Ich hasse Krankenhäuser!

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Als ich aufwachte, saß jemand neben meinem Bett. Nur ein Schatten, bewegte sich nicht. Er gab keinen Laut von sich und beobachtete mich einfach nur. Ich blinzelte und  erkannte ihn erst nicht. Doch dann gewöhnten sich meine Augen langsam an das Licht und der Umriss wurde deutlicher. Es war Dad. „Dad“, murmelte ich verwirrt „Wie geht es Lea? Warum bist du nicht im Krankenhaus?“ „Ich dachte, wenn es dir besser geht, dass du dann auch zu Lea willst.“ Ja, mein Gott, er sollte mir doch bitte auf meine erste Frage zuerst eine Antwort geben. Wieso sonst hatte ich sie in dieser Reihenfolge gestellt?

Ich wiederholte meine Frage noch einmal, diesmal etwas verständlicher: „WIE GEHT ES LEA????“

Die Frage-Zeichen sprach ich natürlich auch mit aus, damit mein Vater auch merkte, dass es sich hier wirklich um eine Frage handelte.

Er schien es nicht verstanden zu haben, denn er antwortete nicht sondern schaute nur auf den Boden und kratzte sich am Kopf. Ich wollte gerade zu einer dritten Frage ansetzten, dieses Mal mit einzeln betonten Silben, als Dad mir antworte. „Sie lebt.“ Ja! Oh mein Gott! Sie lebt! Ich war viel zu beschäftigt damit, mich wie ein kleines Kind zu freuen, dass ich mich gar nicht mehr fragte, warum mein Vater das nicht gleich gesagt hatte. Ein fataler Fehler, denn als ich ihm erklärte, dass ich jetzt unbedingt sofort mit ihr reden musste, antwortete mir mein Vater: „Das geht leider nicht. Sie schwebt noch in Lebensgefahr.“ Na toll, da hätte er mir direkt sagen können, dass sie tot war. Meine Stimmung wäre nicht schlechter gewesen. „Warum?“, fragte ich dumm, als würde mein Vater wissen, wieso. „Sie war nicht viel weniger als zehn Minuten im Wasser.“ „Aber zehn Minuten sind doch nicht viel.“ Ich war unfähig, irgendetwas auch nur ansatzweise Hilfreiches von mir zu geben.

„Mea, das ist nicht das einzige. Sie hat viel Blut verloren. Und jemand musste ihr Blut spenden.“ „Ich spende!“, rief ich, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Den Unterschied zwischen Präsens und der einfachen Vergangenheit hatte ich wohl auch irgendwie nicht mitgekriegt.

„Mea, niemand muss spenden. Sie hat früh genug eine Spende gekriegt. Aber man muss noch abwarten, wie ihr Körper darauf reagiert. Erst dann kann die Behandlung fortgeführt werden.“ „Sie hat früh genug eine Spende gekriegt…“, wiederholte ich ungläubig, weil dass der einzige Satz war, den ich mitbekommen hatte. „Dann kann ich ja doch zu ihr. Komm, wir gehen los.“ Es kann sein, dass ich an diesem Tag ein kleines bisschen neben mir stand. Mein Vater seufzte.

Ich versuchte, aufzustehen, aber die Welt hatte mir anscheinend immer noch nicht verziehen und verschwamm vor meinen Augen. Zwar war das nicht so schlimm wie das Drehen gestern, aber es hinderte mich daran, irgendwelche Bewegungen, für die eine aufrechte Körperhaltung erforderlich waren, alleine durch zu führen. Im Nachhinein betrachtet war es vielleicht auch besser, dass mein Vater mich Huckepack trug. Ich war immer noch total erschöpft. Und ich bekam schrecklichen Kopfschmerzen. Aber ich wollte zu Lea. „Aber wenn dir Blut abgenommen wird, dann kannst du mich doch gar nicht mehr tragen.“ „Mir wird kein Blut abgenommen. Lea hat eine Blutspende bekommen.“ „Wo ist denn der Junge von gestern?“, fragte ich. „Welcher Junge?“, wollte mein Vater wissen. Ach so, ja, er war ja gar nicht da gewesen. „Der, der mich gerettet hat“, erklärte ich. „Ich weiß nicht, wen du meinst. Aber im Hotel war kein Junge.“  „Und wer soll mich dann tragen?“ „Ich. Und zur Not Paolo.“ „Und was ist mit Mena?“ „ Och Melanie. Mena geht es doch gut.“ Stimmt, Mena ging es gut. Sie war ja gar nicht in den Fluss gefallen. Das hatte ich vergessen. In besonderen Situationen vergaß man schon mal unwichtige Kleinigkeiten.

*

Dieses Mal schaffte ich es beim besten Willen nicht, alleine in das Flugzeug zu klettern. Als wir Gonzos Steg und damit auch Paolos Flugzeug erreichten, setzte mich mein Vater auf den Boden, redete kurz mit Gonzo und kletterte ins Flugzeug. Sobald er drinnen war, hievte Gonzo mich mit einer Bewegung hinter ihm her. Im Flugzeug warteten schon Sissi und Mena. Meine Mutter war wahrscheinlich bei Lea. Sobald ich angeschnallt war, (ich wusste nicht, warum man sich in Paolos Flugzeug immer anschnallen musste) flogen wir los. Ich wusste nicht so wirklich, was ich grade fühlte. Vielleicht war es Angst. Oder Aufregung. Ich glaubte, am ehesten war es diese scheisse-ich-mach-mir-gleich-in-die-Hose Gefühl.

Vollkommen planlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt