„Mama? Kann ich zu dir? Ich bin nämlich müde." Oliver ist zu ihnen gekommen. „Und Jevhen und Sasha sind nicht mehr hier. Irgendwo in der Stadt. Er hat gesagt, dass ich nicht mitkommen kann." Der Junge tapst zum Bett. „Jakub ist ja hier." Der Achtjährige klettert auf das Bett und rutscht zu ihm. „Schläfst du schon?" Der Pole grummelt laut, als Oliver sich auf seinem Bauch abstützt und ihn ansieht. „Tust du also nicht."
„Hey, nicht. Du tust ihm weh." Sarah nimmt die Arme von Jakub und holt Oliver zu sich. „Etwas vorsichtiger sein, ja?" Sie küsst seinen Kopf, und Oliver versucht sogleich, dem auszuweichen. „Nicht, solange ich hier bin." Sarah lässt ihn wieder los. „Hast du dich denn schon bettfertig gemacht?" Er nickt eifrig. „Auch umgezogen?"
„Noch nicht." Der Achtjährige behält Jakub im Blick. Dieser wiederum ist erneut weggedöst. „Kannst du mir wieder helfen?" Oliver ruht auf ihrem Schoß, nachdem sie sich gerade aufgerichtet hat. „Schläft er?"
„Wenn du so weiter fragst, dann bestimmt nicht mehr", antwortet sie amüsiert, „lass' ihn. Immerhin hat Jakub einen anstrengenden Tag hinter sich." Sarah entfernt sich von ihm. „Dann such' mal deine Klamotten heraus, die du gerne anziehen willst." Oliver zögert jedoch und sieht weiterhin Jakub an. Dieser hat derweil die Augen offen und linst aus schmalen Augen zu ihm. „Na los, sie suchen sich nicht von allein heraus." Sarah legt ihren Sohn die Hand auf dem Bauch und zieht ihn behutsam von Jakub weg.
„Ist er wieder okay?", will der Kleine wissen und hüpft vom Bett herunter. „Vorhin war er echt laut. Hat sich angehört, als hat er Schmerzen." Er linst vom Bettende zu ihm. Jakub erwidert den Blick, bleibt vorerst still. Sarah gesellt sich zu ihm und schiebt ihn zum Schrank.
„Ist er. Jakub braucht nur etwas Ruhe", antwortet Sarah lächelnd und öffnet die Tasche, welche auf dem Stuhl ruht. „Also, mein Kleiner. Was möchtest du gerne anziehen? Du suchst dir die Klamotten heraus."
Der Vierundzwanzigjährige gähnt lautlos und dreht sich auf die rechte Seite, nachdem er sein Handy ergriffen hat. Die meisten Muskeln beginnen unlängst, sich zu verhärten und Schmerzen zu verbreiten. Insbesondere die Schultern und die Arme fühlen sich wie Blei an. Er will gern erfahren, weswegen sich Jevhen in die Stadt begeben hat. Ich hoffe echt, dass ihm bewusst ist, dass er sich mitten in Berlin aufhält. Dort, wo Kaden gerade ist. Irgendwo. Jakub murrt sehr leise, als ihm aufgefallen ist, dass er mit Jevhen nicht einmal schreiben kann. Ich sage es doch. Ich bin blöd wie drei Meter Feldweg. Was will ich ihm schreiben, wenn ich nicht einmal die Telefonnummer habe? Das Vorhaben verfliegt. Stattdessen ruft er die Karte auf, um zu sehen, wo sich Kaden aktuell aufhält. Der auffällige Punkt tingelt nicht mehr in der nördlichen Richtung. Kiel ist längst Geschichte. Ebenso Miles, sollte er ihm kurzen Prozess gemacht haben. Kaden hält sich in Charlottenburg-Wilmersdorf auf. Der Punkt verharrt auf einer bestimmten Stelle. Also ist er wieder zurück. Jakub kann nicht anders, als der Aufforderung des Gewissens nachzugehen. Mittels Google versucht er herauszufinden, ob Miles für tot erklärt worden ist. Schade um die kleine Tochter. Wenn einer tot ist, dann alle. Kaden macht keine halben Sachen.
„Was machst du da?", fragt Oliver neugierig, als er plötzlich zu ihm gehuscht ist. Sein Kopf ruht auf Jakubs Schulter. Sollte er sich weiter zu ihm beugen, würden die weichen Haare seinen Hals kitzeln. „Aber dir geht es gut, oder? Weil, du hast echt laut gebrüllt." Er schmiegt sich etwas zögerlich an ihn.
Jakub zuckt sehr leicht zusammen. Fühlt sich, als hätte man ihn geradewegs in die Realität zurückkatapultiert. Er lächelt leicht, platziert das Handy neben sich und legt den Arm um das Kind.
„Mir gehen es gut", beantwortet er seine Frage und streicht ihm durch die Haare. „Du müssen dir machen keine Sorgen. Ich bin wieder normal, wenn du wollen es so." Jakub rollt sich auf den Rücken, sodass Oliver auf ihm liegt. „Die Schmerzen sind gewesen nicht so extrem – es ... haben nur gelegen an Training. Ich haben abbekommen blöden Schlag." Jakub schaut Sarah flüchtig an. Sie hat sich zu ihnen gesellt. „Was, ich brauchen jetzt, ist Pause. Und Ruhe." Er zeichnet winzige Figuren auf Olivers Rücken. „Erzählen mal. Wie ist gewesen Abend mit Jevhen? Haben es gemacht Spaß?"
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Ein Atemzug entfernt II
Teen Fiction„Was ist schon gut und was böse? Das ist scheißegal; letztendlich hast du dich eh verpflichtet." Jakub Zsaskaski ist auf der Flucht. Ein Wettlauf mit dem Tod. Jedes Hindernis könnte sein letztes Stündlein bedeuten. Und während des Wettlaufs stellt e...