24_Tyrone

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Meine Gedanken wirbelten immer noch herum. Fragen über Fragen schwirrten in meinem Kopf und ich konnte keine davon beantworten. Nur, dass mein Herz aus welchem Grund auch immer sich nach Kai sehnte.
Ich beobachte wie sich Irritation in Kais Gesichtsausdruck abbildete und er wie erstarrt stehen blieb. Vermutlich schossen ihm gerade nicht weniger Fragen als mir durch den Kopf.
Er murmelte etwas vor sich hin, aber er war zu leise, als dass ich ihn hätte verstehen können. Ich beschloss abzuwarten, bis er seine Gedanken etwas klarer formulierte, während ich weiterhin nervös auf meiner Unterlippe herumkaute, welche immer noch von dem Kuss kribbelte. Der Geschmack von Kais Lippen lag immer noch auf diesen und alles in mir sehnte sich danach, dass ich diesen Geschmack erneut schmecken durfte. Was zum Teufel war nur mit mir los?
Ich durfte keine Gefühle für Kai haben. Ich durfte mich nicht zu ihm hingezogen fühlen. Er war mein bester Freund. Er war ein Junge. Das war doch einfach nur falsch, oder? Trotzdem tat ich es. Ich hatte Liebe noch nie so streng gesehen wie meine Mutter und was andere auslebten, war völlig okay für mich. Aber bei mir selbst? Ich hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, da ich mir immer zu 100 Prozent sicher war, dass ich hetero war. Aber was bedeutete das dann? War ich bisexuell? Stand ich auf Jungen und Mädchen? Ich war nahe daran einfach in Tränen auszubrechen, weil mir meine Gedanken zu viel wurden. Wie konnte ein einfacher Kuss mein Leben nur so auf den Kopf stellen.
Als irgendwann Kais Stimme erklang- er klang so verunsichert, wie ich ihn noch nie in meinem Leben erlebt hatte- blickte ich hoch und wieder direkt in seine Augen. Stand ich auf Jungs? Konnte es wirklich wahr sein? Mein Kopf schrie nein, aber mein Herz und mein Körper verstanden diese Sprache nicht und schrien in einer ganz eigenen Sprache.
"Nein...", sagte ich leise und schwieg einen Moment, ehe ich fortfuhr. "...Das hätte ich dir zumindest geantwortet, wenn du mich vor einem Jahr, einem Monat, einer Woche, einem Tag, einer Stunde oder sogar vor ein paar Minuten gefragt hättest. Ich hätte dir mit Bestimmtheit sagen können, dass ich ganz definitiv nur auf Mädchen stehe. Dass etwas anders komplett unmöglich ist..." Ich verstummte erneut und brauchte einen Moment um fortzufahren. Um die Wahrheit zu akzeptieren, welche mein Herz in voller Lautstärke schrie. "Aber jetzt kann ich deine Frage wohl nicht mehr mit Nein beantworten. Das alles ist so verwirrend für mich...aber das was ich gerade erlebt habe...es ist so viel stärker als alles, was ich je bei Selenes Küssen empfunden habe...Wie kann das sein? Wie kann ich Selene lieben, aber dennoch bei einem Kuss von dir so viel empfinden?" Nun stiegen tatsächlich Tränen in meine Augen. "Mein Leben war immer so klar definiert gewesen...ich wusste genau wer ich war und wo ich stand...aber jetzt weiß ich das nicht mehr. Wer bin ich noch? Wer bist du? Was ist das, was da zwischen uns ist? Habe ich mich schon immer so zu dir hingezogen gefühlt, ohne dass ich es je wirklich gemerkt habe, weil es nicht mehr als die eine Wahrheit in meinem Leben gab? Wie kann es sein, dass ich etwas für dich empfinde und das zuvor noch nie bemerkt habe?" Ich senkte meinen Blick.
"Kannst du es noch mal tun? Mich küssen? Vielleicht verstehe ich dann etwas besser, was da gerade mit meinem Herz los ist...", murmelte ich und meine Wangen röteten sich noch etwas mehr. Ich wusste nicht, was ich da sagte- der Alkohol spielte wohl durchaus auch mit. Wäre ich vernünftig gewesen, hätte ich all das wohl als kompletten Blödsinn abgetan. Ich stand auf Jungs? Unmöglich. Aber der Alkohol enthemmte mich und machte mich neugierig. Ich wollte die offenen Fragen in meinem Kopf beantworten können. Was war mit mir los? Wer war ich wirklich? Und wen liebte ich wirklich? Wer war Kai? Und was war das zwischen uns?

Heaven in HidingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt