17. Kapitel

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@Luna-_-Lily-_-Snape: Danke fürs Erinnern ;)

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Das Erste was ich wahrnahm, als die roten und schwarzen Schlieren mich frei gaben, war ein juckendes, steifes etwas an meinem Hals. Mit der Hand fuhr ich darüber, um mich zu kratzen, stiess aber gegen Stoff. Ich trug einen Stehkragen? Wieso das denn?

«Wer bist du und was machst du hier?», erklang eine bedrohlich knurrende Stimme und liess mich blinzeln. Es war dunkel. Doch in dieser Dunkelheit zeichnete sich jetzt direkt vor mir ein altersloses Gesicht mit gelben, schrägstehenden Augen und gebleckten, spitzen Zähnen ab. Die Frau, die ganz plötzlich vor mir stand, schien eine Mischung aus Mensch und Raubkatze zu sein und war auf jeden Fall gefährlich.

«Sprich, Mädchen!» Die Worte wurden von einem tiefen Grollen begleitet, das mich zusammenzucken liess.

«Ich bin Adrienne – », brachte ich gerade so heraus, bevor mir die Stimme wegbrach.

«Und was, Adrienne, machst du in unserem Zirkel?»

Zirkel? Verwirrt sah ich mich um und langsam erkannte ich, wo ich war. Ich war immer noch im Gemeinschaftsraum der Finjarelles, sogar exakt an der Stelle, an der ich auch gestanden hatte, bevor sich die Welt in schwarz und rot aufgelöst hatte. Nur standen jetzt keine Sessel mehr hier. Die waren an die Wände geschoben worden, wodurch eine grosse Fläche in der Mitte des Raums frei wurde, direkt vor dem Kamin. Eine weisse Linie, die einen perfekt runden Kreis bildete, umschloss die freie Fläche. Ich erinnerte mich, diese Linie bereits einmal bemerkt zu haben, damals hatte ich allerdings nicht sonderlich darauf geachtet und mir auch keine Gedanken gemacht, wofür sie da sein könnte. Ob das der Zirkel war, den die Frau meinte?

Ein Fauchen ihrerseits riss mich aus meinen Gedanken und mein Blick glitt zurück zu der grossen, schlanken Gestalt. Ihre Statur, die seltsamen Augen und die spitzen Zähne, sowie die lange Narbe, die sich quer über ihre rechte Wange zog, gaben ihr ein eindrucksvolles, ja sogar beängstigendes Aussehen. Und jetzt erkannte ich sie auch: Diese Narbe war unverwechselbar – diese Frau war Finëa di Finjarelle. Eine sehr lebendige, sehr gefährliche Finëa di Finjarelle, die über die Massen verärgert war. Aber wenn Finëa lebte, dann war das ... Was hatte sie noch gleich gesagt? 'Wir sehen uns im Jahr 1013 eurer Zeitrechnung.'

Bei Merlin, allen Göttern oder wem auch immer! Das konnte nicht wahr sein! Das konnte nicht mal möglich sein! Nicht, wenn man nicht mal Essen aus dem Nichts herbeizaubern konnte. Plötzlich schnellte Finëas Hand vor, schneller als ich mich bewegen konnte, und packte meinen Unterarm. Sie hob ihn an und ihre Augen wurden gross, als sie den weissen Armreif mit dem Raben aus Obsidian betrachtete. Ich bemerkte, dass um ihr Handgelenk genau der gleiche Armreif lag.

«Professor Finjarelle?», fragte eine zögerliche Stimme und erst jetzt fiel mir auf, dass sich ausser Finëa noch einige andere Leute im Raum befanden. Was machten die alle hier? Es war doch mitten in der Nacht, vor den Lukarnenfenstern des Gemeinschaftsraums konnte ich die Sterne funkeln sehen.

«Wir werden diese Lektion einandermal fortsetzen, für heute ist genug geschehen. Geht jetzt schlafen», entschied Finëa, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. «Und du kommst mit mir», beschied sie mir und zog mich, mich immer noch am Unterarm festhaltend, zum Ausgang des Gemeinschaftsraums. Eine der anderen Anwesenden, eine junge Frau mit dunklem Haar, schloss sich uns an und folgte uns nach draussen.

«Bringst du mich wieder zurück zu meinem Gemeinschaftsraum?», fragte die junge Frau, bei der es sich wohl um eine Schülerin handelte – ich tippte auf eine Siebtklässlerin.

«Heute nicht, Helena, aber wenn dir jemand begegnet, sag, dass du für heute meine Erlaubnis hast, zu dieser späten Stunde noch in den Korridoren unterwegs zu sein.»

Das Schloss sah anders aus und irgendwie war es doch gleich. Ich konnte es nicht so recht benennen, aber als mich Finëa durch die Korridore zerrte, die mir doch eigentlich so vertraut waren, war da immer dieses Gefühl in mir, dass mir sagte, dass ich hier fremd war. Vielleicht waren es die kahlen Wände, die in dem Hogwarts, das ich kannte, von oben bis unten von Bildern und Wandteppichen bedeckt waren, oder es waren die fehlenden Statuen und Rüstungen, die Geister die nicht hier waren. Oder das unbequeme, juckende Kleid mit dem steifen Stehkragen. Wer hatte sich denn bitte diese Mode ausgedacht?

«Hier rein!», befahl Finëa und schob mich in einen Raum, den ich als Professor McGonagalls Büro erkannte – oder wohl besser Finëas Büro, denn sie war es, die hinter dem grossen Eichenschreibtisch Platz nahm und mich mit diesen unheimlichen Raubkatzenaugen beäugte. «Raus mit der Sprache! Wie bist du in den Gemeinschaftsraum gekommen? Und weshalb trägst du diesen Armreif? Versuch erst gar nicht zu lügen, ich werde es merken.»

Ihre Stimme jagte mir kalte Schauer den Rücken hinab. Ihre Haltung, ihr durchdringender Blick, ihr ganzes Auftreten erinnerte mich an Snape, nur das es bei Finëa noch zehn mal angsteinflössender wirkte, was wohl an den gebleckten, spitzen Zähnen lag. Sie war eine Fey, das wusste ich ja schon seit geraumer Zeit, aber mir war nie klar gewesen, was das genau bedeutete.

«Ich kann dich auch zum Sprechen zwingen, wenn dir das lieber ist», sagte Finëa gefährlich leise.

«Ich – chrm», meine Mund war ganz trocken und ich musste erst einmal schlucken, bevor ich meine Stimme wieder fand. «Ich weiss es nicht. Jedenfalls nicht genau.»

«Ich warte», knurrte Finëa als ich einen Moment inne hielt um meine Gedanken zu sortieren. Offenbar war ihr Geduldsfaden genauso kurz wie der von Snape, wenn nicht noch kürzer.

«Sie waren es, die mich hier her geschickt haben. Ich weiss nicht, wie Sie das angestellt haben, aber Sie haben mir den Armreif gegeben und mir gesagt, wir würden uns im Jahr 1013 wiedersehen.»

Finëa sagte nichts. Sie starrte mich nur weiter durchdringend an.

«Sie wollten, dass ich herausfinde, wer Sie ermordet hat», sprach ich hastig weiter, in dem Versuch zu erklären, wieso ich hier war. «Sie haben mir dafür angeboten, mir zu helfen, damit ich während der Weihnachtsferien nicht mit meiner Mutter sprechen muss ohne zu verhungern. Und da hab ich zugestimmt, weil ich wirklich nicht mit ihr sprechen möchte, jedenfalls nicht im Moment –»

Finëa hob die Hand und brachte mich damit zum Verstummen. In einem ihrer Mundwinkeln sah ich ein Lächeln zucken. Irgendetwas an dem, was ich gesagt hatte, hatte sie wohl amüsiert. «Du bist hier, damit du nicht verhungerst?»

«Ähm ... ja.»

Finëa begann zu lachen und plötzlich erinnerte nichts mehr an die strenge, gefährliche Professorin, die ich eben noch vor mir gehabt hatte. Trotzdem fühlte ich mich irgendwie noch mehr zusammengestaucht. Es war ja auch wirklich kläglich. Ich hatte mich auf – was auch immer das hier war – eingelassen, nur weil ich etwas zu essen haben wollte.

Finëa hatte sich wieder gefangen und fixierte mich erneut mit ihrem Blick, der jetzt nicht mehr ganz so stechend war. Dafür blitzte immer noch der Schalk in ihren Augen. «Also gut, nochmals von vorn und ganz genau. Woher kommst du?»

Also begann ich zu erzählen, dass ich aus dem Jahr 1990 kam, dass der Sprechende Hut bei der Eröffnungszeremonie dieses Jahr ein Haus erwähnt hatte, dass es gar nicht mehr gab, wie ich Finëa kennengelernt hatte, den Gemeinschaftsraum gefunden hatte, ... Finëa unterbrach mich kein einziges Mal. Aufmerksam hörte sie zu, bis ich mit meiner Geschichte zu ende war, auch wenn sie hie und da verwirrt oder misstrauisch die Stirn runzelte. Als ich dann fertig war, schwieg sie und sah mich einfach nur nachdenklich an.

«Adrienne Seanorth. Hmm.»

Ich wartete, doch Finëa sagte nichts weiter, sah mich einfach nur an, tief in Gedanken versunken.

«P-Professor Finjarelle?», fragte ich zögerlich.

«Hm?», sie merkte auf und sah mich fragend an.

«Was soll ich jetzt machen?», stellte ich die Frage, die mir im Kopf herum gespuckt war, seit ich realisiert hatte, was hier genau passiert war.

«Schlafen», meinte Finea abwesend. «Und dann reden wir morgen weiter.» Sie machte eine Handbewegung, so als ob sie mir ihrer Hand etwas Grosses, Schweres zu mir schieben wollte, und mir wurde schwarz vor Augen. Ich merkte noch, wie ich nach hinten kippte, dann war ich auch schon eingeschlafen.


Unbequeme Wahrheiten - Adrienne Seanorth 2 (HP FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt