Valerian und ich gingen schweigend hintereinander durch den Wald, der immer dichter wurde. Sie voraus, ich hinter her. Es hatte lange gedauert bis sie sich beruhigt hatte und in dieses deprimierende Schweigen verfallen war. Der Tod ihrer Freundin hatte sie stark mitgenommen. Ich hoffte, sie würde sie zumindest wieder ein bisschen erholen, denn solange sie in diesem Zustand war, würde ich für uns beide aufpassen müssen. Als wenn es schon nicht schwer genug war, mich selber am Leben zu halten.
Immer tiefer kämpfte sich meine Verbündete in die tiefen des Waldes vor und ich dankte Clayton innerlich für die stabilen Hosen. Durch eine normale Stoffhose wären meine Beine mittlerweile wahrscheinlich schon offene Wunden, aber aus welchen Stoff auch immer die Hose war, er hielt gegen die scharfen Äste und Blätter. Fallen sollte man hier jedoch nicht.
Meinen Gedanken zum Trotz stolperte Valerian genau in diesem Moment. Da mein Beschützerinstinkt schneller war, als mein Überlebenswille, packte ich nach ihr, wodurch ich mit gerissen wurde. Irgendwie schaffte ich es unter ihr zu landen, wobei sie unverletzt blieb. Kurz bevor ich auf dem Boden aufschlug, spürte ich eine schmerzhafte Berührung an meinem Oberarm. Da der Aufprall auf den Boden und das Gewicht von Valerian auf mir, mir die Luft aus den Lungen drückte, konnte ich ein aufstöhnen verhindern.
"Tut mir Leid.", stammelte Valerian und als ich nicht gleich antwortete, wurde ihre Stimme fast schrill. "Oh bitte, sag doch was!"
"Luft", flüsterte ich, doch sie schien mich nicht verstanden zu haben, sonder stütze sich im Gegensatz noch etwas mehr auf mir ab.
"Was?", fragte sie verwirrt und ich versuchte es noch einmal etwas lauter: "Luft!" Wieder brauchte sie ein paar Sekunde bevor sie endlich verstand und fast panisch von mir runter kletterte.
Endlich strömte wieder Sauerstoff in meine Lungen und ich atmete glücklich ein. Nachdem aber nun dieses Problem behoben war, meldete sich mein Arm um so deutlicher wieder. Pochend verlangte er nach Aufmerksamkeit, doch ich beschloss in zu ignorieren. Vorsichtig setzte ich mich auf, um mich nicht nochmal zu schneiden, und schaute zu meiner Begleiterin.
"Bei dir alles okay.", fragte ich und sie nickte nur. Tränen schimmerten wieder in ihren Augen.
"Ich denke wir sind weit genug gelaufen. Wir sollten uns etwas suchen, wo wir uns ausruhen können."
Valerian nickte und zeigte schräg hinter mich.
"Ich glaube dort ist eine Höhle oder so was. Deswegen war ich unaufmerksam. Es tut mir Leid, wirklich Sage."
"Schon gut. Ist ja nur ein Kratzer.", log ich. Mein Blick schweifte kurz zu meinem Arm, wo nur ein Riss im Stoff zusehen war. Die Jacke verdeckte das schlimmste. Trotzdem spürte ich wie das Blut meinen Arm herunterlief. Wahrscheinlich sollte ich mir die Wunde in nächster Zeit doch einmal ansehen.
Ich stand auf und ging in die Richtung die Valerian mir gezeigt hatte. Das Mädchen folgte mir dicht.
"Wo meinst du?", fragte ich, da ich nichts sah. Valerian zeigte noch einmal auf die Stelle und tatsächlich, dort war ein kleiner Höhleneingang, gut versteckt durch Pflanzen.
"Perfekt", lobte ich sie und endlich lächelte sie kurz.
Vorsichtig ging ich näher auf die Höhle zu und fluchte innerlich, dass ich keine Waffe mehr hatte.
Als nichts zu hören war, hob ich langsam herabhängen Äste zur Zeit und schaute hinein.
Niemand war zu sehen.
Die Höhle war klein. Für uns zwei würde es gerade so gehen, aber kein größeres Tier konnte hier leben.
Ich wäre nicht begeistert gewesen von irgendwelchen Wölfen, in der Nacht, besucht zu werden.
Gemeinsam drängten wir uns in unseren Unterschlupf und setzten uns gegenüber, wodurch unsere Füße und Knie sich berührten. Bequem war anders aber zumindest würde uns hier niemand so schnell finden.
Als sich wieder schweigen zwischen uns breitmachte, suchte ich krampfhaft nach etwas, über das wir vielleicht reden konnten. Mein Blick fiel auf den Rucksack, den Valerian immer noch in der Hand hatte.
"Gib mal her", bat ich sie. Ohne eine Wiederrede reichte sie ihn mir und ich schaute, ob irgendetwas nützliches drin war. Mich lachten ein paar Snacks an, mit denen wir für ein paar Tage auskommen würden, eine leere Flasche und eine Decke. Immerhin würde uns also nicht kalt werden.
Langsam zog ich die Decke heraus und reichte sie an Valerian, deren Augen sofort zu leuchten anfingen. Während sie sich darin einwickelte, schaute ich noch einmal in die Tasche und fand noch etwas, das ich nicht erwartet hätte. Unter der Decke, war noch ein kleines Messer, mit Halfter versteckt gewesen. Es war nicht wirklich groß und eher dazu gedacht Tiere auszunehmen, aber in der Not würde es uns auch helfen. Also zog ich es heraus und befestigte es an meinen Gürtel.
In dem Moment in dem ich den Rucksack wegstellte, ertönten auf einmal laute Kanonenschüsse.
Ich erschreckte mich so sehr, dass ich nicht mitzählen konnte. Valerian schaute mich ängstlich an und als die Schüsse endlich verschwanden, drängte sie sich an meine Seite. Es war zwar nicht wirklich genug Platz dafür aber ich ließ es zu, dass sie sich an mich kuschelte und mir auch einen Teil der Decke anbot.
So saßen wir da, bis es langsam dunkel wurde und die Hymne von Panem ertönte.
Ohne aus unserer Deckung zu kommen, schauten wir gespannt zum Himmel hoch.
Ich betete, dass ich zumindest nicht das Gesicht meines Bruders, Bamboos oder Canolas sehen würde.
Als erstes war das Mädchen aus Distrikt Zwei zu sehen. Es erstaunte mich, da ich gedacht hatte, dass sie bei Vetch bleiben würde, aber anscheinend hatte dieser andere Ideen gehabt.
Dann das Mädchen aus Drei, was mich nicht überraschte. Ihr Blick am Vorabend hatte mir schon gezeigt, dass sie nicht mehr wollte. Als nächstes sah man das Gesicht des Jungen aus dem vierten Distrikt und danach den aus Valerians Distrikt. Ich hörte das Mädchen neben mir kurz erstaunt auf keuchen aber ich war zu gebannt auf die Gesichter.
Ich betete, das als nächstes nicht das Gesicht meines Bruders erscheinen würde und atmete erleichtert aus, als Tansy Gesicht und ihre Nummer erschien. Ihr freundliches Gesicht lächelte uns entgegen und meine Wut auf das Kapitol stieg.
Schnell wechselte das Bild und zeigte erst das Mädchen, dann den Jungen aus Distrikt 10.
Wieder hielt ich die Luft an, doch die Melodie, die gespielt wurde, verklang und der Himmel wurde wieder normal. Das hieß Canola und Bamboo waren, wie mein Bruder, noch am Leben.
Die Frage war nur, wie lange noch.
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Sage Snowdrop | Die ersten Hungerspiele
FanfictionMein Name ist Sage Snowdrop. Lange, bevor die Rebellion began wurde ich aus Distrikt 13, nach Distrikt 6 gebracht. Nachdem die Rebellion gescheitert ist werden mein Zwillingsbruder und ich, als die ersten Tribute für unseren Distrikt ausgewählt....