Dem Zorn des Donnergottes ausgeliefert

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Thors laute Stimme hallte durch die vielen Räume im ersten Untergeschoss und war weithin zu hören. «Wo ist er?» schrie der Blonde immer wieder. «Wo ist diese Ratte?»

«Wer, euer Hoheit?» wagte irgendeine Küchenmagd schliesslich zu fragen. Loki, der den Rasenden genauso wie alle anderen hier deutlich gehört hatte, ahnte die Antwort, noch bevor er sie erhielt.

«Loki natürlich, wer sonst?» brüllte der Donnergott und machte mit der Lautstärke seiner Stimme seinem Namen alle Ehre. «Wo hat er sich versteckt, dieser elende Hund?»

Es war nicht so, dass Loki sich versteckt hielt – auch wenn er es spätestens in diesem Moment gerne getan hätte. Er erstarrte und er fragte sich düster, welche Laus dem Blonden jetzt wieder über die Leber gelaufen war, dass er in solcher Rage hier runterstürzte. Ein zynischer Gedanke... Aber Galgenhumor war ja schliesslich so ungefähr das einzige, das ihm noch geblieben war!

«Er ist da drüben, mein Herr.» gab die Küchenmagd mit einem boshaften Lächeln Auskunft. «Wischt grade den Boden.» Sie wies in die hinterste der grossen Küchen im Palast und verneigte sich tief dabei. Ihren schmeichlerischen Blick bekam der Donnergott jedoch nicht mehr mit. Er hatte sich schon umgedreht und war dabei, in den Raum zu stürzen, den die Frau ihm gezeigt hatte.

«Oh, oh, Loki, du solltest dir echt mal angewöhnen, deinen Bruder nicht immer so sauer zu machen.» raunte der Chefkoch mit leisem Entsetzen dem Schwarzhaarigen zu, als er den Kronprinzen hereinkommen sah. Er war einer der wenigen, die Loki halbwegs anständig behandelten – was vielleicht daran lag, dass er es als ehemaliger Sklave hier selbst nicht immer leicht gehabt hatte.

«Ich tu mein Bestes.» flüsterte Loki ironischer zurück, als ihm zumute war. «Doch wie man sehen kann, lässt der Erfolg eher auf sich warten.»

Der dicke Chefkoch wich sofort zurück, als Thor auf seinen Bruder zutrat und diesen am Arm packte. Ohne ein weiteres Wort schleifte er ihn aus dem Raum und durch die Gänge bis zur Treppe, die zu den Kellergewölben hinunterführte. Dort stoppte er einen Moment, um zwei Einherjar zu rufen, damit sie mitkommen sollten.

Loki brach der kalte Schweiss aus. Er wusste sofort, was das bedeutete. Mit zitternder Hand stützte er sich an der Mauer ab und versuchte, auf den Beinen zu bleiben. Nicht ganz einfach: diese fühlten sich an wie Gummi.

Fast war er dankbar, als Thor ihn wieder packte und nach unten zog. Im harten Griff des blonden Hünen brauchte er sich zumindest nicht aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten. Schon wieder ein zynischer Gedanke! Beinahe hätte Loki über sich selbst gelacht... doch nach Lachen war ihm nicht im Mindesten zumute.

Thor schleifte ihn wieder in den bereits bestens bekannten Kerkerraum. Mit geschickten Fingern legte er ihn so schnell in Ketten, dass Loki nicht mal zu irgendeiner Form der Gegenwehr gekommen wäre, wenn er etwas Derartiges gewagt hätte. Doch so verrückt war er nicht. Denn mal abgesehen davon, dass er keine Chance gegen den blonden Riesen hatte, hätte er für seinen Widerstand mit nur noch mehr Schlägen büssen müssen.

Es würden ihm wohl auch so genug davon bevorstehen!

Woran er definitiv keinen Zweifel mehr hegte, als Thor ihn an den Ketten in der Mitte des Raumes hochzog, sodass seine Füsse nur noch knapp den Boden berührten. Als er noch immer schweigend zur magischen Peitsche griff, fuhr sich Loki mit der Zunge über die trockenen Lippen und fragte leise: «Erfahre ich wenigstens, was ich ausgefressen habe?»

Der Donnergott, der bereits hinter ihm Aufstellung genommen hatte, stiess ein Schaufen aus, das an das wütende Geräusch eines Stieres erinnerte, und trat um den Gefesselten herum. Er blieb dicht vor ihm stehen und erwiderte so scharf, dass Loki allein ob seiner Stimme zusammenzuckte: «Du wagst es auch noch, dich dumm zu stellen? Womit du also den Versuch unternimmst, mich hier blöd aussehen lassen zu wollen?»

Loki: the fallen Prince - der gefallene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt