She's out of the woods

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Am nächsten Tag bekamen wir endlich den rettenden Hinweis: „She’s out oft he woods.“ Beziehungsweise, am Anfang fiel es uns schwer, dass rettende darin zu erkennen. Denn niemand von uns hatte auch nur die leiseste Ahnung, was dieses Sprichwort bedeuten könnte. Außerdem hätten wir auch nicht erwartet, dass in diesem Krankenhaus irgendeine Art von Sprichwörtern benutzt wurde.

„Lea Weißhöfer ist außer Lebensgefahr“, erklärte er genauer.  Und in dem Moment wusste ich, dass ich träumte. Ich kniff mich in den Arm, um schnell aufzuwachen, aber irgendwie klappte das nicht. Ich träumte weiter. In meinem Traum fingen sie anderen an zu jubeln, zu weinen und sich gegenseitig zu umarmen. Sissi rief: „Lea nicht Tod“ und überall herrschte große Freude. Irgendetwas oder irgendjemand lief auf mich zu und umarmte mich so stürmisch, das ich rücklings auf den Boden fiel. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Rücken. Langsam, langsam wagte ich zu hoffen. Vielleicht träumte ich gar nicht. Vielleicht hatte der Typ wirklich „Lea Weißhöfer ist außer Lebensgefahr“, gesagt. Vielleicht würde wirklich alles gut werden. Ich konnte es noch nicht glauben.

Über mein Gesicht flossen dicke Tränen. Ich war mir nicht sicher, ob es Freudentränen waren oder ob sie von dem Aufprall kamen, aber ich hoffte, sie waren vor Freude. Unglaubliche Energie durchfloss meinen Körper, ich war mit einem Satz aufgestanden, ich heulte und lachte, und sprang herum und umarmte Leute, und heulte, und lachte, und atmete, und heulte und lachte. Mein Herz pochte.

„Wo ist sie?“ Plötzlich konnte ich sogar wieder Englisch. Ich war unglaublich glücklich. Nichts konnte jetzt meine Stimmung trüben. „Nicht hier“ „Nicht hier? Sie sind gleich nicht mehr hier! Wissen sie was, sie wissen gar nicht, was Freude ist! Ihnen ist es scheißegal, ob ihre Patienten leben oder sterben, so lange sie ihr Gehalt kassieren! Sie sind ein überbezahlter Schnösel, das sind sie!“ Ok, fast nichts. Mit einer großen Geste stürmte ich weg, um mich an der Rezeption nach Lea zu erkundigen. Meine Rede hatte wohl Eindruck bei dem Arzt hinterlassen, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich „überbezahlter Schnösel“ richtig übersetzt hatte.

*

Die Dame an der Rezeption wusste natürlich mit dem Namen Lea Weißhöfer wieder nichts anzufangen. „Sie müssen uns doch kennen! Wir haben hier gestern stundenlang diskutiert.“ „Ach, sie sind das!“ Ja, ich bin das!  „Ms. Vice-eufar ist in Raum 632. Aber sie können sie frühestens morgen besuchen. Ich würde ihnen raten, nach Hause zu fahren.“ Während sie das sagte, überlegte ich schon, wie ich es anstellen sollte, in Leas Zimmer ein zu brechen. Ich hätte sogar fast vergessen,  „Thank you“ zu murmeln, als ich mich wieder auf den Weg nach oben zu meiner Familie (und Paolo) machte.

„Hey Schatz, was sagen sie?“, fragte Mum mit einer solchen Wärme in der Stimme, dass ich schon wieder weinen musste, obwohl doch alles gut werden würde. Vielleicht kann ich meine Emotionen nicht GANZ so gut im Zaum halten. „Sie sagt“, schluchzte ich „wir sollen nach Hause gehen. Wir können nicht zu ihr.“ Meine Mutter nahm mich in den Arm und wartete, bis ich zu Ende geheult hatte. Was schnell ging, weil ich zwischendurch eine Idee hatte, wie ich an ein Seil und einen Enterhaken kommen konnte, was mich sofort wieder zum Lächeln brachte. Meine Mutter sah das als ein gutes Zeichen und ließ mich los.

Ich würde den Enterhaken von dem „Kinder-Piraten-Action-Schiff“ in unserem Hotel nehmen und das Seil…

„Oh Gott!“ Man, da hat macht man gerade einen richtig guten Plan, und wer kommt dann und stört einen? Richtig! Mena! „Da kommt der Oberarzt. Der fette, dem ich gestern noch ein bisschen mehr versprochen habe! Wir müssen weg! Schnell!“ Sie zog an meinem Arm, schnappte sich Sissi und rannte los. Am Ende des Krankenhausflures schien sie zu merken, dass wir anderen ihr gemächlich hinterherliefen und schließlich fiel euch bei ihr der Groschen. Sie blieb stehen und fing aus vollstem Herzen an zu Lachen. Ich wusste, dass der Arzt sie hörte, aber bis er sich soweit genähert hatte, dass er in normaler Zimmerlautstärke mit uns reden konnte, würden noch mindestens zwei Jahre vergehen.

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