Türchen 1

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Ruth

Es war heiß in dem Club und ich fühlte mich durch die ganzen Menschen erdrückt. Noch dazu roch es widerlich nach Schweiß und Alkohol. Ich war auch ein wenig angetrunken, aber nicht so heftig, wie alle Anderen hier. Ich sah meine beste Freundin Nika, die extrem mit ihren pinken Haaren auffiel, in der Menschenmenge tanzen und begann, mich zu ihr durchzuschlängeln. Dabei bekam ich viele Ellenbogen ab und wurde auch von manchen Betrunkenen angetanzt. Angewidert wandte ich das Gesicht ab, als mir einer direkt mit seiner Alkoholfahne ins Gesicht atmete.

Bei Nika angekommen, tippte ich sie schnell an und sie drehte sich zu mir um. ,,Ich geh kurz mal raus an die frische Luft. Mir geht es nicht so gut.", meinte ich schnell zu ihr und sie nickte. So schnell es ging, drängelte ich mich wieder durch die Menge und versuchte zum Ausgang zu kommen. Es schien so, als würden die Leute in Volterra gerne in Clubs gehen.

Draußen angekommen fühlte es sich komisch an, da plötzlich nicht mehr so viele Leute um mich waren, es nicht mehr so heiß war, nicht mehr so laut und ich auch wieder gescheit atmen konnte. Es roch nicht mehr nach Schweiß und Alkohol und die Musik von innen kam nur noch gedämpft nach draußen.

Meine Augen mussten sich erstmal noch an die Dunkelheit gewöhnen, weswegen ich sie leicht zusammenkniff. Aber da mir immer noch ein wenig unwohl und schlecht war, begann ich ein wenig umher zu laufen. Die kühle Nachtluft, die jedoch nicht zu kühl war, entspannte mich wieder ein wenig und ich konnte wieder freier atmen. Den Alkohol merkte ich nur ein wenig.

In der Gasse neben der Bar blieb ich dann stehen und lehnte mich gegen die kühle Mauer. Erstmal atmete ich noch weiter durch und ließ die angenehme Luft in meine Lungen ein. Dann schloss ich die Augen und atmete wieder aus. Es tat gut, tief durchzuatmen, denn so bekam ich auch wieder einen klareren Kopf. Es gab viel, über das ich noch nachdenken musste.

Ich hatte gerade sozusagen Sommerferien und bald würde ein neues Semester an der Uni anfangen. Bis dahin waren Nika und ich dann wieder zurück zu Hause in England. Ich würde Italien vermissen. Es war zwar unsagbar heiß im Sommer, jedoch war es so wunderschön, das Wetter war eigentlich immer gut, die Leute waren freundlich zueinander und hier gab es keinen Sven Martinsen.

Sven Martinsen ging ebenfalls an meine Uni und auch er studierte Literatur. Er war sehr beliebt bei den Mädchen und eigentlich alle schmachteten ihm hinterher. Ich jedoch tat das nicht und deswegen sah er darin einen Grund, mir das Leben an der Uni zur Hölle zu machen. Er stellte mich jeden Tag bloß, beleidigte mich und stellte mich in einem schlechten Licht dar. Es war grauenvoll mit ihm auf die Uni zu gehen, weswegen ich auch keines Wegs wollte, dass die Sommerferien vorbei waren.

Ich mochte die Uni eigentlich und ich mochte Literatur sehr gerne. Schon als kleines Kind war ich ein Bücherwurm gewesen und hatte fast meine ganze Kindheit gelesen, während andere Kinder in meinem Alter ihre Zeit draußen mit ihren Freunden verbracht hatten. Deswegen hatte ich mich auch dazu entschieden, Literatur zu studieren, doch nun war dort auch Sven.

Einerseits freute ich mich jeden Tag auf die Uni und auf die Literatur, doch anderseits wollte ich nicht dort hin, weil ich nicht wieder bloßgestellt und beleidigt werden wollte. Doch ich musste die Zähen zusammenbeißen und es einfach durchhalten. Das Literaturstudium an dieser Uni dauerte fünf Jahre und ich hatte schon zwei Jahre hinter mir. Also fehlten noch drei. Diese drei Jahre würde ich auch noch schaffen. Egal, was Sven noch alles machen würde.

Ich überlegte, ob ich langsam wieder reingehen sollte, wegen Nika, jedoch war sie eh zu betrunken, um zu merken, dass ich fehlte. Also konnte ich wenigstens noch einen Moment hier draußen bleiben. Mich vermissen würde sie nicht, da sie nicht mal bemerken würde, dass ich fehlte. Und wissen würde sie es wahrscheinlich auch nicht mehr, auch wenn ich es ihr gesagt hatte. Sie war eben schon ziemlich dicht gewesen.

Mit geschlossenen Augen lehnte ich weiter an der Wand, bis ich plötzlich ein Scheppern hörte. Erschrocken machte ich die Augen auf und blickte weiter in die Gasse rein, doch da standen nur überfüllte Mülltonnen. Wahrscheinlich war dort nur eine Ratte gewesen oder ich bildete mir aufgrund des Alkohols in meinem Blut irgendwas ein.

Schließlich würde es hier jetzt nicht wie in einem Horrorfilm sein. Ich würde wohl kaum hier in der Gasse von irgendeinem Vergewaltiger oder Ähnliches angegriffen werden. Sowas passierte nur in schlechten Horrorfilmen und ich war hier im ganz normalen Leben. Also würde eh nichts passieren.

Langsam schloss ich wieder die Augen und lehnte meinen Kopf an die Mauer. Einen Moment lang lauschte ich einfach dem Zirpen der Grillen und der gedämpften Musik des Clubs.

Wieder ertönte das Scheppern.

Genervt machte ich die Augen auf. Vielleicht sollte ich einfach wieder reingehen und zusammen mit Nika weiter die Ferien genießen, anstatt mir über mein Leben den Kopf zu zerbrechen.

Immerhin waren es Sommerferien. Da sollte man Spaß haben und nicht über das nächste Semester oder Typen, die einem das Leben zur Hölle machten nachdenken.

Langsam stieß ich mich von der Wand ab, um wieder reinzugehen. Doch dann ertönte erneut das Scheppern. Vielleicht hatte sich ja da hinten auch irgendein Streuner oder so verfangen.

Seufzend lief ich weiter nach hinten in die Ecke, aus der das Scheppern eindeutig kam. Als ich kurz vor der Ecke war und eigentlich gar nicht mehr im Sichtfeld der Menschen, die auf den Straßen liefen, spürte ich plötzlich einen Windhauch links von mir. Ich blickte nach links, doch da war der Windhauch dann rechts von mir. Also schaute ich nach rechts. Im nächsten Moment hatte ich furchtbare Schmerzen, die sich von meinem rechten Handgelenk ausbreiteten. Ich nahm mein Handgelenk hoch und starrte auf dieses. Ein blutiger Biss zierte mein Handgelenk und ich begann zu schreien.

Es war, als würde Feuer in mir brennen, dass sich von meinem Handgelenk ausbreitete und durch meinen ganzen Körper flammte. Schreiend hielt ich mir mein Handgelenk und sank auf die Knie. Ich warf mich auf dem Boden hin und her und versuchte dem Schmerz zu entkommen. Es tat unglaublich weh. Schweiß brach aus und lief mir in Perlen über die Stirn. Mein Haar klebte verschwitzt in meinem Nacken und ich hatte so unendliche Schmerzen.

Langsam merkte ich, wie mein Bewusstsein schwand. Das Letzte, was ich sah, bevor ich in komplette Schwärze versank, waren leuchtend rote Augen, die mich anstarrten.

Uncontrollable *Adventskalender*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt