VII

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Fünf nach halb sieben. Sie haben endlich Berlin verlassen und befahren nun die A13. Jakub hat den Tempomat aktiviert, sodass die Nadel auf der hundertvierzig verharrt. Er hat unterdessen einen kalten Hähnchensnack gegessen, anschließend ein paar kleingeschnittene Obststücke verspeist. Die Wasserflasche hat er zwischen Tür und Sitz geklemmt. Manchmal schaut er zu Jacek, der erneut eingeschlafen ist. Der Vierundzwanzigjährige lächelt kurz und wendet den Blick zur Straße. Der Horizont hat sich rosa verfärbt, und die letzten Sonnenstrahlen haben es noch geschafft, die seichte Wolkendecke zu durchbrechen. Jakub hat die Sonnenblende heruntergeklappt, damit er ohne Schwierigkeiten auf die Straßen schauen kann.

Ihm ist keineswegs langweilig. Jakub fühlt sich vielmehr heruntergefahren und ausgeglichen. Das Auto fahren hat es ihm ermöglicht, den Drang nach einem Konsum zu unterdrücken. Dieses Gefühl habe ich so vermisst, denkt Jakub, während er zu einem Überholvorgang ansetzt. Er sieht im Innenspiegel zu einem BMW. Ihm bereitet es einen kleinen Spaß, die Modelle zu erraten. Ich tippe auf einen X5. Das vermeintliche Schlachtschiff braust in einem hohen Tempo an ihnen vorbei, ehe Jakub folgt. Die hundertvierzig bleiben angepeilt. Okay, es ist ein X6 gewesen. Fast. Es sind ziemlich viele Berliner und Polen unterwegs. Nur manchmal entdeckt er Kennzeichen, mit denen er überhaupt nichts anfangen kann. Da gibt's einen mit ECK, dann wieder SN, hier wieder mit GF. Keine Ahnung, was das alles heißen soll. Aber es sind Deutsche. Immerhin. Spätestens dann, wenn sie hinter die Landesgrenze gelangt sind, muss Jakub eine Tankstelle aufsuchen. Mein Glück ist es, dass der Sprit in Polen so verdammt billig ist. Ist bloß etwas scheiße gelaufen, dass ich Super Plus brauche.

Ein klapprig aussehender Polo will sie überholen. Was jedoch auffällt, ist, dass er auf Höhe von Jakub fährt. Der Pole seufzt etwas genervt und behält den Blick nach vorn gerichtet. Sie wollen wissen, wer den stattlichen Porsche fährt. Einerseits kann es Jakub nachvollziehen, wenn man sein Fahrzeug besonders findet und es deshalb lange genug ansieht. Aber sobald er sich den Fahrern oder Zuschauern zuwendet, heißt es wieder, Panik zu schieben.

Endlich hat er ihn überholt, jedoch nur auf Drängen eines Audi-Kombis. Der Motor heult auf, und der schwarze zischt im hohen Tempo davon. Die Insassen des Polos, zumindest die hinteren drehen sich zu ihm um. Jakub hebt die Augenbrauen und lässt die Hände zum unteren Teil des Lenkrades wandern. Der Kerl, müsste ungefähr so alt sein wie er selbst, deutet sichtbar aufgeregt auf Jakub.

„Meine Fresse. Ist das euer Ernst? Lasst mich in Ruhe mit meinem Schatz fahren." Etwas verärgert beginnt Jakub, das Gaspedal fester durchzudrücken, sodass die Nadel sehr schnell auf die hundertachtzig springt und die hundertneunzig ankratzt. Der Motor leistet mehr Arbeit, brummt lauter. Jakub allerdings kann nicht widerstehen und holt mehr Kraft aus seinem Sportwagen. Die zweihundert sind indes zügig überwunden. Der Drehzahlmesser pendelt irgendwo zwischen sechs und sieben. Ein Schauder der Freude rennt den Rücken herab. Momente der Straße, die ihn seit Langem mit Leben erfüllt haben. Die ihn ausgemacht haben.

„Alter, wie schnell bist du gerade?" Der laute Wagen hat Jacek aus dem Schlaf gerissen. Er richtet sich etwas auf, streckt die Arme vor sich aus. „Scheiße, das Ding ist echt laut." Jacek wischt sich mit beiden Händen über die Augen.

In den Ohren hallen das angenehme Brummen des Motors und die düstere Musik wider. Jaceks Stimme scheint beinahe unterzugehen.

„Wir sind jetzt bei ... ah. Zweihundertzwanzig." Als er Jaceks besorgten Blick wahrgenommen hat, drosselt er das Tempo und rollt höchstens an den nächsten Fahrzeugen vorbei. „Ich hör' schon auf." Er lächelt. Der Drehzahlmesser hat seine ursprünglichen Punkte wiedergefunden. Zwischen drei- und viertausend. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, wieder so schnell auf den Straßen unterwegs zu sein. Ich muss mich ziemlich beherrschen, um nicht frei am Rad zu drehen." Der Tempomat wird wieder bei hundertvierzig eingestellt. „Nee, solche Idioten meinen vorhin, mich nicht überholen zu müssen. Ist wieder bestimmt wegen mir und des Wagens." Er reicht Jacek die Flasche, nachdem er gefragt hat, ob hier irgendetwas zu trinken liegt. „Wenn du willst, kann ich gerne zu einem Rastplatz fahren. Im Kofferraum liegen so'n paar Snacks." Er grinst etwas. „Kleiner als bei einem Smart. Da kriegst du fast nichts hinein."

Ein Atemzug entfernt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt