IX

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„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht genau. Ich habe es auch nur erzählt bekommen. Kaden soll entweder korrupte Beamte bezahlt haben oder aber, er hat Kontakte zu den hiesigen Szenen. In manchen Ländern, Estland oder Tschechien, soll es wohl so sein, dass solche Anhänger einen Ticken schärfer arbeiten als in Deutschland." Jevhen bewahrt den ruhigen Ton. Wie die ganze Zeit schon. „Wie genau er vorgegangen ist, kann ich dir nicht sagen. Ich war wachgeworden, als ich mehrere Schüsse hörte. Dann die Schreie meiner Eltern. Sie haben bei mir im Anwesen übernachtet, weil wir am Tag zuvor den achten Geburtstag meiner Tochter gefeiert haben, falls du es wissen willst." Das fällt Jakub erst jetzt auf, nachdem der Händler zu den Häuschen geschaut hat. Das linke Ohr ist an der Muschel eingerissen und ist nicht richtig zusammengewachsen. „Es sind Polizisten aus Kiew gewesen. Ich habe zwei von ihnen erschießen können, die anderen haben sich zurückgezogen. Kurz vor dem Tod hat er mir gegenüber erwähnt, dass er es im Namen von Larkin getan hat. Da wusste ich nicht mehr, wie zu reagieren ist." Er beobachtet fünf ziemlich junge Menschen, die als Gruppe über den Vorplatz huschen und nach etwas Ausschau halten. „Wie ich vorhin gesagt habe: Die Sicherheit für meine Familie kann ich nicht auf ewig garantieren."

Kaden macht es ernst. Das ist überhaupt kein gutes Zeichen. Der Wahnsinnige will tatsächlich sein Ziel erreichen und vollbringt sogar effektive und große Schritte. Jakub muss widerwillig zugeben, dass er Kaden für den Ehrgeiz bewundert. Er hat einmal etwas in den Kopf gesetzt und wird es bis zum bitteren Ende durchziehen.

„Das ist etwas völlig Neues. So etwas kenne ich nicht von ihm. Also zumindest habe ich so eine Richtung nie mitgeschnitten. Ich habe von Anfang an gewusst, dass er solche Kontakte pflegt, aber dass er Polizisten dafür bezahlt ... Das ist mir neu." Der Pole hebt den Kopf. „Ich möchte dir etwas zeigen. Wärst du damit einverstanden? Ich müsste bloß das Handy aus dem Wagen holen."

„Sicher", erlaubt es ihm Jevhen und schaut Jakub zu, wie er sich dem Porsche widmet und das Handy von der Mittelkonsole nimmt. „Um was handelt es sich?" Er bedeutet seinem Begleiter, nicht nach der Waffe zu greifen, als Jakub sich umgedreht und das Handy angeschaltet hat.

„Um eine Art Programm, das uns mächtig den Arsch retten wird." Jakub hält das Display mehr zu Jevhen, damit er einen Blick auf die schwarze Karte werfen kann. „Kaden hat in seiner Unterkunft zwei Leute, die sich mit so einem Scheiß intensiv beschäftigen. Die können sich in wirklich jedes Gerät hacken und jedes Anti-Viren-Schutzprogramm lahmlegen oder überwinden. Für sie stellt nichts ein ernstes Hindernis dar. Ich bin aus der Gang ausgetreten, sehr zum Nachteil für mich. Ich habe meinen Bruder finden wollen, deshalb habe ich mich freiwillig zum Hauptsitz einer Behörde begeben, damit die Milosz finden. Im Gegenzug habe ich ihr alles erzählt, was ich von und über Kaden weiß. Habe auch 'nen Deal erwähnt, den sie stoppen konnten." Die leuchtenden Linien legen sich auf den schwarzen Grund, sodass wenige Sekunden später der Punkt erscheint. „Kaden hat's irgendwann herausgefunden und hat mich, zusammen mit seinen Vertrauten und Julien, erniedrigt. Dadurch bin ich zum Teil erblindet." Die Schreie, das Betteln und Flehen – jede Nacht der gleiche Albtraum. Wie oft ist er aus dem Schlaf geschreckt und hat schweißgebadet im Bett gesessen, mit flachem Atem und großem, starrem Blick? Die Schlafprobleme haben indes nicht abgenommen, seit Kaden ihm das Auge zerstört hat.

Jevhen äußert sich nicht dazu. Jakub ist ihm dafür dankbar. Er tritt näher zu dem Polen heran und sieht auf das Gerät.

„Das würde zumindest erklären, wie er es geschafft hat, mit den dort ansässigen Behörden in Kontakt zu treten." Der Ukrainer runzelt die Stirn. „Was soll das darstellen? Ich erkenne nur einen Punkt und die Umrisse von Deutschland."

Er hat sich schon wieder bewegt. Zu seiner großen Erleichterung weg von Frankfurt Oder. Der Punkt peilt eine bestimmte Richtung an – das Tempo ist nicht gerade langsam. Scheinbar muss Kaden mit seinem Wagen unterwegs sein. Er will seinen Bruder finden. Wenn er weiterhin den düsteren Hass im Herzen trägt, wird Miles nicht mehr lange leben. Ich hätte ihm einen Gefallen getan, hätte ich ihn getötet. Oh nein, das werde ich gewiss nicht tun. Er soll leiden.

Ein Atemzug entfernt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt