Vision des Schreckens

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Runya schlief. Oder meinte zumindest, dass sie es tat. In Wirklichkeit lief sie in ihrem Zimmer auf und ab, die Augen weit geöffnet ohne wirklich wach zu sein, die Bewegungen unsicher und hektisch. Sie sah sich im Raum um, ohne ihn wirklich zu sehen. Denn sie war ganz woanders...

Obwohl sie nicht wirklich wusste, wo. Es war dunkel um sie herum, dunkel und kalt. Und irgendwie modrig. Ihre Füsse schienen dauernd den Halt zu verlieren und sie musste sich mehr als einmal an der nassen Felswand festhalten, um nicht zu stürzen. Trotzdem - und obschon ihr immer unbehaglicher zumute wurde - konnte sie nicht aufhören, weiter zu gehen. Immer tiefer und tiefer in die Stollen hinein.

Hinunter, um es genau zu sagen...

Ihr Weg führte eindeutig nach unten. Sie wusste zwar nicht wo sie sich befand, aber soviel war klar: sie war dabei, in die Tiefen Asgards hinab zu steigen.

Warum?

Wäre sie wach gewesen, hätte sie sich diese Frage bewusst gestellt - und sicher auf dem Absatz kehrtgemacht. Doch Runya war nicht wach.

Die Kälte wich einer stetig wachsenden aber wenigstens warmen Feuchtigkeit. Runyas Haar begann innert kürzester Zeit zu triefen als ob sie in einen Regenschauer geraten wäre. Auch ihre Kleider hingen klamm und nass an ihr herunter.

Es wurde immer wärmer, so warm, dass Runya schliesslich richtig heftig zu schwitzen begann. Trotzdem taten ihre Füsse weiterhin einen Schritt nach dem anderen, fast so, als besässen sie einen eigenen Willen. Runya blinzelte, doch sie konnte immer weniger sehen. Die zunehmende Hitze liess die dünne Luft vor ihren Augen dampfen.

Ihre Instinkte rieten ihr, zu fliehen, doch ihre Füsse trugen sie unbeirrbar weiter nach unten. Immer tiefer - so tief, dass die Prinzessin flüchtig dachte, dass sie bald den Kern des Planeten erreichen würde, wenn das so weiterging.

Der Gedanke amüsierte sie einen Augenblick lang, ehe sie zusammen zuckte. Was war das? Hatte sie tatsächlich Stimmen gehört?

Kinderstimmen?

Sie hatte, eindeutig! Und was noch viel beängstigender war: sie kannte die Stimmen, zu denen sie gehörten. Sie wusste genau, um welche Kinder es sich hier handelte.

Ein heftiger Schrecken durchfuhr die junge Frau und trotz der Hitze hier unten fröstelte es sie auf einmal.

Da war noch eine weitere Stimme zu hören, eine seltsam scharrende, hohl klingende Stimme. Obschon deutlich zu einer Frau gehörend, kam sie Runya alles andere als weiblich vor. Erst recht nicht als sie in lautes Lachen ausbrach.

„Immer schön weiterschaufeln, meine kleinen Zwerge! Immer schön brav weiterschaufeln. Bald habt ihr es gefunden. Bald werdet ihr MAMA sehr glücklich machen!"

Mama..? Runya bezweifelte nicht nur zutiefst, dass dem so war... Sie wusste, dass es nicht stimmte. Wer immer diese Frau sein mochte - die Mutter von auch nur einem einzigen Kind bestimmt nicht. Geschweige denn von einem Dutzend!

Die Kinder ächzten und stöhnten, gehorchten aber ausnahmslos. Runya stand plötzlich vor ihnen und konnte deutlich die grauenhafte Angst auf den blassen Gesichtern sehen. Wonach mussten sie bloss suchen?

In ihrem Rücken erklang wieder die unheimliche Stimme der Frau. Falls es denn eine Frau war... Runya wagte nicht, sich umzudrehen, aber es war auch nicht nötig. Denn die Erkenntnis durchzuckte sie mit einem Schlag bei den nächsten Worten des Wesens:

„Der Stein der Macht, meine kleinen Zwerge! Bringt mir den Stein der Macht! Wenn ihr das tut, werdet ihr leben. MAMI verspricht es euch!"

Das Schwarze Element!

Loki: the fallen Prince - der gefallene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt