Scheiße, Scheiße, Scheiße!

42 2 0
                                    

„Scheiße!“, rief ich. Warum ging nichts? Es musste doch irgendeinen Ausweg geben. „Scheiße!“, rief ich noch einmal. „Mea, du wiederholst dich.“ „Aber es ist doch auch so.“

Wir konnten genau eine einzige Sache machen, nämlich gar nichts. Ich sage euch mal die Tatsachen, vielleicht fällt euch ja was ein: die Zimmer von den Angestellten wurden alle zwei Monate kontrolliert, und das war ausgerechnet jetzt. Sie hatten Paolo auf seinem Zimmer kontrolliert, und dort auch Pélé gefunden. Dem Hotelpersonal war es aber strengstens verboten, andere Leute mit in das Hotel zu bringen.

Als dann auch noch herauskam, dass Pélé Paolo eigentlich gar nicht kannte, waren die Kontrolleure natürlich doppelt sauer. Paolo hat erzählt, Pélé wäre der Sohn von Freunden, die sich aber gerade trennen würden und dem Kleinen diese Situation nicht zumuten wollten.

Den Leuten war das total egal, sie wollten, dass Paolo Pélé spätestens übermorgen wieder zurück flog, sonst würde ihm gekündigt werden.

Für uns bedeutete das, dass Pélé entweder zurück auf die Straße oder in ein Kinderheim musste. Aber das konnte man den Kontrolleuren ja schlecht sagen, dann hätte Paolo auch noch eine Anzeige wegen Kindesentführung am Hals. Es hatte Paolo schon einiges gekostet sie dazu zu bringen, die Geschichte mit den streitenden Freunden zu glauben.  

Und, habt ihr jetzt irgendeine Idee? Lest es ruhig noch mal, ich habe auch einige Zeit gebraucht, um es zu verstehen.

Keiner von uns wollte Pélé in ein Kinderheim bringen, wir hatten ihn alle in den letzten 1½ Wochen ziemlich lieb gewonnen und wussten, wie schrecklich Kinderheime sein konnten, vor allem die brasilianischen. Aber man konnte ein Kind auch nicht innerhalb von 2 Tagen adoptieren, und unser Haus wäre sowieso zu klein gewesen, auch wenn Sissi sich bestimmt gerne mit Pélé ein Zimmer geteilt hätte.  Lea wollte dem Kleinen die Zustände bei sich zu Hause auch ersparen, und Paolo hatte nicht mal ein richtiges zu Hause. Also blieb uns wohl nicht viel anderes übrig, als Paolo übermorgen mit Pélé nach Macapá fliegen zu

lassen.

„Scheiße“, sagte ich noch ein Mal. „Scheiße, scheiße, scheiße!“ „Das hatten wir doch schon. Es macht die Situation auch nicht besser, wenn du die ganze Zeit fluchst.“ „Ich weiß. Scheiße!“ 

*

Beim Essen redeten wir alle nicht viel. Und essen taten wir eigentlich auch nicht. Es war eher ein still-am-Tisch-sitzen-und-die-Stirn-in-Falten-legen.

Nur ich aß „eigentlich durchschnittlich für jemanden wie sie.“

Ich wollte die schlechte Stimmung nicht zerstören (wäre ja auch schade drum gewesen), aber ich hatte halt Hunger. Wenigstens war ich heute angezogen. Und es wäre ja auch eine Sünde gewesen (obwohl ich ja gar nicht doll an Gott glaubte), das ganze gute Essen verkommen zu lassen.

Das Abendessen der anderen, weiblichen Hotelbesucher bestand nämlich aus einem halben Glas „kalorienarmen“ Wassers. Kalorienreiches Wasser hatte ich noch nie gesehen und ich verstand auch nicht, warum man für den Zusatz „kalorienarm“ zehnmal so viel bezahlte. Aber anscheinend waren die Besucher hier genauso dumm wie reich. Oder sie waren schlau und reich, aber ihre Freunde dumm, und sie machten das nur, um später angeben zu können.

Ich jedenfalls nahm mir etwas von dem Salat. Damit konnte ich zu Hause bestimmt auch angeben. Denn im echten Leben hätte ich mir höchstens ein Blatt davon leisten können.

Dann bestellte ich noch schnell einen Crêpe für Sissi, bei diesem süßen Koch, der bestimmt den ganzen Tag nichts zu tun hatte.

Als er meine Bestellung empfing, glitt sein Blick langsam über meinen Körper und in seinem Gesicht stand ein großes Fragezeichen. Schon klar, die Leute die hier sonst bestellten waren entweder Männer oder mindestens dreimal so schwer wie ich. Von beidem gab es hier nicht sonderlich viele.

Vollkommen planlosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt