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Gabriel P.O.V

Die nächste Woche nahm ich mir frei. Ich konnte und wollte nicht zur Arbeit gehen. Von Morgens bis Abends saß ich an Jasons Bett. "Gabriel, geh nachhause. Es wird nicht besser, nur weil du hier in Trauer versenkst." murmelte Jasons Mutter. Sie saß oft gemeinsam mit mir hier und wir schwiegen uns an. "Nein, ich will dabei sein, wenn er aufwacht." Lilly hatte sowieso gemeint, dass ich jetzt erstmal Zeit für mich bräuchte und Kai mich deswegen nicht besuchen würde. Zuhause säße ich genauso dumm rum wie hier. "Ich hab diesen Moment immer befürchtet. Jason war noch nie ein sehr lebensfroher Mensch, seine Krankheit hat ihm das nur erschwert." seufzte sie und strich über die Hand ihres Sohnes. "Ich wollte das nie." flüsterte ich. "Ich weiß, das wollte keiner." Sanft strich ich Jason mit zwei Fingern über die Wange. Er war zumindest nicht mehr so leichenblass. "Gabriel, ich habe nie nachgefragt, weil ich niemanden noch stärker als jetzt schon belasten wollte, aber ich kann es nicht mehr länger begraben. Was verschweigen Emily und du uns?" fragte sie nach einem Moment des Zögerns. Langsam holte ich den Zettel, den ich seit dem Vorfall mit mir rum trug, aus meiner Jackentasche und reichte ihn Jasons Mutter. "Ich mag dich sehr kleiner, deswegen ist das ganze für mich auch ziemlich schwer und weil ich ein Feigling bin, aber ich werde von hier weggehen. Ein ganzes Stück weiter weg gibt es eine Schule, die ziemlich gut bezahlt und es ist wirklich schön dort. Ich hoffe, du kannst verstehen, wenn ich gehe. Auch wenn die fast zwei Jahre echt schön waren, mich hält nicht wirklich viel hier. Ich denke es ist besser, wenn ich gehe. Du solltest dich nicht zu sehr an mich gewöhnen. Gabriel." Ich kannte den genauen Wortlaut noch auswendig. Wie ich gezittert habe, als ich den kleinen Zettel geschrieben habe und wie ich mir selbst für meine Feigheit ins Gesicht geschlagen habe. "Emily kam zu mir, erzählte mir von Jasons Krankheit und irgendwann haben wir angefangen zu trinken, um uns beide zu beruhigen. Dann hab ich sie angesehen. Sie sah Jason in diesem Moment so ähnlich, ich hab überhaupt nicht mehr nachgedacht." Verzweifelt vergrub ich den Kopf in den Händen. "Ich hab ihr von meinem geplanten Umzug erzählt und sie hat mir die Sache mit dem Zettel vorgeschlagen, weil ich es ihm nicht ins Gesicht sagen konnte. Ich hab nicht erwartet, dass ich ihm so wichtig bin." murmelte ich. "Du solltest gehen." Ich sah wieder von meinen Händen auf. "Du solltest all das hier hinter dir lassen, das ist besser für dich und auch für Jason." meinte Jasons Mutter und gab mir den Zettel wieder. "Ich denke du hast Recht." murmelte ich und sah wieder zu Jason. Ich hab ihm so viel Schaden zugefügt, er hat es verdient, endlich Frieden von mir zu haben. Es wäre besser zu gehen, das wäre es wirklich. Es wäre das Beste für Jason. "Ich hab immer noch Jasons Rucksack." meinte ich, woraufhin sie mir summ ihre Hausschlüssel zuwarf. "Leg ihn in sein Zimmer und tu den Schlüssel danach einfach unter die Fußmatte." Ich nickte, warf einen letzten Blick auf Jason. "Entschuldige kleiner. Ich hätte mich gerne noch richtig von dir verabschiedet, auch wenn ich dafür sicher keinen Mut gehabt hätte. Ein letztes Mal drückte ich ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn, ehe ich mich noch ein letztes mal in dem Krankenzimmer um zu sehen und schließlich das Krankenhaus verließ. Jeder Schritt war schwer, aber ich durfte jetzt nicht an mich denken. Den Rucksack hatte ich irgendwie im Auto vergessen und nie zu Jasons Mutter gebracht. Ich fuhr zu dem kleinen Einfamilienhaus. Emily war anscheinend irgendwo unterwegs. Ich ging hoch in Jasons Zimmer und legte den Rucksack auf seinen Schreibtischstuhl. Alles war noch genauso wie bei meinem letzten Besuch hier, als ich Jason fast geküsst hatte. Tief seufzte ich, ehe ich das Zimmer wieder verließ und wieder zurück nachhause fuhr, um meine Sachen zu packen. Es gab keinen Grund für mich, hier zu bleiben. Ich sollte so schnell wie möglich verschwinden, so ist es einfach besser für alle. 

Your Voice | BoyXMann (In Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt