Szene 4-5 || Es kommt um Mitternacht

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☾【Szene 4: Es kommt um Mitternacht】☾

Als der Unterricht endlich vorbei ist, ist es bereits neun Uhr, was heißt, dass bald die Nachtruhe beginnt und alle in ihren Schlafsälen sein müssen.

Auf dem Gang treffe ich noch einmal auf Marc. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, ihm von den Dingen, die mir Evelyn verraten hat, zu erzählen. Auf meinen Preis, die Kugel des Wissens, kann ich nun allerdings gerne verzichten.

"Na wenigstens ein bisschen Gutes hat deine Aktion gebracht", seufzt mein Freund und fährt sich durch sein kurzes Haar, "Aber ich glaube auch nicht, dass Andrei deswegen nach oben verlegt wird. Ich meine, er muss doch irgendeine besondere schulische Leistung vollbracht haben. Vielleicht im Sport? Ein fairer Kämpfer scheint er ja nicht gerade zu sein. Wir müssten eigentlich seinen Kumpel dazu fragen, aber wie soll man so einfach auf die Krankenstation kommen?"

Auf einmal hat er wieder diesen einen Ausdruck im Gesicht, der mir verrät, dass ihm soeben eine wahnwitzige Idee gekommen ist.

"Du willst dich jetzt nicht ernsthaft dort reinschleichen!", spreche ich seinen Gedanken aus, bevor er es tun kann.

Marc und Ich haben die seltsame Angewohnheit, dass wir immer wissen, was der andere gerade denkt, weil wir uns schon so lange kennen. Das ist manchmal echt unheimlich...

"Richtig geraten! Und ich werde es nachts versuchen, das ist sicherer. Ich glaube auch, dass ich weiß, welcher Kumpel von Andrei gemeint ist. Ich habe ihn schon oft gesehen." Als er meinen schockierten Blick bemerkt, fügt er schnell hinzu: "Hey, ich mach das schon, keine Sorge."

"Pass bloß auf", warne ich ihn, "Ich habe schon von einigen Schülern gehört, dass es nachts auf den Gängen ziemlich unheimlich sein soll. Eine von ihnen hat sogar schon den Teufel gesehen!"

"Du glaubst doch wohl nicht wirklich an diesen Schwachsinn?", will er sichtlich amüsiert von mir wissen.

Als ich ihm keine Antwort darauf gebe, erlischt sein Lächeln.

"Ich muss jetzt gehen", sage ich und blicke mich unruhig in dem schwach beleuchteten Gang, in dem wir stehen, um.

"Ja, wir sehen uns Morgen wieder. Dann werde ich auch hoffentlich spannende Neuigkeiten zu berichten haben."

Im Schlafsaal der Mädchen angekommen, erwartet mich eine bedrückende Stille. Vereinzelt sind leise Stimmen und unterdrückte Schluchzer zu hören. Viele von ihnen trauern um den Tod von Amber, obwohl sie sie wahrscheinlich nicht einmal wirklich gekannt haben. Mein Ruf ist derweil am ganzen Internat zerstört.

Mit hängenden Schultern schlurfe ich zu meinem Bett und will einfach nur noch so schnell wie möglich einschlafen und alles um mich herum vergessen.

"Hey", höre ich plötzlich eine Stimme neben mir.

Zu meiner Überraschung ist es Fleur. Ich dachte echt, sie redet nicht mehr mit mir, was ich auch hätte verstehen können.

"Du hattest so recht", fange ich an zu sagen und schon fließen die ersten Tränen über mein Gesicht. "Es war ein großer Fehler, aber ich war mir so sicher, alles richtig gemacht zu haben."

"Ja, es war ein Fehler", antwortet Fleur mit leiser Stimme, "aber er lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Leider sieht es im Moment schwer danach aus, als hätten alle beschlossen, dich zu hassen." Als sie sieht, wie sehr mich diese Worte treffen, fügt sie schnell hinzu, "Ich aber nicht und ich glaube, das Ganze wird sich mit der Zeit auch wieder legen. Gib ihnen einfach etwas Zeit, all das zu verarbeiten und entschuldige dich am besten für den Unfall bei Ambers Beerdigung."

Not Today, Satan (Staffel 1) | 𝐒𝐞𝐫𝐢𝐞 || AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt