13. Kapitel

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«Und sind Sie...?», ich hatte noch nie erlebt, dass George so zaghaft sein konnte, wenn er jemanden etwas fragen wollte. Aber es gab wohl für alles ein erstes Mal.

Finëa verstand die Frage trotzdem. «Ja, ich bin Finëa di Finjarelle, die Gründerin dieses Hauses.»

«Sind Sie unsterblich?», platzte es aus Jessie heraus.

Finëa lachte. «Oh nein, das bin ich nicht. Aber lasst euch das am besten von Adrienne erklären, sie kennt sich bestens aus.» Mit diesen Worten ging Finëa in Richtung Kamin, wo sie an einer mit einem weissen Kreis markierten Stelle plötzlich verschwand. Sekunden später drehte sich die Frau auf dem Waldgemälde über dem Kamin uns zu und zwinkerte, bevor sie ihren Kopf wieder zur Seite wandte und, uns ihr Profil zeigend, erstarrte.

«Was war das denn?», hauchte Cedric und starrte verwirrt zwischen dem weissen Kreis und dem Gemälde hin und her.

«Ja, das würde mich auch interessieren. Und vor allem ...», begann Fred und George beendete wie immer seinen Satz, «... was du uns zu dem Ganzen sagen kannst, Adrienne.»

Nun lag die volle Aufmerksamkeit der vier anderen auf mir und ich fühlte mich ziemlich unwohl dabei. Um mein Unwohlsein nicht zu zeigen, ging ich zu ein paar Sofas hinüber und liess mich in die braunen Lederpolster fallen. Die Sofas waren erstaunlich bequem, dafür dass sie hier seit – Wie lange? Circa tausend Jahre wahrscheinlich – herumstanden. Die Zwillinge, Cedric und Jessie waren mir gefolgt und setzten sich ebenfalls.

«Also, Adrienne, schiess los. Was hat Finëa di Finjarelle gemeint?», fragte Jessie.

Ich holte tief Luft. «Nun, ihr wisst ja ..., dass meine Mutter ziemlich seltsam ist.»

«Ja, für eine Muggel weiss sie erstaunlich viel über unsere Welt», bemerkte Fred. «Sie kennt ja zum Beispiel die Winkelgasse, obwohl die vor Muggeln verborgen ist.»

«Ähm, ja, dass auch», Freds Einwurf irritierte mich etwas, denn daran hatte ich schon seit längerem nicht mehr gedacht. Meine Gedanken waren mehr mit der blutverschmierten Frau mit dem Schwert an der Seite beschäftigt gewesen. Oder mit der Frau die.... «Aber das meinte ich nicht. Es ist so, dass meine Mutter schon immer anders war, als andere Frauen – oder Menschen im Allgemeinen. Oder zumindest anders als die meisten. Sie glaubt nicht an den Gott der Muggel, sondern an die alten keltischen Götter und sie feiert auch ihre Feste und so.»

«Sie feiert kein Weihnachten?» «Oder Ostern?», fragten die Zwillinge entsetzt.

Ich musste lächeln und schüttelte den Kopf. «Nein, wir feiern Jul – oder Alban Arthuan, wie es bei den Kelten hiess – das ist das Fest der Wintersonnenwende und nur drei Tage von Weihnachten entfernt. Und wir feiern Ostara, das Fest der Frühlings-Tag-Nacht-Gleiche.»

«Ja, okay, aber was hat das mit Finëa di Finjarelle zu tun?», hakte Cedric nach.

«Nun, wir feiern auch Samhain – das ist der keltische Name für Halloween, oder besser gesagt, Halloween ist der moderne Name für Samhain, denn das heutige Halloween geht direkt auf Samhain zurück. Es ist ein Fest der Toten, der Tag, an dem der Schleier zwischen Leben und Tod am dünnsten ist und die Toten uns besuchen können. Meine Mutter und ich, wir haben immer ein Samhain-Ritual in unserem Garten abgehalten, haben Gaben hergerichtet und auf Besuch gewartet –»

«Du hast mit deiner Mutter Totenbeschwörungen gemacht?» Cedric klang entsetzt und auch Fred und George sahen ähnlich verschreckt aus. Nur Jessie schien fasziniert.

«Es sind keine Totenbeschwörungen wie ihr euch das vorstellt. Man braucht einen kleinen Schrein – ein flacher Stein reicht schon – der unter einem Holunderbaum steht, dann stellt man auf den Schrein einen Krug mit Holunderwein und einen Teller voller Essen, schenkt sich selbst ein Glas Holunderwein ein – oder Holundersirup – trinkt ihn und wartet, ob ein Geist auftaucht.»

Unbequeme Wahrheiten - Adrienne Seanorth 2 (HP FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt