Sofort war der Gorilla vergessen. Eine Angst kann man nur mit einer noch größeren Angst bekämpfen. Und diese Angst, die ich jetzt spürte, war die Schrecklichste, die ich jemals gespürt hatte. Sie breitete sich in meinem Körper aus, verteilte sich in meinen Gliedmaßen und meinem Gehirn wie die heiße Tropenluft, die ich atmete. Sie bewegte mich dazu, dass zu tun, was ich tat.
Ich drehte mich schlagartig um und sah, wie Lea langsam zum Grund sank. Sie bewegte sich nicht. Ich sprang in den Fluss. Ich zog noch nicht mal meine Schuhe aus, aber dennoch schwamm ich schneller als ich es jemals zuvor getan hatte. Der Fluss war nicht besonders kalt, aber das merkte ich gar nicht. Die Strömung riss mich sofort mit und ich schaffte es kaum, dagegen anzukommen. Die Angst erfüllte meinen Körper mit einer ungeheuren Kraft, doch die Kraft der Natur war stark.
Außerdem fehlte mir das Training. Ichverfluchte mich, weil ich fast immer abgelehnt hatte, wenn Lea mir vorgeschlagen hatte, schwimmen zu gehen. Lea war die Schwimmerin von uns. Ich konnte mich schön und elegant bewegen, keine Frage, aber ich hatte diese körperlichen Eigenschaften nicht, die Lea besaß. Wenn ich geschwommen war, dann nur im Urlaub und beim Schulschwimmen. Zu der Zeit hatte ich eine vier in Sport gehabt.
Ich versuchte zu tauchen. Aber schon nach kürzester Zeit musste ich wieder nach oben, weil ich nichts sah und keine Luft mehr bekam. Aber ich war fest entschlossen, Lea zu retten. Ich tauchte noch einmal. Das Wasser war zwar klar, aber wegen der Strömung konnte man trotzdem nichts erkennen.
Man, ich musste das doch irgendwie schaffen! Die Hauptpersonen in den Filmen schafften das auch immer! Ich rief mir wieder einmal ins Gedächtnis, dass wir nicht in einem Film waren. Aber ich wäre es gerne gewesen. Filme gingen nämlich immer gut aus.
Mit letzter Kraft tauchte ich gegen die Strömung an und unterdrückte das dringende Bedürfnis nach Atemluft. Meine nassen Anziehsachen zogen mich zu Boden.
Da, plötzlich, erkannte ich einen schimmernden Umriss, der ziemlich nach einem Menschen aussah. Und so viele Menschen außer Lea würde es hier ja wohl nicht geben. Ein letztes Mal tauchte ich auf, um zu atmen. Ich atmete so tief ein, wie ich konnte und tauchte ein letztes mal. Ich kam kaum bis zum Boden, weil mich die Strömung trotz meiner schweren Kleidung immer wieder nach oben riss. Warum wurde Lea eigentlich nicht von der Strömung mitgerissen? Das hätte das Ganze bestimmt einfacher gemacht. Oder ich hätte sie gar nicht mehr bekommen. Die Chancen hätten 50/50 gestanden. Hätte, hätte, hätte. Endlich erreichte ich den Umriss der Person. Das war ganz sicher Lea. Sonst wäre ich auch ziemlich schlecht dran gewesen. Ich streckte meinen Arm aus, versuchte, mich irgendwo fest zu halten, um nicht wieder von der Strömung mitgerissen zu werden. Mit einer Hand bekam ich Leas Bein zu fassen. Ich überlegte, wie ich sie nach oben ziehen sollte. Meine Arme waren schlaff und
Ich würde es niemals schaffen, nur mit den Beinen nach oben zu kommen. Ich endschied, ihr meinen linken Arm um den Oberkörper zu legen, so würde ich am meisten Gliedmaßen zur Verfügung haben, um mich nach oben zu stoßen. Ich zog mich hoch zu Leas Kopf, und plötzlich erkannte ich, warum sie nicht von der Strömung mitgerissen wurde. Ein sehr großer, spitzer Stein hatte sich in ihren Arm gebohrt und eins von ihren Beinen hatte sich irgendwo verkeilt. Ach du scheisse! Ich hatte jetzt schon kaum noch Atemluft. Ich hatte keine Zeit, mich zu fragen, wie das passiert war. Zum Glück konnte ich nicht viel sehen. Bestimmt hatte Lea eine klaffende Wunde am Arm. Ich wusste, dass man bei solchen Verletzungen AUF KEINEN FALL den Fremdkörper entfernen darf, aber ich konnte unmöglich Lea UND den Stein tragen. Also zog ich, wenig zimperlich, an Leas Arm und drückte meine Hand dorthin, wo ich ihre Wunde vermutete. Wer hatte diesen bescheuerten Stein ins Wasser getan? Und wie groß waren die Chancen, dass Lea überlebt? Das waren zwei von vielen Fragen, über die ich in diesem Moment nicht nachdachte. Ich dachte überhaupt über gar nichts nach. Ich wollte nur noch an die Oberfläche, nur noch Luft bekommen. Zum Glück löste sich Leas Bein, als ich sie bewegte. Da ich jetzt nur noch eine Hand frei hatte, hielt ich sie mit dieser am Bauch fest. Dann stieß ich mich vom Boden ab. Es war, wie ich vermutet hatte, schwer, nur mit den Beinen zu schwimmen. Vor allem wegen der Strömung. Und außerdem hatte ich kaum Kraft mehr, da mir keine Luft mehr blieb. Mir wurde schwindelig. Alles wurde schwarz. Bis auf einen kleinen weißen Kreis, direkt vor meinen Augen. Mit einer schnellen Bewegung stieß ich meinen Körper dort hin und mein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche. Ich atmete tief ein und die Farben wurden wieder klarer. Ich versuchte „Hilfe" zu schreien, aber irgendwie schaffte ich es nur, zu flüstern, bevor mich eine Welle wieder unter die Wasseroberfläche beförderte. Aber ich schaffte es nicht, noch mal an die Wasseroberfläche zu schwimmen. Mir wurde schwarz vor Augen.
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Vollkommen planlos
HumorUrlaub im fünf Sterne Hotel gewonnen? 30 Grad an jedem Tag? Tollen Typ kennen gelernt? Aber was macht man im fünf Sterne Hotel wenn man nicht mal das Buffet findet? Und wie kann man die dreißig Grad genießen wenn man schwimmt wie eine Schildkröte? U...