Kapitel 14

1.2K 66 5
                                    

„Sag mal, stalkst du mich?“, fragte sie.
Es war nicht seine Aufgabe, sie zu stalken, sondern zu überwachen, das war nämlich etwas anderes. Er selbst hatte nicht wirklich Lust auf diese Aufgabe, aber wenn Kakashi ihm dies Mission gegeben hatte, musste er sie auch erfüllen. Dass Kasumi das unangenehm war, konnte er gut verstehen, denn ihm ging ja schließlich auch so ähnlich.
„Nein“, sagte er trocken.
Sie schaute ihn noch kurz ein wenig verwirrt und misstrauisch an, bevor sie einfach weiterging und ihn nicht aus den Augen ließ.
„Du warst lange nicht mehr hier, stimmt's?“, fragte er.
Kasumi nickte und ging weiter. Sasuke ging neben ihr entlang.
„Du auch nicht, oder?“, fragte sie.
Sasuke schüttelte den Kopf. Das letzte Mal war er dort, als der Krieg tobte und er die Kage zum Leben erweckte. Das war auch gerade mal ein Jahr her, fühlte sich aber deutlich länger an. Inzwischen war er schon achtzehn. Er schaute zu ihr.
„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte er sie.
„Abgesehen davon, dass ich eingefroren war und in dieser Zeit jetzt lebe, einundzwanzig Jahre“, sagte sie. „Und du?“
„Achtzehn.“
Es herrschte ein paar Minuten eine kleine Stille zwischen den beiden. Sie schauten sich nur in der Gegend um. Es waren deutlich mehr Häuser geworden, nachdem sie das letzte Mal dort gewesen ist. Das Design der Häuser blieb, was ihr ein Gefühl von Zuhause gab. Auch wenn das Dorf am Rande von Konoha nun schon seit so vielen Jahren leer war, konnte sie sich immer noch gut vorstellen, wie die Leute vor dem Massaker dort noch gelebt haben. Aber nun waren sie alle verstorben.
„Dann sind wir wohl die letzten Uchihas“, sagte Kasumi betrübt.
„Das sind wir.“
„Wo sind die Gräber?“, fragte sie.
Sasuke schaute sie kurz an, brachte sie aber dann zum Massengrab. Es herrschte eine echt trübe und bedrückende Stimmung, die beide spürten. Kasumi ging von einem Grab zum anderen und las sich die Namen durch, bis sie bei Izuna ankam. Jedes Grab sah gleich aus. Teils waren die Gräber auch schon mit Pflanzen und Moos übersehen. Warum sollten sie auch nicht? Niemand war für die Gräber verantwortlich und niemanden scherte es, wie die Gräber aussahen. Keines hatte irgendwelche Blumen, Kerzen oder Bilder. Einfach generell keine Verschönerung, die auf andere hinweisen könnten, die um die gefallenen Uchihas trauerten.
„Wo ist Madara?“, fragte sie.
„Man hat seine Leiche nie gefunden“, erklärte Sasuke. „Daher konnte man auch kein vernünftiges Grab erstellen.“
Es war ein komisches und irgendwie auch ein ekelhaftes Gefühl, als sie das sah. Dass sie wusste, dass sie eigentlich schon lange hätte auch dort liegen müssen, doch stattdessen hatte man ihr wieder den Anblick des Grabes gezeigt. Sie war den Tränen nahe, ließ es aber nicht zu. Wenn sie Tobirama geheiratet hätte, wäre ihr Grab dann bei den Senjus oder bei den Uchihas? Es waren die falschen Gedanken am falschen Ort. Diese Gedanken gehörte nicht dahin. Nicht an die Gräber ihres Clans. Nicht am Grab von Izuna, der immer besonders streng mit ihr war.
„Lass uns gehen“, sagte Sasuke und legte eine Hand auf ihre Schulter.
„Ach Sasuke.“ Ihre Stimme klang etwas erleichtert, doch auch bedrückend. „Warum haben wir die Arschkarte gezogen?“
Er hatte keine Antwort auf diese Frage. Aber er merkte, dass sie genauso dachte, wie er als Kind.
Sasuke wusste nicht, wie er ihr helfen konnte, deshalb stellte er sich einfach vor, was er damals gebraucht hätte, als er klein war. Auch wenn Sasuke das als Kind nicht einsah, brauchte er jemanden, der für ihn da ist. Kasumi wollte es auch nicht einsehen, doch auch sie brauchte jemanden. Und das war auch nur natürlich. Jeder brauchte jemanden, aber er war sich nicht sicher, ob er die Person für Kasumi sein sollte. Sasuke drehte sie zu sich und legte seinen Arm auf ihren Rücken. Sie war verwundert, als Sasuke sie zu sich heranzog und damit in den Arm nahm. Erst wusste sie nicht, was sie machen sollte, geschweige denn, was sie hätte fühlen sollen, doch sie erwiderte die Umarmung einfach mal.
 
 
 
Das, was in der Prüfung dran kam, wurde nicht einmal im Unterricht behandelt. Da war sie sich sicher, da die anderen Kinder das alles auch nicht wussten, doch sie schauten ab. Ob Kasumi das tun sollte, wusste sie nicht, doch die meisten Aufgaben konnte sie beantworten, da sie schließlich auch zuhause gelernt hatte. Alle setzten ihre krassesten Techniken ein, um abzugucken, doch Kasumi wusste nicht, wie sie abgucken sollte. Da sie aber eh das meiste wusste, beließ sie es dabei. Sie war sich sicher, dass sie das Minimum geschafft hatte, um zu bestehen. Und sie wollte es auch nicht riskieren, wegen des Abschauens aus der Prüfung zu fliegen und dann gar keine Chance mehr auf den Genin-Titel zu bekommen. Lieber beantwortete sie alles, auch wenn die Hälfte falsch war.
Ihr Kopf rauchte, als sie den Raum verließ. Das war sehr anstrengend gewesen, doch sie hatte es geschafft. Wenn sie besteht, dann hätte sie morgen den praktischen Test, für den sie nicht mehr lernen musste. Sie durfte nicht gegen einen der Schüler kämpfen, da dies unfair gegenüber den Kindern gewesen wäre. Deswegen musste sie gegen einen Jonin kämpfen. Gegen wen sie kämpfen sollte, wusste sie noch nicht. Das würde sich erst morgen in der Arena herausstellen.
        Am Abend stand sie auf ihrem Balkon und schaute sich um. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Bier und sie dachte über die Prüfung morgen nach. In ihr staute sich eine Kampflust auf, die sie zuletzt im Kampf gegen Tobirama gespürt hatte. Trainiert hatte sie nun nicht für die Prüfung, aber schwach war sie nun auch nicht. Nachdem sie einen Brief bekommen hatte, dass sie bestanden hat, stand auch noch unten geschrieben, dass ihre kürzlich erlangten Verletzungen berücksichtigt werden würden. Ein bisschen Schmerzen hatte sie zwar noch, aber kämpfen konnte sie ohne Probleme.
„Von wegen nicht so stark...“, flüsterte sie zu sich selbst.
Die Stadt war mächtig gewachsen. Das wunderte sie nicht, so lange wie sie weg war. Auch wenn viele Menschen auf den Straßen unterwegs waren, fühlte sie sich trotzdem in der großen Stadt allein. Sie hätte damals einfach mit Tobirama gemeinsam sterben sollen. So waren ihre Gedanken. Sie hätte auch nichts dagegen gehabt, nun unter der Erde zu liegen und all die Leute dort nicht kennengelernt zu haben.

Verlorene Uchiha * Kakashi ff *Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt