Atem. Das Dröhnen in meinen Ohren wurde immer lauter. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich wusste verdammt noch mal nicht was ich tun sollte. Mein Atem ging immer schneller.

Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und riss mir den Leinensack vom Kopf. Obwohl das Licht mich blendete, wandte ich mich zur Tür und versuchte sie zu öffnen. Es war mir egal ob ich mit voller Wucht auf dem Asphalt landen würde, ich musste hier raus. Doch ich kam nicht dazu die Tür zu öffnen, weil mich der Schnauzer von hinten packte und zurückzog. „Ganz ruhig, Kleine", zischte er in mein Ohr, doch ich dachte nicht daran ruhig zu werden, sondern wehrte mich so heftig ich konnte gegen seinen Griff. Aber das brachte mir nichts, sondern sorgte nur dafür, dass er mich noch stärker festhielt. Es tat weh, aber ich war noch nicht bereit aufzugeben. Frustriert stöhnte ich auf und versuchte mich auf das zu besinnen, was Jack mir noch an diesem Morgen beigebracht hatte.

Ich stieß also mit meinem Kopf kräftig nach hinten. Offensichtlich hatte der Schnauzer nicht mit solch einer Attacke meinerseits gerechnet und ich traf ihn heftig an der Nase, was den dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf, der durch den Stoß entstanden war, erträglich machte. Begleitet von einem Schmerzensschrei löste er seinen Griff ein wenig und ich nutze diese Gelegenheit mich auf den Fahrer zu stürzen.

Die Augen, Kathleen. Jacks Worte hallten in meinem Kopf wieder und ohne groß darüber nachzudenken, bohrte ich dem Fahrer meine Fingernägel in die Augen. Der Mann schrie noch viel schmerzerfüllter als der andere und verlor beinahe die Kontrolle über das Lenkrad. Wir begannen Schlangenlinien zu fahren und Autos auf der Gegenfahrbahn hupten verärgert. Doch ich achtete nicht darauf sondern vergrub meine Fingernägel noch mehr in seinen Augäpfeln. Wieder schrie er auf und wir machten einen großen Schlenker, der für einen Moment das pure Adrenalin aus meinen Adern vertrieb und Angst Platz machte. Was brachte mein waghalsiger Fluchtversuch, wenn wir einen tödlichen Unfall bauten? Bevor ich allerdings über eine Änderung meines Plans nachdenken konnte, wurde ich bereits wieder von hinten gepackt und zurückgerissen. Der Schnauzer schien sich herholt zu haben und schlang einen Arm um meinen Hals, womit er mir die Luft abschnürte. Panisch versuchte ich mit meinen blutigen Fingern seinen Würgegriff um meinen Hals zu lösen, doch das klappte nicht. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und ich schlug und kratzte immer heftiger, doch den Schnauzer schien das nicht zu kümmern, stattdessen presste er zwei Finger gegen einen Punkt an meinem Hals, knapp unterhalb meines Haaransatzes. Die Welt begann zu verschwimmen und ich versuchte Luft zu holen, obwohl es wehtat. „Ganz ruhig, Kleine", wiederholte er boshaft seine vorangegangenen Worte, alles wurde schwarz und ich glitt davon.

A Girl Made Of IvoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt