Π KAPITEL XIX Π

814 52 21
                                    

Es mussten nur mehrere Monate vergehen, bis ich kapiert habe, wie Near mich nach meiner Entlassung überwachte. Ständig klebte er wie eine lästige Klette an mir, verbrachte nur Zeit mit meinen Freunden. So wie Tanaka, der sich einfach mir nichts dir nichts in den Freundeskreis eingeschlichen hatte.

Das dritte und letzte Trimester neigte sich langsam dem Ende zu, wir alle mussten uns für Universitäten bewerben.
Wir hatten uns in ein Internetcafé gesetzt, um uns Universitäten herauszusuchen und uns vielleicht sogar zu bewerben. "Yoshiko, was willst du eigentlich machen?", fragte Hana und nahm einen Schluck von ihrem warmen Kakao. Interessiert drehte der Rest sich um. "Kunstarchitektur", meinte sie knapp, sie war sehr auf ihre Bewerbung fokussiert. Hana sah auffordernd in die Runde.
Einer nach dem anderen stellte seinen Berufswunsch vor: Mamoru wollte Staatsanwalt werden, um die bösen Typen wie Kira auf legale Weise einzubuchten, Hana wollte Geschichte studieren, und Near würde angeblich nach den Trimester zurück in die USA gehen.
"Ryoko, was willst du machen?", fragte Mamoru mich neugierig. Ich zuckte mit den Schultern. "Ich bin mir noch nicht sicher", antwortete ich. Ich war wirklich noch ziemlich unsicher, vorallem die Gefangenschaft Dank Near hat mich auf andere Berufsziele gebracht. "Eigentlich hatte ich Steuerberater im Sinn, aber irgendwie..."
Hana klopfte mir auf die Schulter. "Du hast ja noch ein bisschen Zeit", meinte sie, dann funkte Mamoru dazwischen. "Aber nicht mehr allzu viel."
Er hatte Recht, langsam musste ich mich wirklich für eine Richtung entscheiden.

Unsere Suche nach Universitäten endete relativ schnell in irgendwelche Blödeleien. Zuerst haben wir die englische Wikipedia-Seite nach irgendwelchen Fachbegriffen durchsucht, dann haben wir online irgendwelche Spiele gespielt. Nun sitzen wir um Nears Rechner und sehen uns Crack-Videos von amerikanischen Filmen an.
Mein Handy klingelte plötzlich, eine unbekannte Nummer rief an. "Leute, seid Mal still", zischte ich, bis auf Yoshiko verstummten alle sofort. Mahnend sah ich sie an, ehe ich den Anruf annahm. "Ja bitte?"
"Ich weiß, wo du wohnst", sprach eine verzerrte Stimme, die mir irgendwie vertraut vorkam.
Ich atmete tief ein, ordnete meine Gedanken.

"Stalking ist eine Straftat. Unterlassen Sie weitere Anrufe und suchen Sie mich nicht Zuhause auf, sonst bin ich zu schweren Maßnahmen gezwungen", entgegnete ich der Person so selbstsicher ich konnte, jedoch war ich mir im Klaren, dass ich eher nervös klang. L, der mich überall hin begleitet, sowie Near sahen mich mehr als nur besorgt an. Die Person am anderen Ende lachte, was durch die Verzerrung bedrohlich klang.
Sie sprach wieder, diesmal ohne Verzerrung, und am liebsten hätte ich mein Handy gegen den Tisch geschlagen.
"Alles gut, ich habe nur mit Nears Werkzeugen hier rumgespielt."

Mein Vater ist und bleibt ein Vollidiot.

"Das ist alles andere als witzig, Vater", seufzte ich, durch das Augenrollen des Weißhaarigen musste ich zumindest leise kichern. "Sei bitte um spätestens halb elf wieder Zuhause", meinte er noch, dann legte er auf. Kopfschüttelnd ließ ich mein Handy in die Tasche meiner lockeren Jeans gleiten. Ich spürte ein feines Stechen in meinem Nacken, danach wurde meine Umgebung nach und nach leiser, ich konnte nichtmal Yoshikos Gekreische hören. Es war wie Flashbacks in einem Film, plötzlich schossen mir unheimlich viele Erinnerungen durch den Kopf.

Kira. Shinigami. Light. Ryuk. Death Note. Meine Gefangenschaft. Shos Tod. Der Amoklauf. L Lawliet. Nate River. Der Welpe, der von den Jugendlichen im Park umgebracht wurde. Die unzähligen, ermordeten Verbrecher. Kira.
Ich bin Kira.
Ich konnte mich wieder daran erinnern.

Rückwärts fiel ich auf den Boden und zog besorgte Blicke auf mich. Allmählich nahm ich meine Umgebung wieder wahr. "Ryoko! Ryoko geht's dir gut?", rief Yoshiko und packte mich an den Schultern. "Ja, alles gut, mir war nur schwindelig", krächzte ich heiser. Und wieder musste ich meine Freunde anlügen.

Ein leises Kichern erklang, wohl nur für mich hörbar. "Endlich bist du wieder die Ryoko Matsuda, die mein Death Note aufgehoben hat", sprach er, mein Shinigami. Ich lächelte, kaum merkbar für die anderen.
Der Verdacht lastet nicht länger auf mir, ich kann wieder nach Herzenslust morden.

Und ich kenne den Namen meines ärgsten Feindes.

Engel gibt es nicht | ᴰᵉᵃᵗʰ ᴺᵒᵗᵉ ᶠᶠWo Geschichten leben. Entdecke jetzt