8. Kapitel

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Das Festmahl war herrlich gewesen und als es vorbei war, fühlte ich mich glücklich, satt und schläfrig und fühlte mich sehr danach, ins Bett zu gehen, doch das Samhain-Ritual stand noch an. Ich sagte den Zwillingen, dass sie schon mal vorausgehen sollten und blieb in der grossen Halle sitzen, während die anderen Schüler hinausströmten.

«Können wir?», fragte eine dunkle Stimme neben mir und ich sah hoch. Snape war neben mich getreten.

Ich nickte und stand auf. Snape ging voraus durch die Eingangshalle und das Schlossportal nach draussen; ich folgte ihm. Wir hielten auf den Hain zu, wo wir auch letztes Jahr das Samhain-Ritual abgehalten hatten. Die Hauselfen hatten Wort gehalten: Als wir uns unter den Ästen durchgeduckt hatten und zum flachen Stein vor dem Holunderbaum kamen, standen dort ein Krug mit Holunderwein und ein silberner Trinkpokal, so wie ein grosser Teller mit allen möglichen Köstlichkeiten – Poulet-Schenkel, Chips, Kürbiskuchen, Trauben, geröstete Äpfel und so weiter. Auf dem Boden vor dem Stein standen ein weiterer Krug und zwei Becher.

«Sie haben ja keinen Aufwand gescheut für die Vorbereitungen», sagte Snape und liess seinen Blick über die Gaben schweifen.

«Die Hauselfen haben das gemacht», erklärte ich etwas verlegen. Durften die Schüler eigentlich in die Küche? Doch Snape sagte nichts dazu. Er liess sich im Schneidersitz vor dem flachen Stein nieder und schenkte die Becher voll – aber nicht bevor er am Krug gerochen hatte, um sich zu vergewissern, dass es sich dabei auch wirklich um Sirup und nicht um Holunderwein handelte. Ich liess mich ebenfalls zu Boden sinken und nahm einen der Becher entgegen.

«Auf die, die wir vermissen», sagte Snape und prostete mir zu.

«Auf die, die wir vermissen.» Ich nahm einen grossen Schluck Holundersirup und stellte den Becher dann vor mir auf den Boden. Dann schloss ich die Augen. Tief ein- und ausatmend drängte ich alle Gedanken aus meinem Kopf. Kurz meinte ich ein Kribbeln unter meiner Haut zu spüren, doch es verblasste, als ich mit der Hand vor mir durch die Luft fuhr, als würde ich einen Vorhang zur Seite wischen.

Als ich meine Augen öffnete, sah ich, wie sich zwei Gestalten aus den Schatten des Holunderbaums lösten. Lily und Eileen. Die beiden Hexen, erstere schlank, mit rotem Haar und grünen Augen, letztere klein und stämmig mit dunklem Haar, kamen zu uns herüber und setzten sich zu uns.

«Es ist schön euch beide wieder zu sehen», sagte Lily. Ihre Stimme hallte, als käme sie aus weiter Ferne. Lily strich über meine roten Locken. Die Berührung war leicht wie die einer Feder.

«Und was habt ihr so erlebt?», fragte Eileen nachdem wir uns begrüsst hatten.

Sofort begann ich von den Abenteuern zu erzählen, die ich letztes Jahr erlebt hatte. Von den Katzen, die ihre Schwänze oder ein Bein verloren hatten und davon, wie meine Freunde und ich uns auf die Suche nach dem Monster gemacht hatten, das dafür verantwortlich war.

«Wie konntest du zulassen, dass sich diese Schüler allein in den Verbotenen Wald begaben, Severus!», rief Lily entsetzt.

Ich sah mich nach Snape um, dessen Miene mit jedem meiner Worte finsterer geworden war. Vielleicht hätte ich besser nicht von meiner Suche nach dem Grimm erzählt.

«Du kannst dir deine Vorwürfe sparen, Lily, das hat Kathleen schon zur Genüge – « Snape brach ab und biss sich auf die Unterlippe. Verwirrt sah ich den Zaubertranklehrer an, doch er wich meinem Blick aus.

«Meine Mutter hat Sie zusammengefaltet, weil Sie nicht dafür gesorgt haben, dass wir nicht in den Wald gingen?», fragte ich Snape irritiert. Ich hatte ja gewusst, dass Ma Snape kannte, aber das hätte ich nun wirklich nicht erwartet. Wieso sollte sie Snape wegen meiner verbotenen Ausflüge Vorwürfe machen?

Unbequeme Wahrheiten - Adrienne Seanorth 2 (HP FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt