Π KAPITEL XX Π

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Aufgrund dieses angeblichen Schwindelanfalls haben wir beschlossen, jetzt alle nachhause zu gehen. Near folgte mir wieder, er brachte mich bis vor meine Haustür. Bevor ich durch die Tür verschwand, nickte ich ihm dankend zu.

Oben in meinem Zimmer begann ich zu lachen. Ein bedrohliches Lachen, wie das, was ich am Handy hören konnte. Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, drehte ich mich auf meinem Schreibtischstuhl um. "Willkommen zurück, Light", meinte ich und sah ihm direkt in seine rot glühenden Augen.
Der Shinigami sah mich hingegen nicht sehr begeistert an. "Ich konnte es mir denken, dass du die gleiche Taktik benutzt wie ich, das hat auch erklärt, warum du mich über Monate hinweg ignoriert hast", erklärte er mir knurrend.
"Aber das ist riskant. Wenn Near irgendwas auffällt, fällt der Verdacht wieder auf dich."
Ich seufzte. "Das ist der Plan", meinte ich, ohne wirklich einen Plan zu haben. Mich schockierte es, zu was für einen Lügner ich geworden bin.

Mein Handy begann erneut zu klingeln, diesmal war es weder eine unterdrückte Nummer, noch Vater. Near persönlich rief mich an. "Was gibt's?", meinte ich freundlich und hielt mir das Gerät ans Ohr. "Minoru ist tot", flüsterte er. Mich verwunderte das. Er sollte doch die Todesstrafe bekommen, wo war denn da das Problem?
"Er starb an Herzversagen."
"Also gibt es einen anderen Kira?", hakte ich nach. Ich hatte ihn nicht umgebracht, es musste also wirklich einen neuen Kira geben.
"Ich bitte dich, wenn es dir besser geht, morgen in die Zentrale zu kommen. Oberinspektor Matsuda wird dich abholen", meinte er und fügte noch ein flüchtiges "Gute Nacht" hinzu.

"Verliebe dich ja nicht in deinen Feind", grinste Light. "Sprichst aus Erfahrung, oder?", entgegnete ich grinsend, merkte aber, wie falsch diese Aussage war. Light sah mich böse an. "Sorry", nuschelte ich und schmiss mich auf's Bett.
"Um einen weiteren Kira brauchst du dir keine Sorgen machen", beruhigte er mich. "Sicher hat Ryuk seine Tradition ausgeführt."
Ich richtete mich wieder auf.
"Heißt das, er ist nicht mehr in der Menschenwelt?"
Light schüttelte den Kopf. "Ich hab sein Death Note genommen, bevor er zurück zur Shinigami-Welt ging."
Ich nahm einen Apfel aus der Nachttischschublade, den habe ich heute erst dort abgelegt. Mit einer mehr oder weniger eleganten Bewegung warf ich ihn Light zu. "Hier, der ist für Ryuk."

Schule, wie immer. Nur sehe ich die Menschen hier wieder mit anderen Augen. Diese ganzen Gutmenschen, die man als Vertrauenslehrer bezeichnet, diese ganzen Mobber, die Gemobbten, die ihre Rettung in Kira sehen. Mit dem Death Note sieht man das alles wieder.
In der nächsten Woche fanden die letzten Prüfungen statt, und diesmal kann ich auf Lights Hilfe zählen.
Zu meiner Überraschung saß Near wieder neben mir. Mit einem freundlichen lächeln begrüßte ich ihn, dann fielen mir seine Haare auf; da waren keine langen Strähnen mehr, nur kurze, fluffige Locken.

"Huch, bist du unter einen Mähdrescher geraten?", scherzte ich. Near sah mich verwirrt an, er verstand den Scherz nicht. Oder er verstand nicht, dass das ein Scherz war.
"Deine Haare... 'tschuldigung", meinte ich und rieb mir den Hinterkopf. "Schon gut", meinte er und kritzelte weiter auf seinem Blatt herum. Eine Weile saßen wir nur schweigend auf unseren Plätzen, beschäftigten uns mit uns selber. Naja, Light quasselte sehr viel, was meine Konzentration sehr in Anspruch nahm.

"Ich nehme an, ich kann dich später in der Zentrale erwarten", stellte Near fest, dann verließ er das Schulgelände. Da Herr Ikesaki angeblich noch mit mir reden wollte, musste ich noch warten, bis ich auch nach Hause gehen konnte. Der Geschichtslehrer kam aber nicht, auch nicht nach einer halben Stunde.
Stattdessen erkannte ich L, der knapp fünf Meter uns gegenüber stand.

"Ein schöner Tag, nicht wahr Ryoko, Light?", meinte er und sah verträumt in den klaren Himmel.
Light knurrte. "Nach allem, was geschehen ist, traust du dich wirklich noch, dich hier blicken zu lassen?"

Engel gibt es nicht | ᴰᵉᵃᵗʰ ᴺᵒᵗᵉ ᶠᶠWo Geschichten leben. Entdecke jetzt