Als wir seine Wohnung betreten rechne ich mit dem schlimmsten, ein Wohnzimmertisch vollgestellt mit Bierflaschen, ein Geschirrberg in der Küche oder ein umgekippter Aschenbecher auf der Couch, doch nichts der Dinge trifft zu. Die Wohnung ist sauber, und ein Geruch von Minze schwebt in der Luft. Ich streife mir die Jacke ab und lege sie auf die Couch. Tyler ist währenddessen in einen anderen Raum gegangen den ich auf der Party nicht entdeckt hatte, ich schätze es ist sein Schlafzimmer denn ich meine ein Geräusch zu hören das sich wie das öffnen einer Tür mit dem Schlüssel anhört. Mein Blick fällt auf gerahmte Bilder die auf der Kommode im Wohnzimmer stehen, die auf der Party nicht zu sehen waren. Ich begutachte sie und nehme eins herunter, es zeigt Tyler, ohne Tattoos neben einer rothaarigen Frau. Beide Strahlen und Lächeln in die Kamera. Ähnlichkeiten spiegeln sich wieder wie die stechend grünen Augen die er wahrscheinlich von ihr geerbt haben muss, seiner Mutter. "Mal wieder neugierig?" Ich zucke zusammen und stelle das Bild ruckartig zurück auf die Kommode. "Tut mir leid ich wollte nicht, ich wusste ja nicht das..", Er sagt kein Wort und legt Bettwäsche auf der Couch ab. "Ich weiß das, das was mit deiner Mutter ist und es tut mir wirklich schrecklich leid." Sage ich einfühlsam. "Du weißt rein garnichts." Ist das einzige was er sagt, und dann streift er sich das schwarze T-shirt vom Köper und schmeißt es auf die Couch, "Ich hoffe das reicht dir zum schlafen, habe noch keine Wäsche gewaschen." Mir stockt der Atem, obwohl ich seinen muskulösen Körper schon beim Flaschendrehen gesehen habe, wirkt er jetzt ganz anders auf mich. Er weckt in mir das Bedürfnis ihn zu berühren und die Linien seiner Tattoos nach zu fahren. "Eh, ehm ja." bringe ich nur heraus woraufhin Tyler das Wohnzimmer verlässt und die Tür schließt. Ich schlüpfe aus dem Kleid und streife mir das T-shirt über. Es riecht nach einer Mischung aus Aftershave und Rauch, es riecht nach ihm. Ich mache es mir auf dem Sofa bequem, und falle in einen Schlaf vor dem ich Angst habe.
Kälte und Nässe. Ein harter Boden, der schmerzhafte Druck auf meinem Oberschenkel. Ich will schreien, ich will einfach nur schreien. Doch ich kann nicht. Wieder weine ich, ich weine so sehr das ich in meinen Tränen versinke. Aber ihm sind die Tränen egal, denn er macht weiter, drückt fester zu und ich falle, ich falle in ein schwarzes Loch.
Eine Stimme weckt mich. Eine Stimme die immer wieder meinen Namen ruft und sanft an meiner Schulter rüttelt. Ich öffne die Augen, alles was ich sehen kann ist ein Umriss, ich schlage wild um mich. "Halt, ich bin es. Tyler." Nachdem ich die Worte der Stimme wahrgenommen habe halte ich inne. "Wo bin ich." Sage ich außer Atem, "Du bist in meiner Wohnung, auf der Couch." Er hockt sich hin, "Ich habe dich schreien gehört, ist alles in Ordnung?" Ich sage kein Wort "Wer soll dich loslassen Alyssa?" er räuspert sich, "Wen hast du so angeschrien?" Er platziert seine Hand wieder auf meiner Schulter, am liebsten würde ich ihn bitten bei mir zu bleiben, seine beschützenden Arme um mich zu legen, aber es ist falsch. "Keiner, ich hatte nur einen Albtraum." antworte ich woraufhin er nur mit einem "Okay" antwortet. Einerseits bin ich froh das er nicht weiter nachfragt, doch trotzdem bin ich verwundert das er überhaupt gefragt hat. Ich höre das einrasten der Tür und suche im Dunkeln nach meinem Mantel. Als ich ihn finde greife ich nach meinem Handy, das grelle Licht scheint mir ins Gesicht und einige Nachrichten springen auf. Sieben Anrufe von Maya und unzählige Nachrichten. Ich lese mir die erste durch, 'Wo bist du? Es tut mir so leid das ich nicht da war, Isaac hatte mich gebeten noch mit zu Jason zu fahren. Ich hoffe du bist heil angekommen.' Ich antworte ihr nicht, sondern schließe mein Handy und versuche wieder einzuschlafen was sich als deutlich schwer herausstellt. Immer wieder drehe ich mich herum und versuche die Augen zu schließen, doch ich kann es einfach nicht.
Als ich erneut aufwache ist es deutlich heller draußen, ich kann mich garnicht daran erinnern überhaupt wieder eingeschlafen zu sein, doch scheinbar habe ich es geschafft. Die Uhr über dem Fernseher zeigt halb neun an. Offensichtlich schläft Tyler noch, denn als ich einen Blick über die Couch werfe und in die offene Küche schaue sieht alles noch genau so aus wie gestern Nacht. Ein stechender Schmerz durchzieht meinen Kopf und ich erhebe mich vom Sofa um mir ein Glas Wasser zu besorgen. Unbeholfen öffne ich jede Schranktür um ein Glas zu finden als ich das öffnen der Haustür bemerke. Gerade als ich meine Hand nach einem Glas ausstrecken möchte kommt Tyler ins Wohnzimmer und hat vollen Ausblick auf meine nackten Beine. Langsam drehe ich mich um und die röte schießt mir ins Gesicht. Er wedelt mit einem Beutel Croissants in der Luft herum und mein Blick fällt auf sein verschwitztes T-shirt, als würde er meine Gedanken lesen können, sagt er "Ich war laufen und habe uns Frühstück besorgt." Kein Wunder das sein Körper so aussieht, schießt es mir durch den Kopf. Sein Blick fällt nun wie befürchtet auf meine Beine und ich versuche sie irgendwie zu verdecken in dem ich das T-shirt weiter herunter ziehe. "Steht dir besser als mir." sagt er und platziert die Tüte genau vor mir auf den Tisch. Sofort inhaliert meine Nase seinen Geruch von Aftershave und Schweiß. "Ich bin duschen, leider habe ich kein Chai Latte, aber es wäre echt cool von dir wenn du mir einen Kaffee machen könntest, der Rest ist im Kühlschrank also bedien dich ruhig." ist das letzte was er sagt ehe er den Raum verlässt. Er hat sich tatsächlich gemerkt das ich Chai Latte trinke. Instinktiv drehe ich mich zurück zur Arbeitsplatte und Versuch mich derweil mit der Kaffeemaschine anzufreunden. Leichter als gedacht mache ich ihm eine Tasse und stelle sie auf dem Tisch ab, auf dem ich noch etwas Marmelade und Butter aus dem Kühlschrank platziere. Ich befülle mir ein Glas mit Wasser und suche erneut die Schränke nach Geschirr ab. "Zweite Links." ertönt seine Stimme hinter mir und ich ziehe an der Schublade aus der ich zwei Messer hole. Ich drehe mich um und lege sie ebenfalls auf den Tisch an dem Tyler jetzt platz genommen hat. Seine langen und nassen Haare fallen ihn auf die Stirn während er dabei ist ein graues T-shirt mit einem Band Logo herunterzuziehen.
Still essen wir beide einen Croissant und ich beobachte ihn heimlich dabei wie er ihn mir Marmelade beschmiert, doch als ich jetzt den Kopf hebe schaut er mir direkt in die Augen. Ein kribbeln macht sich in mir breit und ich lasse den Kopf wieder sinken. "Was hat dich nach Boston verschlagen?" fragt er plötzlich, "Maya, ein Neuanfang und natürlich die Uni." Sage ich und nehme einen Schluck Wasser. "Ein Neuanfang?" fragt er neugierig und greift nach dem nächsten Croissant. "Richtig." sage ich wie selbstverständlich. Genau das ist es, ein Neuanfang so wie ich ihn wollte und ich lasse ihn mir nicht kaputt machen, ich muss endlich was dagegen tun.
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Lost Love
Romance"Du musst leben, Alyssa." seine Worte sind nur noch ein leises Flüstern, dennoch brennen sie förmlich auf meiner Haut. Ich kann nicht, ich kann es einfach nicht. Ich mache einen Schritt zurück, der Regen prallt weiterhin auf meiner Haut und lässt m...