Morning Star

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Am nächsten Morgen wachte ich auf, weil etwas oder ehr jemand an meinen langen blonden Haaren herum zupfte. ,,Autsch!", genervt fuhr ich hoch. Direkt vor meiner Nase flatterte die Fee, die ich aus dem Fluss gezogen hatte. ,,Guten Morgen! komm schon! Diesen schönen Sonnenaufgang darfst du auf gar keinen Fall verpassen!", klingelte sie mir freundlich entgegen und flatterte auch schon durch ein altes Astloch nach draußen. Schnell kletterte ich aus meiner Hängematte und folgte ihr. 

Tatsächlich tauchten die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne Nimmerland gerade in ein zauberhaft goldenes Licht. Die schillernden Farben der vielen bunten Blüten schienen heute noch kraftvoller zu leuchten als gestern. ,,Lass uns doch etwas die Insel erkunden! Ich glaube, wir sollten uns auch einmal richtig kennen lernen!", bemerkte ich, nachdem wir den Aufgang der Sonne lange genug bestaunt hatten. Und so gingen wir ein Stück durch den Wald.

Während wir so dahinliefen fragte ich sie also: ,,Ich bin Jenny, das weißt du ja, aber wie heißt du eigentlich?" ,,Ich bin Twinkle und ja, ich bin eine Fee!", fügte sie lachend hinzu. Es klang wie wildes Läuten von kleinen Glöckchen, einfach bezaubernd. ,,Twinkle... ich wünschte ich hätte so einen schönen Namen! Sag mal, Peter hat gestern Abend so etwas erzählt... bist du meine Fee?", wollte ich nun wissen. Twinkle zuckte mit den Schultern und wich dabei einem tief hängenden Ast aus, der über und über mit Moos bewachsen war: ,,Ich hab keine Ahnung, aber irgendwie fühle ich mich einfach enorm zu dir hingezogen, seit du mich aus dem Fluss gerettet hast. Ich weiß nicht, ob ich mich je wieder von dir trennen möchte oder überhaupt könnte..." Es hörte sich vielleicht seltsam an, aber ich musste ihr Recht geben. Auch ich fühlte mich, als wären wir zusammengehörig und allein einfach nicht vollständig, wie ein Puzzle, in dem ein Teil fehlte. 

Schweigend gingen wir nebeneinander her. ,,Sie nur Twinkle! Da vorne ist ja schon das Meer!", aufgeregt lief ich auf das Wasser zu, das ich so gerne mochte, doch es war nicht das offene Meer. Es war ehr eine kleine Lagune ohne Sandstrand, algenbewachsene Felsen schlossen das Gewässer ein. Hier und da durchbrachen Gesteinsbrocken die Wasseroberfläche. Das Wasser jedoch schillerte in der Sonne, so klar, dass man bis auf den Grund sehen konnte. Alles voller bunter Fische, Muscheln und Seesterne. ,,Wie schön", entfuhr mir ein kleiner Seufzer.

Dann drehte ich mich zu Twinkle um, aber da war keine muntere Fee hinter mir... ,,Twinkle! Wo bist du!", keine Antwort auf mein Rufen, ,,Twinkle! Das ist nicht lustig! komm raus!" Nur das Echo schallte von den Felsen zurück, doch dann plötzlich: ,,Wer ist Twinkle? Hast du jemanden verloren?" Die schwungvolle Stimme kam von unten und als ich hinunter sah, erblickte ich ein wunderschönes Mädchen im Wasser,... aber... sie trug keine Kleider und hatte einen blau schimmernden Fischschwanz. ,,Eine Meerjungfrau!", staunte ich sie an. ,,Äh ja, führst du öfters Selbstgespräche? das ist nicht gesund!", bemerkte sie mit ihrer wunderschönen Stimme, die noch immer in meinen Ohren nachklang.

,,Also nein, ich suche meine Freundin, eine Fee!", begann ich verzweifelt zu erzählen. Auf einmal wirkte das Meermädchen ganz aufgeregt: ,,Oh ja! So ein Flatterwesen habe ich gesehen! Es ist gerade hier vorbei getrieben! Anscheinend ist deine Freundin ins Wasser gefallen! Komm, suchen wir sie" Das wäre ja nicht das erste Mal. Sorge machte sich in mir breit. Schnell stieg ich ins Wasser. Kälte biss mir in die Haut und meine Kleider sogen sich mit Wasser voll wie Schwämme. Die Meerjungfrau war schon einige Meter weiter geschwommen. Ich versuchte ihr zu folgen, da spürte ich plötzlich, wie eine Hand meinen Knöchel packte und mich erbarmungslos  in die Tiefe zog.

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt