Kapitel 13

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Während ich mich wusch, war ich furchtbar nervös. Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass Jack irgendetwas passieren würde, bis ich mich schließlich selbst dazu ermahnte, mich zusammenzureißen. Es brachte niemandem etwas, wenn ich jetzt die Nerven verlor, deswegen konzentrierte ich mich stattdessen auf mein Kleid. Ich hatte es jetzt schon eine ganze Weile angehabt und der ehemals hellblaue Stoff hatte einige Flecken bekommen. Außerdem roch es unangenehm. Ich gab mein bestes um die größten Flecken mit einem Stück Handseife und Wasser zu entfernen und schrubbte dabei so fest, dass meine Knöchel ganz weiß wurden.

Letztlich gelang es mir sogar, das Kleid wieder ansehnlich zu machen und nachdem es einigermaßen getrocknet war, drehte ich meine feuchten Haare im Nacken zusammen, bevor ich damit begann unruhig im Zimmer hin und her zu laufen.

Die Zeit vergeht erwiesenermaßen langsamer, wenn man will, dass sie besonders schnell vorübergeht. Während ich so umhertigerte malte ich mir im Geiste jede mögliche Situation aus, in der Jack entführt, gefoltert oder ermordet wurde und wurde dabei schier verrückt. Ich hatte ihm erst vorherige Nacht erklärt, dass wir als Team zusammenarbeiten mussten und Alleingänge waren für diese Strategie nicht gerade hilfreich.

* * *

Nach gefühlten Stunden ging endlich die Tür auf und ein vollkommen unversehrter Jack trat durch die Tür, Sandwiches in der Hand. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen, doch ich traute es mich nicht.

„Wo warst du so lange?", fragte ich stattdessen und setzte mich aufs Bett. Beinahe belustigt sah Jack mich an und runzelte die Stirn. „Ich habe mich ziemlich beeilt und kann nicht länger als eine Stunde gebraucht haben. Leider gibt es hier in der unmittelbaren Nähe keinen vernünftigen Laden, der Lebensmittel verkauft", erwiderte er und warf mir ein Sandwich zu, bevor er sich zu mir aufs Bett setzte, denn andere Sitzmöglichkeiten gab es in diesem Zimmer nicht.

„Dir hätte alles Mögliche passieren können", setzte ich hinzu, obwohl mir meine Sorge um ihn peinlich war. Vermutlich hielt er mich sonst noch umso mehr für ein kleines, anhängliches Mädchen, dass nicht wusste wie es ohne ihn überleben sollte. Das kannst du ja auch nicht, sagte eine boshafte Stimme in meinem Inneren, doch ich verdrängte sie mit aller Macht.

„Keine Sorge", sagte Jack und lehnte sich wieder an die Wand, wie er es auch letzte Nacht getan hatte. „Ich kenne mich in Sacramento aus, es wird hier nichts passieren." Überrascht drehte ich mich zu ihm und sah ihn an. „Warum kennst du dich hier aus?", fragte ich und biss in mein Sandwich, was mir beinahe ein Stöhnen entlockt hätte. Es schien mir als hätte ich nie etwas Besseres gekostet.

Jack schien einen Moment abzuwiegen, was er mir erzählen wollte und was nicht. „Ich bin hier aufgewachsen", begann er und aß ebenfalls etwas von seinem Sandwich. „Vorher hat meine Familie in Seattle gewohnt, doch nach dem Tod meiner Mutter, hat mein Vater es dort nicht mehr ausgehalten und wir sind umgezogen." Er sagte das vollkommen neutral, sah mich aber nicht an. Betroffenheit machte sich in mir breit. Also hatte er bereits zwei Personen in seinem Leben verloren, die ihm nahegestanden hatten. Mutter und Bruder. „Das tut mir leid", sagte ich leise und Jack antwortete mit einem leichten Nicken. Vermutlich hatte er diese Phrase bereits dutzende Male gehört. „Wie alt warst du denn, als sie ... sie gestorben ist?", fragte ich vorsichtig, darauf gefasst, dass er sich jeden Moment aus dem Gespräch zurückzog und vor mir verschloss. Verdammt, normalerweise verstand ich mich so gut auf Small Talk, aber da behandelte ich auch wesentlich einfachere, oberflächliche Themen. Hier befand ich mich auf vollkommen neuem, unsicherem Gebiet.

„Sie ist bei meiner Geburt gestorben." Jack sah endlich auf und ein bitteres Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Ich spürte wie ich meine Augen aufriss und versuchte sofort meine Reaktion zu verbergen. Das war ihm bestimmt unangenehm. „Scheiße", war das Erste, was mir auf seine Worte einfiel. Sobald ich es ausgesprochen hatte, wollte ich mir die Hand vor den Mund schlagen, weil ich einen solchen Kraftausdruck benutzt hatte. Unwillkürlich fragte ich mich, wie meine Mutter reagieren würde, wenn sie so etwas aus meinem Mund hören würde. Vermutlich würde sie vollkommen entsetzt sein.

A Girl Made Of IvoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt