Cohesion

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Schon von Weitem war zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Peter schien es noch vor mir bemerkt zu haben, denn er wurde immer unruhiger. ,,Was ist bloß los...", sprach er leise vor sich hin, während der Junge zielstrebig in die Richtung des heimatlichen Baums steuerte. Er hatte ja so recht, irgendetwas war anders, doch wir wussten nicht, was es war. Auch die Fee schienen keine Erklärung zu haben, denn anstelle des sonstigen lauten Glockenklimperns, herrschte angespannte Stille zwischen den zarten, geflügelten Wesen.

Als dann der Baum in Sicht kam, erkannte ich, was es war... ,,Peter! Hör nur!",rief ich bestürzt. Er lauschte und auch in seinem Gesicht konnte ich lesen, dass er verstanden hatte. Mit starrem Blick schaute er ernst hinunter. ,,Sie lachen nicht mehr...", flüsterte ich mehr zu mir selbst als zu einem anderen, als wollte ich es nicht wahrhaben. Aber es stimmte, das sonstige fröhliche Gelächter, das immer schon von weitem zu hören gewesen war, war verklungen. Kein einziger Ton, keine freudige Kinderstimme oder Geschrei schallte durch die morgendliche Dämmerung.

Ein Gefühl der Trostlosigkeit umfing uns, als Peter mich vor dem Baum absetzte, um dann mit einer Geschwindigkeit, die ich nicht für möglich gehalten hätte, in den Stamm zischte. Hier draußen war alles leer, niemand zu sehen. Ich kletterte durch ein großes Astloch und folgte Peter ins Innere. Auch hier war alles still, doch um den großen Tisch herum saßen ein paar zusammengekauerte Gestalten. Es waren die Jungs. Sie alles sahen betreten zu Boden und dem einen lief sogar eine Träne die Wange hinunter. Peter hatte mit ihnen geredet und war nun drauf und dran, gleich wieder fort zu fliegen.

,,Warte Peter!", rief ich ihm zu und er landete wieder direkt vor mir, kaum eine Elle entfernt. ,,Sie haben Dilan!", sagte er starr und emotionslos, ,,Die Piraten haben Dilan!" Trotz seiner tonlosen Stimme konnte man doch die tiefe Trauer und Sorge in seinen grünen Augen lesen, die vor innerlichen Qualen zu zerfließen schienen, auch wenn er sich noch so viel Mühe gab, seine Gefühle ein zu schließen. Ich spürte, wie sehr Peter jeden seiner Lostboys liebte, er würde für sie sterben.  Dilan, nicht Dilan! Dilan war der Junge, dem ich alles verdankte, der, der mich nach meinen Geschichten gefragt hatte.

Schon war Peter wieder in der Luft. ,,Warte! Ich komme mit!", kaum hatte ich zu ende gesprochen, da stürzte sich Peter auf mich. Er drückte mich auf den Boden und hielt mir einen neuen Dolch an den Hals. ,,Du wirst nicht mitkommen! Du wirst mir nicht folgen! Wann verstehst du endlich, dass du mir gehorchen sollst, so wie alle!? Du erinnerst dich doch bestimmt noch an dein Erlebnis bei den Meerjungfrauen?", schrie er drohend. Was war denn jetzt schon wieder los?! Konnte er seine Gefühlsausbrüche nicht mal ein wenig unter Kontrolle kriegen? Laut sagte ich aber oder flüsterte ehr eingeschüchtert: ,,Ja" Noch einmal flackerte die Wut in seinen Augen auf, dann ließ er mich endlich los und flog hinaus.

,,Aaah! Dieser Idiot! Er ist doch noch viel zu schwach!", schimpfte ich ihm wütend hinterher, doch er war schon weg und konnte mich nichte mehr hören. Ich schluckte und wandte mich an einen der Jungs, der etwa so groß war wie ich: ,, Erzähl mir jetzt genau, was passiert ist!" Er sah betreten zu Boden und berichtete dann: ,,Ihr wart so lange weg und da wurde den Kleinen langweilig. Irgendwann hing uns auch die ganze Warterei aus dem Hals raus und wir sind durch den Dschungel gelaufen, um euch zu suchen. Dabei haben wir uns wohl etwas weiter vom Baum entfernt als sonst, denn auf einmal war da der Strand und dann haben wir einen Schrei gehört. Als wir später durchgezählt haben, war Dilan weg!"

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt