Die Schreie waren laut und grauenvoll. Sie brachen sich an den Wänden der unterirdischen Gänge und waren bis in die oberen Stockwerke zu hören. Runya erschrak zutiefst und verhielt mitten in der Bewegung. Was war das? WER war das?
Die beiden Dienerinnen, die man ihr zugewiesen hatte, reagierten seltsamerweise überhaupt nicht auf die fürchterlichen Laute. Sie fuhren fort, ihr Zimmer herzurichten, als wäre nichts geschehen. Runya erschauerte. Doch sie wagte nicht, zu fragen, aus Angst, etwas falsch zu machen.
Endlich ebbten die Schreie ab. Allerdings war sich die junge Vanin nicht sicher, ob es nicht einfach deshalb so war, weil derjenige, der sie ausgestossen hatte, inzwischen gar nicht mehr schreien konnte. Zitternd lauschte sie in die Stille hinein... Nichts.
Die plötzliche Ruhe war fast noch beängstigender. Als eine der Dienerinnen sie ansprach, zuckte Runya daher richtiggehend zusammen. «Wäre das dann alles, Herrin?»
Die junge Frau nickte benommen. «Ja, danke, ihr beide könnt gehen.»
Rückwärts bewegten sich die Frauen von ihr fort und drehten sich erst um, als sie die Tür erreicht hatten. Mit einem leisen Seufzer liess sich Runya aufs Bett fallen.
Asgard war ihr so fremd! Jetzt noch mehr als ohnehin schon... Sie sehnte sich nach ihrer Heimat zurück, nach dem einfachen Leben, das sie gekannt hatte.
Denn auch wenn sie eine Prinzessin war, so war das Leben in Vanaheim doch auch für sie sehr schlicht gewesen. Ihre Familie bewohnte zwar ein Gebäude, das als 'Palast' bezeichnet wurde, aber im Vergleich mit dem Prachtbau in Asgard war es nichts weiter als eine schlichte Hütte. Die junge Frau sah an sich herunter: auch ihre Kleidung war – nett ausgedrückt – viel zu gewöhnlich, verglichen mit Asgardianischen Standards sogar beinahe schäbig.
Aber egal, wie einfach sie und ihr Volk sein mochten: sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand aus Vanaheim nicht im mindesten auf solch fürchterliche Schreie wie die von eben reagieren würde! Auch der niedrigste Diener würde wenigstens irgendwelche Emotionen zeigen. Aber hier... Sie erschauerte.
Und nun sollte sie den erstgeborenen Prinzen aus einem solch kalten Volk heiraten?
Der Gedanke sorgte dafür, dass sie sich noch elender fühlte.
Zwei Stunden später erschien ein Sklave an der Tür und bat sie, ihn zu begleiten. Ein Sklave... Noch so etwas, das Runya zittern machte. In Vanaheim gab es keine Sklaven. Die Bediensteten dort waren allesamt freie Menschen und konnten gehen, wann und wohin sie wollten. Aber hier, in Asgard, dem technisch am fortschrittlichsten Reich aller neun Welten, gab es noch Sklaven.
Auch wenn es meist Verbrecher waren, die man zur Strafe zu einem solch elenden Dasein verurteilt hatte...
Während sie dem Mann durch das Gewirr der Gänge im Palast folgte, beäugte ihn Runya immer wieder von der Seite und fragte sich, was er wohl ausgefressen hatte, um in dieser Stellung gelandet zu sein. Er war kleingewachsen und bärtig, sah fast grob aus – nur seine Augen wirkten lebhaft. Aber das täuschte gewiss. Ein Sklave konnte kaum zufrieden sein.
Er dienerte übertrieben und versuchte, sie durch viele Worte und ausschweifende Komplimente zu unterhalten. Nach und nach begriff Runya: der Mann versuchte, sich bei ihr einzuschmeicheln. Ihr Mitgefühl wich einem Hauch von Ekel, und sie versuchte, ihm durch möglichst knappe Antworten zu verstehen zu geben, dass er an die Falsche geraten war.
Endlich standen sie vor dem grossen Thronsaal, und der Sklave überliess sie der Eskorte zweier Einherjar. Laut wurde ihr Eintreffen angekündigt. Runyas Herz klopfte bis zum Hals, als die grossen, breiten Türen sich aufschwangen und den Blick in den prächtigen Saal freigaben.
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Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz
FanfictionDie junge Vanin Runya landet als zukünftige Braut des blonden Donnergottes in Asgard. Doch weitaus mehr als von Thor ist sie einem schwarzhaarigen, geheimnisvollen Sklaven fasziniert, der ihr als persönlicher Diener zugeteilt wird. Wer ist er? Und w...