Not Today, Satan (Staffel 1) | 𝐒𝐞𝐫𝐢𝐞 || Abgeschlossen

Szene 5-8 || Zweite Rettung

❈【Ｓｚｅｎｅ　５：　Ｚｗｅｉｔｅ　Ｒｅｔｔｕｎｇ】❈

Neben der großen Treppe, die nach oben in den ersten Stock führt, gibt es noch ganz hinten in der Wand eine relativ im Schatten versteckte Tür, durch die Daisy und ich gehen.

Ich muss zuerst einen roten Vorhang zur Seite schieben, bevor ich das kleine Zimmer mit dem okkulten Touch betreten kann. Sofort kommt mir der Geruch von Räucherstäbchen entgegengeschlagen.

In dem Séancenzimmer ist es fast so dunkel, dass ich gar nicht sehe, wohin ich von der rundlichen Frau geführt werde. Nur ein paar Kerzen, die auf einer Kommode an der Wand stehen, tauchen die alten Wände in ein schummriges Licht. 

"Was machen wir hier?", wage ich es, Tante Daisy zu fragen.

Tante Daisy, die mittlerweile über eine große Kiste gebeugt steht, antwortet mir so fröhlich zwitschernd wie immer: "Oh, wir holen uns etwas zurück, das dir gehört. Um genau zu sein, deine Seele. Sie ist noch immer auf dem Internat gefangen."

"Wie bitte?", stoße ich erstaunt hervor.

Wie ist das möglich? Ich habe immer geglaubt, meine Seele säße in mir und würde nicht einfach außerhalb meines Körpers irgendwo gelagert werden.

Wie, als hätte die Frau meine Gedanken gelesen, sagt sie, während sie noch ein paar seltsam aussehende Dinge aus der Kiste kramt: "Oh, natürlich wusstest du das nicht. Nun ja, wie soll ich dir das bloß erklären? Also, am Internat ziehen sie euch schon unten in der Geburtenstation eure Seelen aus dem Körper. Das tun sie, weil eure Seele trotzdem noch mit eurem Körper verbunden bleibt und sie so immer den aktuellen Zustand eurer Seele überblicken und euch über diese kontrollieren können. Denn der Körper ist eigentlich nur eine willenlose Hülle, die einmal vom Geist und –in eurem Fall – eurer Seele gesteuert wird, so verrückt das auch klingen mag. Immer, wenn ihr eine Todsünde vollbracht habt, haben sie eure Seele in das nächsthöhere Stockwerk verlegt."

Deswegen also die sieben Stockwerke! Bisher habe ich gedacht, dass mit einem Stockwerk aufsteigen etwas Symbolisches gemeint wäre, aber tatsächlich halten die Mächte am Internat unsere Seelen gefangen und verlegen sie bei einem Regelverstoß immer einen Stock nach oben, bis-bis sie in den Fängen des Teufels landen!

"Oh Lord", keuche ich erschrocken auf, "Wir müssen meine Seele sofort da herausholen, bevor ich noch weiter aufsteige!"

"Und das haben wir jetzt auch vor!", raunt Tante Daisy vergnügt und zeigt mir dann mit einer Handbewegung, dass ich mich vor sie auf den Boden setzen soll.

Der Holzboden, überzogen von einem flauschigen Teppich, ist relativ warm verglichen mit der eher kühlen Temperatur des Raumes.

"Das, was jetzt folgt, habe ich schon lange nicht mehr getan", murmelt Tante Daisy und ich finde, dass diese Worte alles andere als beruhigend klingen. "Leg' dich bitte hin", befiehlt sie mir plötzlich und als ich ihren Worten Folge leiste, schiebt sie mir ein kleines Stoffkissen unter den Kopf.

Jetzt erst merke ich, wie müde ich eigentlich bin. Der gemütliche Untergrund, auf dem ich liege und der benebelnde Geruch der Räucherstäbchen tun ihr Übriges, um mich langsam eindämmern zu lassen...

Doch zum Glück schreckt mich Tante Daisys abrupt laute Stimme wieder aus dem Dämmerschlaf auf: "Hör mir jetzt gut zu, Luna. Wir werden gleich deinen Geist in die Astralebene befördern, einer Ebene zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Dies ist zugegebenermaßen etwas riskant, weshalb du gut aufpassen musst, wenn du dort ankommst. Normalerweise gilt die Astralebene nur als Übergang zwischen der Welt der Lebenden und dem Jenseits. Ein kürzlich Verstorbener wird dort also höchstens für kurze Zeit verweilen und dann ins Reich der Toten weiterreisen. Du darfst dich deswegen nicht zu lange in der Astralebene aufhalten! Solltest du ein Ticken, wie das von einer Uhr, hinter dir hören und das dringende Gefühl haben, beobachtet zu werden, musst du sofort aufwachen. Das geht ganz einfach, indem du fest daran denkst, deine Augen wieder aufzuschlagen und hier bei mir auf dem Boden zu liegen."