Epilog

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Ich wusste nicht, wie genau, wann und wo es passiert war. Wenn ich mich später davon träumte, zogen nur Bilder an mir vorbei. Diese Faust von dem Jungen, als ich gerade die Tür von meinem Zimmer öffnete. Die hohe, helle Decke über mir, als ich wieder aufwachte. Die roten Badeshorts mit Hawaiblumen, achtlos in die Ecke geschmissen. Der eiskalte Blick, den seine Augen auf mich abwarfen. Das Bett, auf das er mich geschmissen hatte. Und dann diese zweite Faust, die erst ihn traf und dann mich. Ich hörte meine Schreie, meinen Herzschlag, spürte die Schmerzen in meinem Gesicht. Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter und hörte das „Es tut mir leid“ des anderen Jungen, bevor mich seine Faust traf. Und ich spürte meine Angst. Die Angst war immer das Schlimmste.

Ok, jetzt habe ich mich genug selbst bemitleidet. Ich wusste, dass ich Glück gehabt hatte. Außer ein paar blauen Flecken hatte ich nicht viel abgekriegt. Na gut, noch ein bisschen seelischen Schaden hatte ich davon getragen, aber selbst der war nur ein Bruchteil von dem eines „richtigen“ Vergewaltigungsopfers. Ich war nicht vergewaltigt worden. Ich hatte Glück gehabt. Glück das Er da war und mir geholfen hat. Wäre er nicht da gewesen, wäre dieser Abend schrecklich geendet. Er hatte ihn geschlagen und sich um mich gekümmert, als er mich k.o. geschlagen hatte. Obwohl, eigentlich konnte ich Gonzo selbst dafür dankbar sein.

Oh, jetzt hab ich es verraten, Mist! Ja, es war Gonzo. Macht nicht so enttäuschte Gesichter, ich hätte es selber besser gefunden, hätte Krisch mich gerettet. Aber in diesem Moment war ich froh, dass mich überhaupt jemand gerettet hatte.

Dieser Moment.  Der Moment in dem ich aufwachte und mich von mindestens zehn besorgten Gesichtern umringt in meinem Bett wiederfand. Ich sollte ihnen erzählen, was passiert war.

Das Doofe war, dass ich gar nicht genau wusste, was passiert war. Ich war ja schließlich zwei Mal k.o. geschlagen worden und ich brauchte erst einmal eine Pause. 

*

Als es mir wieder einigermaßen gut ging, kamen immer mehr Fragen auf. Aber wofür waren beste Freunde gut?  Ich beantwortete Lea ihre Fragen so gut ich konnte, wenn sie dafür meine beantwortete. So erfuhr ich auch, dass es Gonzo war, der mir geholfen hatte. 

Leas erste Frage war natürlich: „An was erinnerst du dich?“ Ich erzählte ihr von den Bildern in meinem Kopf, die ich auch jetzt vor mir hatte, obwohl ich gar nicht schlief. Lea sah mit jedem Wort ein bisschen geschockter aus. Das konnte ich gar nicht verstehen. Es war ja schließlich sie, die stundenlang im Koma gelegen hatte und weitaus Schlimmeres als ich durchgemacht hatte.   

„Sollen wir dich ins Krankenhaus bringen?“, wollte Lea wissen.

„Nein, Quatsch, mir geht’s gut“, lehnte ich sofort ab. Und es ging mir wirklich gut. Jedenfalls vom körperlichen her. „Außerdem war ich dran mit fragen: Was ist passiert, nachdem Gonzo mich k.o. geschlagen hat? Warum hat er mich k.o geschlagen? Wo ist er jetzt? Wo ist der Typ? Wo ist Krisch?“

„Mea, das war weitaus mehr als eine Frage“, entgegnete Lea ausweichend. „Egal, antworte mir!“, ich schrie fast.

„Gonzo ist im Krankenhaus“, flüsterte Lea. „WAS?“

„Keine Angst, er ist nicht schlimm verletzt. Er hat sich nur noch ziemlich mit diesem Typ geprügelt.“ „Und wo ist der?“ „Weg.“

„Wie weg? Der kann doch nicht weg sein! Er war doch bestimmt auch verletzt.“

„Mein Gott Mea, woher soll ich denn das wissen?“ Lea klang ziemlich hilflos. „Ok“, ich versuchte, mich zu beruhigen. „Wo ist denn Krisch?“

Vollkommen planlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt