10 - Sein Name

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Suho POV

"Wie heisst du eigentlich?", fragte ich den neuen Wolf.

Er sah mich aus schüchternen, braunen Augen an und sah dann zu Boden.
"Ich weiss nicht, ob mein Name für euch einfach auszusprechen ist. Es ist ein chinesischer Name. Ihr könnt sonst einfach weiterhin Wolf sagen, wenn ihr wollt.", er drehte sich um und ging zur Höhle wo die Kleidervorräte gelagert wurden.

Sehun sah mich verwirrt an und ich zuckte mit den Schultern. Der Junge war ganz abweisend geworden, sobald das Gespräch auf seinen Namen kam. Vielleicht vertraut er uns einfach noch nicht gut genug. Oder er hat eine Abneigung gegen seinen Namen.

Sehun ging hinter dem Jungen in die Höhle, um sich umzuziehen. Währenddessen machte ich die Zutaten unseres Essens bereit. Frisches Fleisch, dazu Blaubeeren und Kräuter, welche noch gewaschen werden müssen. Ich begann das Tier zu häuten, bevor ich das Fleisch in kleine Stücke schnitt und in die Schale über dem Feuer legte.

Sehun und auch der fremde Wolf kamen zum Feuerplatz und setzten sich ins Gras. Ich reichte ihnen die Beeren und Kräuter, damit sie die Esswaren in der Wasserschüssel neben ihnen waschen konnten. Dann überwachte ich das Fleisch, während es in der Pfanne vor sich hin briet.

Der Wolf pflückte die Kräuter von den Stielen und tauchte sie in die Wasserschüssel. Er wirkte sehr nachdenklich, während er dies tat. Wolf bemerkte meinen Blick und schenkte mir ein zurückhaltendes Lächeln, bevor er seine Arbeit fortsetzte.

Sehun neben ihm beklagte sich wegen seinen verfärbten Fingern. Er versuchte seine Finger an seiner Hose abzuwischen, wurde jedoch vom Wolf am Handgelenk festgehalten. "Nicht. Das macht ganz schlimme Verfärbungen, die kaum mehr ausgehen.", gab er mit sanfter Stimme von sich. "Wenn du sie gut mit Wasser und Seife wäscht, dann vergeht das in ein paar Tagen". "Oh, okay.", mit einem kleinen Lächeln widmete sich Sehun wieder der Arbeit.

"Woher weisst du das?", fragte ich ihn. Der Wolf lächelte wehmütig. "Meine Mutter hat mir das beigebracht. Da das Silverstone Rudel mehr Männer als Frauen hatte, mussten einige von uns Jungs den Frauen bei ihren Arbeiten helfen. Darüber war ich ganz froh. So fiel lange Zeit nicht auf, dass ich ein Omega bin. Meine Mutter lehrte mich vieles, auch wie man jagte. Sie wollte, dass ich eines Tages fliehen kann." Der Wolf sah kurz auf seine Hände, bevor er fortfuhr. "Nur meine Mutter und wenige enge Freunde wussten, dass ich ein Omega bin. Einer davon hat uns verraten. Meine Mutter und ich sollten gefangen gehalten werden, bis der Alpha zum Rudel zurückkehrte. Meiner Mutter war klar, dass dies unsere einzige Chance ist. Sie hat die Schlüssel zu meiner Zelle an sich gebracht und half mir zu entkommen. Ich wollte ihr helfen, aber sie flehte mich an, sie zurück zu lassen. Ich konnte das nicht. Aber irgendwo schlug jemand Alarm. Ich zog meine Mutter mit mir, wir waren langsam, da sie bei der Gefangennahme verletzt wurde. Als ein Alpha bemerkte was los war, kam er uns von der Grenze entgegen. Es war spät in der Nacht, niemand sonst war da. Nur er, meine Mom und ich."

Er schluchzte auf und vergrub seinen Kopf in den Händen. Sehun sah hilflos zu und wollte ihn in den Arm nehmen. Doch seine verschmierten Blaubeerhände, hinderten ihn daran. So rutschte ich zu ihm rüber und legte ganz behutsam meine Arme um ihn. Der Wolf schluchzte in mein Shirt und ich liess es zu. "Manchmal hilft es, darüber zu reden. Bitte fahr fort."

Er atmete kurz durch, verharrte aber in meinem Griff. "Der Alpha wollte mich angreifen, ich wich zurück. Kämpfen hatte ich nie gelernt und ich dachte dass meine Mutter ebenso keine Kampferfahrung hatte. Sie schien jedoch genau zu wissen, was sie tat als sie mich in Richtung Grenze stiess und den Kampf mit dem Alpha aufnahm. Sie rief mir zu dass ich meiner Bestimmung folgen soll, ich solle rennen und frei sein, wie ein Vogel im Wind. In die Welt hinaus gehen und nie mehr zum Silverstone Rudel zurücksehen.

Das war von Anfang ihr Plan. Sie wollte sich opfern, damit ich überleben konnte. Damit ich eine Zukunft ausserhalb habe. Und das hat mich am Laufen gehalten, selbst als ich vor Müdigkeit strauchelte, auch als ich kurz vor dem Verdursten stand. Sogar als ich hörte wie der Wald still wurde, nachdem der Alpha zum Todesstoss ansetzte und ein letzter Schrei von ihr ertönte. Tränenüberströmt, schweissgebadet und übermüded kam ich bei euch an. Und als Sehun mich fand, dachte ich das alles umsonst gewesen sei. Doch ihr habt mich akzeptiert, so wie ich bin. Dafür danke ich euch."

Er setzte sich auf und wischte sich übers Gesicht. Er suchte meinen Blick und nahm meine Hände in seine. "Danke, danke, danke! Ich kann es gar nicht genug oft sagen.", seine Augen schimmerten erneut feucht und er schniefte leise. Ich schloss ihn erneut in die Arme, bevor er auch Sehun mal drückte.

"Ich will den Moment ja nicht zerstören oder so, aber was hast du mit deiner Bestimmung gemeint? Das mit dem fliegen und frei sein.", fragte Sehun.

Der Wolf lächelte ein trauriges Lächeln bevor er seine Erklärung begann. "Es hat mit meinem Namen zu tun. Als meine Mutter mich gebar, war sie überglücklich. Sie wollte mich Junjie nennen, ein Name für einen starken, gutaussehenden Anführer. Doch sobald sie sah, dass ich ein Omega war, entschied sie sich für einen anderen Namen. Einen Namen, der mir helfen sollte auf dem Weg aus dem Rudel. Sie wählte die Bedeutung, so dass der Name mich in die grenzenlose Freiheit führen sollte. So dass ich meine Segel setzen und in neuem Wind davonsegeln konnte. Dass ich ausbrechen und den Fesseln entfliegen konnte, die das Silverstone Rudel um mich legte."

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er meinte, dass seine Mutter viel Bedeutung in Namen sah. "Sie heisst, oder hiess, Nuan. Die offenherzige, die ihre Nahestehenden von ganzem Herzen liebt."

Er sah in die Ferne und seufzte tief. "Ich wünschte sie könnte sehen, dass es mir gut geht. Und dass ich jetzt an einem schönen und besseren Ort bin." Ich drückte ihn kurz und meinte, dass seine Mom jetzt auch an einem besseren Ort sei. Und dass sie von da oben auf ihn acht gibt, so wie sie es getan hat als sie noch lebte. Der Wolf nickte erleichtert. Sehun sah mich überrascht an, so eine Tiefgründigkeit war er gar nicht von mir gewohnt.

"Bevor ichs vergesse, sollte ich euch vielleicht noch meinen Namen verraten.", lachte er auf einmal auf. "Sonst müsst ihr mich immer Wolf nennen." Er sah erleichternd glücklich aus, auch wenn man die Tränenspuren auf seinen Wangen immernoch sehen konnte.

"Na wie heisst du denn?", fragte Sehun, während ich schnell das angekokelte Fleisch wendete.

"Wu Yifan"

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Tata! Ich habs auch fertig gebracht, den Namen jetzt endlich mal zu nennen.

Wusste gar nicht, dass ich so tiefgründig und traurig schreiben kann. Mal was neues.

Und ist irgendwer überrascht? Vermutlich schon. Oder doch nicht?

Neues Leben? Neues Rudel. ▪︎EXO▪︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt