Das erste Mal... mit Krisch schwimmen gehe

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Lea musste zur Beobachtung noch eine Woche im Krankenhaus bleiben. Die nächsten zwei Tage war ich fast ununterbrochen bei ihr, denn mit irgendwem musste Lea ja reden. Außerdem musste ich ihr ihre Brille bringen. Und ich musste ihr Erdbeeren aus dem Hotel mitbringen, damit sie nicht immer diesen ekeligen Krankenhaus-Fraß zu sich nehmen musste. Ich hatte also genug Grund zu der Annahme, dass ich unverzichtbar für Lea wäre. Dementsprechend schockiert war ich, als Lea am dritten Tag sagte: „Mann, dir geht's ja schlechter als mir. Fahr mal zurück auf die Ilha do Amor, ich krieg das hier schon hin." Na gut, vielleicht hatte ich ein paar Mal geheult, aber ganz bestimmt nicht mehr, als angemessen. „Aber du brauchst mich", beharrte ich. „Mea, ich kann das. Wirklich." „Du kannst aber mit mir reden." „Ich kann vielleicht mit dir heulen." „Du bist gemein. Aber deine Brille?" „Die habe ich ja jetzt." „Und was ist mit den Erdbeeren?" „Ach, dass Essen hier ist doch gar nicht so schlimm." „Sag mir das nach fünf Tagen labbrigen Toast noch mal." Lea kicherte: „Herausforderung angenommen. Aber jetzt flieg bitte endlich zurück ins Hotel." Okay, jetzt war sogar mein schlagendes Argument gescheitert. Dann war es wohl Schicksal, dass ich zurück fliegen sollte. Außerdem schaute mich der fette Oberarzt schon die ganze Zeit so komisch an, wenn sich unsere Wege kreuzten.

*

Als wir auf der Ilha do Amor landeten, ging es mir sofort besser. Von dieser komischen Krankenhausatmosphäre war hier überhaupt nichts mehr übrig. Ich konnte förmlich spüren, wie die Viren meine Haut verließen.

Ich atmete die schwüle Tropenluft tief ein. An die 40 Grad, die hier draußen herrschten, musste ich mich erst mal wieder gewöhnen. Im Krankenhaus war es wegen der Klimaanlage ununterbrochen auf knapp 20 Celsius heruntergekühlt gewesen.

Na toll, und was sollte ich jetzt machen? Lea war nicht da, Mena hatte sich sofort nach unserer Ankunft mit Paolo auf ihr Zimmer verzogen und Krinschtak, was war eigentlich mit dem? Er wollte mich ja wiedersehen, das war ja auch schön. Aber Genauigkeit schien nicht so seine Stärke zu sein. Die Ilha do Amor war zwar eine winzige Insel, aber ihn da wiederzufinden, dürfte nicht so einfach sein. Stellt euch vor, ihr müsstet eine Gruppe von zehn Menschen auf Mallorca finden, und hättet keine Anhaltspunkt. So ungefähr war es.

Außerdem hatte ich Angst davor, noch mal in den Dschungel zu gehen. Und den Gorilla wollte ich auch nicht unbedingt wiedersehen. Na ja, dann musste ich mich eben mit mir selber beschäftigen. Vielleicht meine Haare bürsten oder so. Wie war noch mal Omas Tipp? Jeden Tag 100.000 Bürstenstriche?

*

„Melli, der Pélé hat mir Sand ins Gesicht geworfen!" Sissi! Die hatte ich ja ganz vergessen. Sie kam mir mit Pélé zusammen entgegen gerannt „Süße, du bist aber gar nicht dreckig." „Ja, danach waren wir ja auch im Meer."

„Was habt ihr denn sonst so gemacht, als Mama und Papa nicht da waren?" „Wir haben mit Gonzo und Mena gespielt."

Oh, oh, wie viel Geld Paolo Gonzo wohl gegeben hat, damit er für mehrere Stunden auf drei Kleinkinder aufpasste?

„Hast du jetzt keine Angst mehr vor Gonzo?" Sissi schüttelte den Kopf. Ok, Gonzo musste auch noch nett auf drei Kleinkinder aufpassen. Das wird Paolo ein Vermögen gekostet haben.

„Spielst du mit uns?" Eigentlich hatte ich vorgehabt, turnen zu gehen. Ich hatte schließlich seit 5 Tagen nicht mehr trainiert und musste mich jetzt eigentlich ganz schön ranhalten. „Klar spiele ich mit euch! Was sollen wir denn spielen?" „Also, ich bin ein Delfin, Pélé ist ein Seelöwe und du bist die Delfin-Mama."

Zehn Minuten später lief ich mit Sissi und Pélé durch das seichte Wasser und spielte Delfin, Seelöwe und Delfin-Mama. Aber irgendwie kam ich mir ziemlich schnell wie das dritte Rad am Wagen vor. Bei zwei Vier-Jährigen. Wie tief kann ein Mensch sinken?

Vollkommen planlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt