Inferno

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Um ihn herum brach das Inferno los. Thor hatte in seinem langen Leben schon sehr viel gesehen, aber so etwas noch nie: das Gestein rings um ihn erwachte plötzlich zum Leben und formierte sich zu seltsam gestalteten, riesigen Körpern, die sich von den Wänden lösten und auf sie zumarschierten. Thor hätte nicht zu sagen vermocht, wem diese Kreaturen glichen, nur dass sie zum Hässlichsten gehörten, was ihm jemals unter die Augen gekommen war. Plumpe, schwarze Gesteinskolosse, die sich wie Mumien vorwärtsbewegten und die spitzen Klauen nach ihnen ausstreckten.

Ohne gross nachzudenken hob Thor den Hammer und schleuderte ihn gegen die fünf Kreaturen, die ihnen am nächsten waren. Einen Moment lang spürte er wilden Kampfgeist in sich aufsteigen, der jedoch sofort wieder versiegte, als Mjölnir wirkungslos von den Monstern abprallte und mit einem dumpfen Knall auf dem Boden landete.

Fast wie in Trance hob er die Hand, um Mjölnir wieder zu sich zu rufen. Er kam zwar sofort, doch Thor wusste nicht recht, was er ihm nützen konnte. Gegen diese Biester richtete er jedenfalls nicht viel aus.

Eysmas und Friggas Magie erging es nicht viel besser. Auch ihre Angriffe prallten von den Gesteinsmonstern wirkungslos ab. Das hinderte die beiden Frauen jedoch nicht daran, es unermüdlich weiter zu versuchen.

Genauso wie die Lokis, die um sie herum standen und in den Kampf eingriffen – und deren Magie immerhin eine winzige Wirkung erzielte. Keine besonders grosse zwar, aber es reichte immerhin, um die Wesen jeweils für einige Augenblicke ins Stocken zu bringen.

Kaum ein Funken Hoffnung jedoch. Thor spürte, wie seine Gedanken durcheinander wirbelten. Was sollte er nur tun? Wenn nicht einmal Mjölnir etwas ausrichten konnte, würden seine Fäuste kaum mehr bewirken.

Wo, zum Kuckuck, blieb der echte Loki?

Und, was sicher eine genauso gute Frage war: wo verbarg sich das Schwarze Element?


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Es war nicht besonders angenehm, aus dem Traum zu erwachen, in den Loki abgetaucht war. Er hatte sich auf einem kleinen, einsamen Planeten am Rande der Galaxis gewähnt, zusammen mit Runya. Sie waren den Strand des gelben Meeres entlang gelaufen, das diesen Planeten zu einem Grossteil beherrschte, und hatten von den seltsam riechenden, aber sehr wohlschmeckenden Früchten gegessen. Die Sonne, nur ein winzig kleiner, blasser Ball weit entfernt am Himmel, hatte genügend Wärme gespendet, um es ihnen zu erlauben, barfuss zu gehen und den feinen Sand unter den Zehen zu spüren, während sanfte Wellen ihre Füsse umspülten. Loki kannte diesen Planeten sehr gut: er war nur von Tieren besiedelt und nicht einmal davon gab es besonders viele. Eine nette, verborgene Welt, die Ruhe und Erholung bot wann immer man sie brauchte.

Umso unsanfter war das Erwachen. Eine Stimme – seine Stimme – hörte nicht auf, ihn zu rufen. Erst weit entfernt, schien sie immer näher zu kommen, drang immer lauter und eindringlicher an sein Ohr, bis Lokis Bewusstsein realisierte, dass sie nicht zu seinem Traum gehörte.

Er fuhr hoch und fand sich augenblicklich zurück in der Wirklichkeit. Zurück in dem dunklen, kalten Loch, dem er eine Weile entflohen war!

Sofort nahm er das Flimmen wahr, das den gesamten Raum ausfüllte und das er schon vorher gespürt hatte, ehe er das Bewusstsein verlor. Er sah zwar auch die Steinkreaturen, die sich ihrer Gruppe näherten, aber sie waren das kleinere Übel. Das wusste Loki instinktiv, noch bevor sein Verstand ihm klar machte, dass sein Instinkt ihn nicht trog. Denn diese Steinkolosse waren nur Geschöpfe des Schwarzen Elements und als solche nicht halb so gefährlich. Das Flimmern jedoch, das Flimmern war der wahre Feind.

Denn das Flimmern war das Schwarze Element.

Einen Moment lang musste Loki IHM Respekt zollen. ES hatte sich entmaterialisiert und die Kolosse erschaffen, nicht nur, um die Gruppe abzulenken (und vielleicht bereits dadurch unschädlich zu machen), sondern vor allem auch um Zeit für SEIN eigentliches Vorhaben zu gewinnen. Ein Vorhaben, an dem Loki ES unbedingt hindern musste.

Und zwar gleich. Wenn er nicht zulassen wollte, dass Asgard zerstört wurde, musst er etwas tun – jetzt!

Er schüttelte den letzten Rest von Benommenheit ab und sammelte seine gesamte Energie, konzertrierte sich auf eine andere Art von Magie, die er ebenfalls dem Buch entnommen hatte. Dem Buch, das noch immer zu seinen Füssen lag. Nach einem letzten Blick auf seine Projektionen, die anderen Lokis, war er für den Moment beruhigt und bereit, seine Gefährten allein zu lassen. Seine anderen Ichs konnten die Steinkolosse zwar nicht vernichten, aber dennoch lange genug aufhalten, um ihm die wenigen Sekunden zu verschaffen, die er brauchen würde. Die wenigen Sekunden zumindest, die hier vergehen würden. Die Zeit an dem Ort, den er gleich aufsuchen würde, lief allerdings ganz anders. Aber hier, hier würden bloss einige Augenblicke vergehen, ehe...

Ehe entweder das Schwarze Element oder Asgard vernichtet war.

Und langsam, ganz langsam verliess sein Geist den Körper und tauchte in die selbe Sphäre ein, in der sich das Schwarze Element befand.

Es war soweit: hier und jetzt würde sich der Kampf entscheiden.



Loki: the fallen Prince - der gefallene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt